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Titelgeschichte

«Ich möchte nicht neben einem Skilift den Berg hinauflaufen»

Oktober wird er 80 Jahre alt. Der Bieler Illustrator, Bühnenbildner, Werbezeichner und Weltenerfinder Jörg Müller spricht über seine Bilderbücher und Arbeitsweisen. Eine Auswahl seiner Originalwerke ist bis zum 25. Januar in der Bieler Galerie Art-Etage ausgestellt.

«Die Kanincheninsel», Titelbild, 1977. Bild: zvg/Jörg Müller

Interview: Vera Urweider

Jörg Müller, zeichnen Sie noch?

Jörg Müller: Für mich privat zeichne und bastle ich noch ein wenig. Aber veröffentlicht habe ich schon lange nichts mehr. Ich bin, so sagt man dem, glaube ich, im Ruhestand. Ich lebe seit zwölf Jahren in Hamburg, etwas ausserhalb. Und mir geht’s sehr gut damit.

 

Haben Sie denn noch einen Bezug zu Biel?

Nur meine Tochter, meine Enkel und natürlich ein paar Freunde.

 

Na, das ist doch schon recht viel!

(lacht) Ja natürlich! Aber ich meine ein Haus oder Wohnung oder so – da habe ich nichts mehr. Neben Hamburg ist da noch immer mein Haus im Burgund, seit 50 Jahren. Das ist auch ein bisschen Heimat.

 

Sie werden im Oktober 80 Jahre alt und nach einem so reichen Schaffen ein Leben lang, würde ich sagen, ist dieser Ruhestand wohlverdient. Und dennoch drängt sich mir die Frage auf: Warum haben Sie aufgehört zu publizieren?

Also mein letztes Bilderbuch «Die Weihnachtsshow» ist jetzt etwa 17 Jahre her. Danach hat es sich irgendwie einfach nicht mehr ergeben. Aber das ist in Ordnung. Ich habe damals auch etwas die Lust daran verloren.

 

Warum?

Wo fange ich an? Zum einen habe ich den Kontakt verloren. Den Kontakt zum Verlag, zu den Lektoren. Das kam schleichend, mit der Digitalisierung. Früher, da konnte man ein Buch begleiten, bis es fertig war. Bis zu seinem Erscheinen. Bis zum letzten Moment war man dabei, sah, wie es wuchs. Man traf sich mit dem Autor, mit dem Verleger, mit dem Lektor. Man besprach die möglichen Änderungen vor Ort, konnte mitreden. Dann kam das E-Mail. Und die digitalen Bilder. Man musste nicht mehr vorbeigehen, es war erwünscht, Bild und Text elektronisch zu senden. Alles begann schneller zu werden. Und es wurde auch immer mehr reingeredet und bestimmt. Das meine ich mit «Kontakt verloren». Ich hatte ein wahnsinniges Glück, nicht in der heutigen Zeit als Illustrator zu arbeiten. Wirklich. Ich konnte mir Zeit nehmen für meine Bücher und faire Tantiemen verhandeln. Heute ist es ja auch finanziell schwierig geworden für Zeichner. Illustrationen werden sehr stiefmütterlich behandelt.

 

Das klingt sehr ernüchternd.

Ja. Das ist es. Deshalb bin ich glücklich mit meinem Ruhestand (lacht).

 

Sie sagten vorhin «zum einen» – es gibt also noch andere Gründe, wieso Sie nicht mehr publizieren wollten?

Naja, ich begann mich zu wiederholen. Einfach in schlechter. Und ich mag Leute nicht, die nicht aufhören können.

 

Sie haben für Ihre Bilder tage-, wochen-, monate-, gar jahrelang gearbeitet. Teilweise Modelle gebaut, von den Maschinen in «Der Bär, der ein Bär bleiben wollte» beispielsweise, um zu sehen, ob sie auch wirklich funktionieren würden. Oder ganze Burgen und Landschaften, wie für «Die Menschen im Meer», damit Sie sie genauestens zeichnen konnten. Damit diese auch von oben stimmen würden. Für «Die neuen Stadtmusikanten» haben Sie sogar Bilder mit dem Skalpell in Millimeterstreifchen geschnitten, um sie versetzt wieder zusammenzusetzen ... Dieser Aufwand, diese Detailarbeit, das ist unglaublich beeindruckend ...

