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Yukon

Keiner zu klein, mal ein Schlittenhund zu sein

Obwohl bereits ein beträchtlicher Teil der Yukoner Bevölkerung gegen Corona geimpft ist, sind in diesem Jahr wieder einige traditionelle Feste ins Wasser gefallen. Ein Teil davon konnte immerhin online stattfinden – zum Beispiel die Kostümparty für Hunde.

Mit Perlenstickerei verzierte Decken 
für Schlittenhunde haben eine lange Tradition unter 
Yukons First Nations. Auch Chihuahua Rikki konnte in 
diesem Jahr mit 
seinem Kostüm von Velma Olsen einen Preis abstauben. Bild: Velma Olsen
  • Dossier

Christine Mäder

Trotz Covid lassen wir Yukoner uns die Winterfreuden nicht verderben. Die befürchtete Kältewelle mit arktischen Tageshöchstwerten von minus 32 
und Nachttemperaturen von minus 42 Grad Celsius traf gegen Mitte Februar zwar doch noch ein, aber schon Ende des Monats war es wieder erträglich. Eine Rekordschneemenge macht unseren Hausberg Mount Sima für Skifahrer und Snowboarderinnen zum beliebten Freizeitziel. Gute Bedingungen finden auch die Langläufer auf den zahlreichen Loipen in und um Whitehorse.

 

Wohin bloss mit der weissen Pracht?

Hausbesitzer und die Schneeräumungsmannschaften der Stadt kratzen sich am Kopf, weil sie nicht mehr wissen, wohin mit der weissen Pracht, die uns Frau Holle alle paar Tage wieder beschert. 123 Zentimeter sind zwischen November und Februar gefallen, und die wärmenden Strahlen der Märzsonne haben bisher verschwindend wenig abschmelzen lassen. Weisse Hügel von ungewöhnlicher Höhe säumen die Hauseinfahrten ein. Der Stamm unseres Baums im Vorgarten ist völlig unter der Schneedecke verschwunden, und das Fahren auf den Quartierstrassen ist ein holpriges Abenteuer für alle, die wie ich weder einen SUV noch einen geländegängigen Pickup besitzen.

Bis noch vor wenigen Jahren wurde Whitehorse dem Ruf als trockenste Stadt in Kanada gerecht – vor allem im Winterhalbjahr war dies deutlich spürbar beim Einatmen. Doch immer mehr haben wir im Winter eine so hohe Luftfeuchtigkeit, dass die Schnee- und Eisschicht auf den Autoscheiben nur mit intensiver Kratzarbeit zum Verschwinden gebracht werden kann. Eine (fast) allmorgendliche Strapaze, auf die ich gerne verzichten würde. Wieso bloss haben hier in Whitehorse nur die wenigsten Häuser eine Garage? Glücklicherweise habe ich am Arbeitsort einen unterirdischen Einstellplatz, sodass mein armes Auto unter der Woche doch 
zwischendurch abtauen kann.

 

Filmfestival erstmals auch online

Alles ist durch das Coronavirus in den letzten zwölf Monaten ein bisschen anders geworden. So musste sich auch unser Available Light Film Festival (ALFF) der neuen Normalität anpassen: Die 19. Auflage war eine interessante Mischung von 13 ausverkauften Vorstellungen in unserem Yukon Arts Centre und erstmals Online-Präsentationen. Insgesamt wurden 73 Filme vorgestellt, acht davon Weltpremieren. Das neue Format des auf 
18 Tage erweiterten Festivals fand sowohl 
bei den hiesigen Filmfans wie auch bei einem neuen Publikum in ganz Kanada 
guten Anklang.

Ich schätzte mich glücklich, dass ich für alle Filme, die ich unbedingt auf Grossleinwand sehen wollte, ein Billett erstehen konnte. Meine persönlichen Favoriten 
waren das sehr eindrückliche kanadische Drama «Beans» von der Mohawk-Filmemacherin Tracey Deer, die erfrischende 
Komödie «My Donkey, My Lover and I» aus Frankreich (Originaltitel «Antoinette dans les Cévennes») und der Yukoner Beitrag «First We Eat», Suzanne Crockers Dokumentarfilm über den Versuch, mit ihrer Familie ein ganzes Jahr lang nur zu essen, was in und um Dawson City lokal angebaut, aufgezogen, in der Wildnis gefunden oder gejagt werden konnte.

