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Wortsalat

Innovatives Investorenzeugs

Noch ist das Reisen schwierig, denn kaum verlässt man die Schweiz, muss man sich mit Zertifikaten, Impfausweisen und unverständlichen Bestimmungen herumschlagen.

Matthias 
Knecht


Dabei ist es so einfach, testfrei exotische Welten zu bereisen! Die Rede ist von den Wirtschaftsseiten dieser grossen Zeitungen in Zürich. Seit Pandemie ist, lese ich sie intensiver als sonst. Sie berichten täglich von wundersamen Vorgängen, bei denen es von produktiven Finanzprodukten und innovativer Innovation nur so tätscht, und am Ende sind einige beneidenswerte Mitmenschen zauberhaft reich.

Das Beste ist: Warum wer wie viel Geld macht, bleibt so unergründlich wie in den Märchen aus 1001 Nacht. Denn die meisten Wirtschaftsseiten sind mindestens so exotisch unverständlich wie etwa die digitale Covid-Anmeldung am Flughafen von Bagdad. Das kommt daher, dass auf den Wirtschaftsseiten genau das passiert, was Biels Stadtregierung für die Reklametafeln fordert: Sie sind zweisprachig. Allerdings sind die üblichen Wirtschaftsberichte nicht bilingue, sondern auf Denglisch verfasst, also jener Mischung aus Deutsch und Englisch, in der mir meine Bankberaterin zu erklären pflegt, warum mir schon wieder so viel Gebühren belastet wurden.

Beim BT versuchen wir, Denglisch zu vermeiden. Lieber berichten wir über lokale Unternehmer und Unternehmerinnen, auf Deutsch, und oft lese ich die Porträts mit Genuss – und ein wenig Stolz auf all die kreativen Menschen im Seeland. Nur manchmal zwingt uns die Aktualität, ebenfalls ins Denglische zu verfallen. Gestern war dies der Fall, und schuld daran war der Ständerat. Er hatte nämlich einstimmig beschlossen, den «Limited Qualified Investor Fund» (L-QIF) einzuführen.

Limited was? Finanzminister Ueli Maurer, bekanntlich kein Meister der englischen Sprache, hielt sich nicht mit Erklärungen auf, sonst verwies nur darauf, dass uns Luxemburg bei diesen L-QIF weit voraus sei. Aha. Maurer fügte einige Stichworte hinzu – Finanzprodukte, Wettbewerbsfähigkeit, Deregulierung – und schon stimmte die kleine Kammer in seinem Sinne. So geht das in der wundersamen Welt der Wirtschaft.

Kennen Sie Luxemburg? 
Als noch nicht Pandemie war, konnte man da einfach so mit dem TGV hinfahren, ein bezauberndes Städtchen. Der Bahnhof erinnert an Biel, die Geschäfte werben wahlweise auf Französisch und Deutsch, und ich wette, dass sich in der dortigen Regierung niemand damit aufhält, die Werbesprache zu regulieren. Stattdessen sorgen innovative Bankberater für einen sympathischen Kleinstaat mit astronomischen Gehältern.

Und wenn man so durchs Grossherzogtum flaniert, würde es einen nicht wundern, wenn König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte erschiene und Geschenke verteilte, und zwar keine ominösen Finanzprodukte, sondern richtige währschafte Golddukaten. Einen solchen würde ich ergattern, nach Biel schmuggeln und dem BT damit einen qualifizierten Denglisch-Übersetzer spendieren. Und nie mehr gäbe es auch nur einen einzigen unverständlichen Begriff auf der Wirtschaftsseite – ganz gleich, was der Ständerat beschliesst.

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