... und hat aber unglaublich Spass gemacht! Das ist es ja genau, was ich an der heutigen Illustrationsarbeit vermisse. Der Raum zum Erfinden und Tüfteln. Ich hab auch in den Zeichen- und Maltechniken immer Neues ausprobiert, obwohl ich dann oft in meinen Stil zurückgegangen bin. Dieses Experimentieren, Erforschen, Lösungen suchen und schliesslich finden, das ist tatsächlich ein Grossteil meiner Arbeit gewesen. Heute kann das jeder mit ein paar Klicks. Mit Photoshop ist alles möglich. Oder eben Vogelperspektive mit Drohnenaufnahmen. Als Zeichner und Illustrator muss man sich viel weniger selber vorstellen.

 

Aber Sie sind schon auch mit der Zeit gegangen und haben mit Photoshop gearbeitet?

Jaja. Zum Beispiel als ich das Mittelalterbild zur Bieler Altstadt fertig hatte, fand die Bieler Historikerin Margrit Wick neue Unterlagen, die belegten, dass die Brücke bei der Mühlebrücke aus Stein war, doch ich hatte sie aus Holz gemalt. Also habe ich ein Parallelbild dazu gemacht und mit Photoshop in der zweiten Version die Brücke zu Stein werden lassen. Man kann echt alles machen am Computer. Auch die Typographien. Doch nach welchen Regeln man einen Text setzt, von Hand, das weiss heute niemand mehr.

 

Dann hätten Sie doch einfach in Ihrer erfinderischen Arbeit weiterfahren können.

Nein, das macht dann wirklich keinen Spass, wenn alle anderen daneben mit Photoshop ganz schnell arbeiten. Das ist ja so wie mit dem Ski fahren. Früher, da ging man zu Fuss den Berg hoch, um nach harter Arbeit fröhlich runter zu fahren. Heute sind da auch schnelle Maschinen. Und ich will doch nicht neben einem Skilift den Berg hinauflaufen!

 

Aber in einen Bärengraben fallen?

(lacht) Nein, das musste ich zum Glück nicht. Ich hab viele Orte besucht, die ich später malen wollte. Aber im Bärengraben war ich nie. Für «Den Mann vom Bärengraben» hab ich auch kein Modell gebaut. Ich stand öfters davor, fotografierte von oben, so konnte ich problemlos die Bärenperspektive rekonstruieren. Für das spätmittelalterliche Biel brauchte ich auch keine dreidimensionalen Vorlagen.

 

Sie haben nun schon zweimal Ihre Mittelalterbilder erwähnt – woher diese Faszination?

Wohl wie jeder Junge war ich schon als Kind von Burgen und Rittern begeistert. Doch erst 1968, bei der Mitarbeit an einem Pilotfilm für das Schweizer Fernsehen über die Geschichte der alten Eidgenossenschaft, erwachte dieses Interesse wieder. Und später durfte ich die Stadt Zürich um 1250 darstellen. Das gab mir erstmals die Gelegenheit, mit Archäologen und Historikern zusammenzuarbeiten. Seither habe ich immer wieder das spätmittelalterliche Leben illustriert.

 

Auch hier extrem detailgetreu und vor allem – im Gegensatz zu vielen anderen Mittelalterdarstellungen – sehr undüster. Ist das eine Art Idealisierung dieser Zeit?

Historische Bilder sind immer eine Interpretation. Man kann nicht verhindern, es falsch zu machen – so wie das Beispiel mit der Brücke an der Mühlebrücke. Ein fertiges historisches Bild ist quasi immer der letzte Zustand des Irrtums, wie die Archäologen sagen. Aber um auf Ihre Frage einzugehen: Ich glaube nicht, dass das Mittelalter einfach nur schlimm war. Die sind ja nicht alle immer in Rüstungen rumgerannt. Für mich waren zwei Dinge immer sehr wichtig. Zum einen eben diese Zusammenarbeit mit Historikern und Archäologen, und zum andern wollte ich die damalige Jetzt-Zeit darstellen. Die lebten ja auch in der Gegenwart und hatten ihren Alltag. Der war nicht unbedingt düsterer als heute.

 

Ihre Bilderbücher zur Neuzeit wirken ja auch tatsächlich düsterer als eben die Mittelalterbilder.

Finden Sie? Also «Alle Jahre wieder saust der Presslufthammer nieder» ist doch nicht düster gezeichnet ...

 

... aber der Inhalt ist nicht gerade erquickend ...

... naja, vielleicht bin ich pessimistisch, was unsere Zeit angeht. Aber eigentlich habe ich einfach nur das gezeichnet, was war. In «Alle Jahre wieder», da wollte ich einfach die Landschaft meiner Kindheit zeichnen, wie sie sich verändert; wie sie industrialisiert wird, damit ich meiner Tochter diese Entwicklung erklären konnte.

 

Einen prägenden Teil Ihrer Bilderbucharbeiten erschufen Sie im Zweiergespann mit dem Bieler Autor Jörg Steiner. Während über 20 Jahren, von 1976 bis 1998, haben Sie gemeinsam Werke erschaffen, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden und bis heute aktuell sind. Woran könnte dies liegen?

Fokussieren wir uns auf die Inhalte und Botschaften. Die sind es, die leider aktuell blieben. Der Kapitalismus und die Konsumgier wurden sogar stärker. Selbst in den Siebzigern wusste man, wenn man es wissen wollte, dass wir in eine unschöne Zeit schlittern. Da sind wir nun. Und die Digitalisierung treibt es noch voran. Ich glaube, mit unseren Büchern haben wir viele dieser Probleme aufgezeigt. Ändern wird sich indes nichts.

 

Träumen Sie sich deshalb in «Die Menschen im Meer» in eine Idealwelt?

Ja, da sind viele Träume drin, auch meine Kindheitsträume. Es war lange Zeit auch mein Lieblingsbuch, da ich drei Jahre daran gearbeitet, dafür dokumentiert habe und mich förmlich auf diesen Inseln eingelebt habe und von einem Idealleben dort träumte.

 

Für wen haben Sie eigentlich Ihre vielen Bilderbücher gemacht?

Für das Kind in mir.

 

Ist das mit fast 80 auch noch da?

Die Spontaneität hat etwas abgenommen. Aber jaja, ein bisschen ist es noch da.

 

Wenn Bild und Text Hand in Hand gehen

Vera Urweider 

«Ich will, dass sein Werk lebt», sagt er, sehr bestimmt. «Und nicht irgendwo in den Bücherregalen verstaubt.» Die Rede ist vom Werk des vor neun Jahren verstorbenen Bieler Autors Jörg Steiner. Dass dessen Werk weiterlebt und nicht in Vergessenheit gerät, dafür sorgt der Bieler Gymnasiallehrer, Literaturkritiker und Philosoph Samuel Moser. Denn Biel sei eben nicht nur eine Walser-Stadt. Sondern eben auch eine Steiner-Stadt. Und vielleicht auch ein wenig eine Müller-Stadt?

Denn viele von Steiners Werken sind im Duo entstanden, mit dem anderen Jörg, dem Illustrator, Zeichner und Bühnenbildner Müller. Zahlreiche Bilderbücher veröffentlichten sie zwischen 1976 und 1998, Bilderbücher für Kinder, aber definitiv nicht nur. Bilderbücher, die das Reale abbilden und erzählen. Bilderbücher über die Frage der Freiheit. Über die Konsum- und Kommerzgesellschaft. Oder sie experimentierten und verstrickten sich gemeinsam komplex in verschiedensten Ebenen – man denke da an die skurrile Reise des «Standhaften Zinnsoldaten» und seiner Partnerin Barbie. Beide wohlstandsentsorgt, landen sie im Pariser Abwasserkanal, dann als Secondhandspielzeuge in einem afrikanischen Land, bis sie als Exempel eines «Drittweltspielzeuges» wieder in einem europäischen Museum ausgestellt werden.

Ebenen und Lücken

Ein Paradebuch der beiden ist «Der Mann vom Bärengraben». Das ist ein Buch auf Metaebene. Durch die Erzählung wird der «Niemand» zu einer Figur. Im Bild ist «Niemand» stets vorhanden. Im Text bleibt er im Potenzial. Erst auf der Rückseite des Buches begreift der aufmerksame Lesende, dass der «Niemand» seine Geschichte einem Mädchen erzählt. Nur wer das Buch gelesen hat, weiss, worum es geht. Der Komplexität nicht genug, bringen sich Autor und Zeichner am Ende noch selber in die Geschichte.

Auf mehreren Ebenen bewegt man sich aber eben nicht nur textlich, sondern auch bildlich. Wie in einem Film arbeitet Müller mit Nahaufnahmen, Totalen, Details, Perspektivenwechseln. In diesem Beispiel ist der Betrachtende mal im Bärengraben, also quasi ein Bär, mal schaut er runter. «Müller denkt in seinen Bildern stets narrativ», so Hans ten Doornkaat, Experte für Bilderbücher, Lektor, Publizist und Kenner der Steiner/Müller-Bücher. 

Was diese Bilderbücher so speziell macht, ist unter anderem die Dialektik zwischen Bild und Text. «Müller ist ein Leser. Er macht seine Bilder zu Prosa», so ten Doornkaat. «Und gleichzeitig leben Steiners Texte von den bildhaften Zwischenräumen, den unscheinbaren Nebenszenen.» Es sind nicht einfach Illustrationen zum Text. Oder Zeilen zu Bildern. Selten findet man Doppelungen in Bild und Text. Beide haben Mut zur Lücke. Zum Weiterdenken. Und ergänzen sich, in einer gemeinsamen Arbeit, Hand in Hand.

Dieses bildhafte Erzählen zieht sich durchs Steiners Werk. So findet man es auch in seinen Romanen oder Erzählungen. 2018 veranstaltete Moser gemeinsam mit dem Forum Rockhall des Schweizer Literaturinstituts und der Stadtbibliothek Biel einen ersten Steiner-Anlass, zu ebendiesen Erzählungen. Nun, wie es der pandemiebedingte Zufall will, im 80. Geburtstagsjahr Müllers, liegt der Schwerpunkt auf den Bilderbüchern. So wird morgen die zweitägige Veranstaltung in der Stadtbibliothek und der Galerie Art-Etage eröffnet. 

In der Galerie wir es bis zum 25. Januar Originale aus den Bilderbüchern zu sehen geben. Und in der Bibliothek wird – bei genügend Anmeldungen – am Samstag in Ateliers gemeinsam mit Kindern an neuen Bilderbuchideen experimentiert (vgl. Zweittext).

Seltene Originale

Der zweite von drei Gründen für diese Veranstaltung ist, dass im vergangenen Herbst eine Gesamtausgabe von Steiners Werk erschienen ist – ohne die Bilderbücher. «Darum wollen wir uns mit dieser Ausstellung dem gemeinsamen Werk von Jörg und Jörg widmen und die Bilderbücher ins Zentrum rücken», so Moser. «Und zudem ist das Schreiben für Kinder etwas ganz Besonderes, dem man in den letzten Jahren auch mehr Gewicht am Literaturinstitut gab», sagt er zum dritten Grund.

Und wer weiss. Vielleicht gibt es gar eine Fortsetzung, sinniert der Steinerbewahrer. «Wieso nicht, so in zwei, drei Jahren, eine Veranstaltung zum Thema Musik in Jörgs Texten?» Doch nun liegt die volle Konzentration auf dem Gemeinschaftswerk von Jörg und Jörg. Auf einem Werk, das wohl jedem und jeder heute 50-Jährigen bekannt sein dürfte. 

«Eine ganze Generation ist mit diesen Büchern aufgewachsen», so Moser. «Dass man nun mal einige Originale Müllers in voller Grösse betrachten kann, das stelle ich mir schon noch eindrücklich vor.»

 

Durch den kleinen Kopf

Ob es generell schlau wäre, Kiderbuch-Ideen gemeinsam mit Kindern zu entwerfen? «Vielleicht», sagt Autorin Regina Dürig, doch komme es sehr wohl darauf an, in welcher Phase des Denkens man sei. Jedenfalls sollte man Kinder nicht zu sehr «bevormunden» und somit vielleicht die Gefahr laufen, tolle Ideen gar nicht weiterzudenken. «Denn Kinder können auch schwierige Themen gut aufnehmen», sagt sie. «Es kommt einfach drauf an, wie man es verpackt.»

Für Kinder schreiben sei sehr schwierig. Man ist ja schlicht keines mehr. Aber es reize sie sehr, die Welt durch die kleinen Köpfe zu denken. Darum ist sie Kinderbuchautorin. Nicht nur, aber auch. Dürig ist ebenso Dozentin am Schweizer Literaturinstitut und vor gut einem Jahr liess sie ihre Studierenden zu den Figuren Jörg Müllers Zeichnungen Texte schreiben. Nicht Steiner-Texte neu schreiben, sondern total losgelöst vom Text, nur das Bild betrachtend. Diese Texte werden am Samstagabend in der Stadtbibliothek Biel gelesen.

Vorher wird jedoch eine ähnliche Übung für interessierte Kinder angeboten. In Ateliers, für die man sich bis heute Abend anmelden soll, werden Dürig und einige ihrer Studierenden gemeinsam mit den Kindern Jörg Müllers Figuren weiterspinnen. «Mit den Kindern schauen wir uns die Bilder an, wieder ohne Steiners Texte, dann sollen sie ihren Ideen freien Lauf lassen», so Dürig. 

Die Studierenden würden dann diese freilaufenden Ideen aufschreiben und die Kinder können den gemeinsam erfundenen Text mit nach Hause nehmen. Aber Achtung: Die Ateliers finden nur bei genügenden Anmeldungen statt. Vera Urweider

 

Lieber Jörg

ich glaube, am 11. Oktober dieses Jahres sitzen meine Eltern und ich im Zug nach Hamburg. In die Stadt, in der ich gelebt habe und die ich so liebe. In die Stadt, in der Du seit zwölf Jahren lebst und Dich wohlfühlst. An diesem besagten Tag wirst Du 80. Du magst zwar Geburtstagsfeiern nicht, sagtest Du mir, aber ein Abendessen, das sei ja immer schön. Und es ist ja auch der Geburtstag meiner Mamma. Ich finde, das gehört 2022 zusammengeführt.

Doch es ist ja nicht nur Hamburg, das uns verbindet. Trennen tun uns 44 Jahre. Das ist viel. Verbinden tut uns aber noch viel mehr. Deine Bilderbücher natürlich, die Du die meisten mit dem anderen Jörg, dem Bieler Steiner, gemacht hast. Du akribisch gezeichnet, er feinstens beschrieben. Du prosaistisch-filmisch erzählend, er schriftlich zeichnend. Viele von diesen Büchern sind in meinem Regal. Und sie stehen wohl in noch so vielen anderen Regalen. Wer kennt es nicht, das kleine rosa Haus, das der breiten Autobahn und der Industrialisierung weichen muss? Unweigerlich denke ich diese Szenerie ins Heute, sehe den Westast vor Augen und hoffe, dass wir für unsere rosa Häuschen eine bessere Lösung finden.

Allen voran beeindruckte mich jedoch immer der Bär im Winterschlaf, über den eine Fabrik gebaut und der bei seinem Erwachen sogleich als Arbeiter eingespannt wird. Realisiert erst gar nicht, was los ist, bis es zu spät ist und er am Fliessband steht. Das Buch erschien vor 45 Jahren. Es lässt mich erschaudern, wenn ich sehe, wie aktuell es noch immer ist. Wie schlaftrunken wir von der Digitalisierung überrollt wurden, die Welt immer schneller wurde und jetzt irgendwie ganz schief in der Bahn sitzt. Zum Glück fand der Bär zurück zum freien Bären.

Um Freiheit geht es ja auch bei den Kaninchen. Und um die Frage, was grösser sei, die Angst vor der Freiheit oder die Angst, nicht frei zu sein. Ich glaube, Du und ich, wir sind beide eher das kleine braune Kaninchen, das sich für die Freiheit entscheidet und vor allem dafür, keine Angst davor zu haben. Die Kanincheninsel ist aus dem Jahre 1977. Mein Grossvater erhielt eine Einladung zur Vernissage. Meine Mamma schickte mir ein Foto davon. Ebenso eines vom Bärengrabenbuch, da steht ein Jörg/Jörg-Gruss für mich drin. Viel später hab ich auf zwei, drei Vernissagen bei Silvia serviert. Ich weiss nicht, vielleicht waren wir uns ja mal begegnet.

Jedenfalls, wenn nicht dort, dann bestimmt auf Deiner Kunstvesper mit meinem Vater, Daniel Glaus und Hansheinz Schneeberger. Da machtest Du etwas für Dich doch eher Untypisches: Du maltest live zu Wort und Musik. Spontan und ohne Zeit für lange Forschungen und Details. Vielleicht hab ich auch mal eines Deiner Bühnenbilder erleben dürfen, das Du fürs Theater Biel-Solothurn bautest. Aber ganz sicher weiss ich, dass ich schon seit 35 Jahren am Kino Rex vorbeikomme, immer wieder, und immer wieder Deinen King Kong bestaune. Und das Bild im Neumarktmigros, das man quer über den ganzen Neumarktplatz sehen konnte, das fehlt. Das fiel, wie so manche Deiner Landschaften, dem Wandel und Umbau zum Opfer.

Ich sage nun mal:bis bald! Vera Urweider 

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