 

Sauer über Weglassen des Sauerteigs

Um den Winter-Blues zu vertreiben, feiert Whitehorse in der zweiten Februarhälfte das Yukon Sourdough Rendezvous, ein sich über zwei Wochenenden erstreckendes, fasnacht-ähnliches Volksfest. Diesmal machte es bereits im Vorfeld Schlagzeilen, änderten die Organisatoren doch den seit 1964 bestehenden Namen in Yukon Rendezvous um. Was vor allem bei alteingesessenen Yukonern einen Sturm der Entrüstung auslöste. Dem Unmut wurde in Leserbriefen, Online-Kommentaren und vereinzelt sogar in Drohungen laut gemacht, was zur zeitweiligen Schliessung des Organisationsbüros führte. Doch der Entscheid blieb fest: Sauerteig habe einen negativen Beigeschmack und «verherrliche die Kolonialgeschichte des Yukons», hiess die Begründung. Wirklich? Man kann die politische Korrektheit auch mal übertreiben! Keine meiner Bekannten, die sich stolz als First Nations identifizieren, haben sich je an der Bezeichnung «Sourdough» gestört ...

Sauerteigstarter war ein wichtiger Bestandteil der Nahrungsmittel, die Glücksritter zur Zeit des Klondike Goldrauschs 1898 mit sich führten auf dem beschwerlichen Weg zu den verheissungsvollen Goldfeldern. Erlaubte der Sauerteig ihnen doch, Brot zu machen ohne Hefe oder Backpulver. Während Neuankömmlinge von den Ureinwohnern im Yukon und in Alaska spöttisch «Cheechako» (was ursprünglich «tenderfoot» = Neuling bedeutete) genannt wurden, erhielten jene, die einen der strengen Winter hier im Norden überlebten, den Titel «Sourdough». Ich empfand es jedenfalls als Ehre, nach meinem ersten vollen Jahr im Yukon zu den Sourdoughs zu gehören.

 

Haarige Frauenbeine

Beliebte Traditionen wie die Krönung der Rendezvous-Königin, das Wetteifern um den buschigsten Bart und die haarigsten Frauenbeine fielen diesmal den Covid-Sicherheitsmassnahmen ebenso zum Opfer wie die 
Parade der in lustige Kostüme gesteckten Hunde, die dieses Jahr online aufgrund von Fotos juriert und prämiert wurden. In der 
Kategorie «Bestes selbst gemachtes Kostüm» gewann Velma Olsen mit der ihre Northern Tutchone-Herkunft feiernden Hundedecke für ihren Chihuahua Rikki.

Zum Trost wurden der Schneeskulpturenwettbewerb und das Feuerwerk zum Abschluss des Festivals, die beide in den letzten Jahren Sparmassnahmen zum Opfer gefallen waren, wieder ins Programm aufgenommen. Die farbenprächtige Show am milden Nachthimmel in den letzten Stunden des Februars versöhnte so manchen Sourdough wenigstens ein bisschen mit den diesjährigen Festivaländerungen.

 

Langer Weg zu Herdenimmunität

Als erste Hauptstadt der kanadischen Territorien und Provinzen gab Whitehorse auf den 1. März die Termine für Covid-19-Impfungen für alle über 18-jährigen Yukoner frei. Die Website, über welche man sich anmelden muss, konnte den Ansturm der Impfwilligen nicht bewältigen und crashte in den 
ersten Tagen mehrmals. Wenn das bei einer Bevölkerung von rund 34 500 erwachsenen Yukonern passiert, stehen die dicht besiedelten Gegenden im Süden von Kanada vor einem logistischen Albtraum, obschon die anfänglichen Lieferschwierigkeiten und Verteilungsprobleme mittlerweile weitgehend gelöst sind.

Bis heute vor einer Woche haben bereits 
13 271 Yukoner ihre erste Spritze erhalten und 7826 ihre zweite Dosis. Auch ich kann mich zu den Glücklichen zählen; während ich nach der ersten Impfung nur ein wenig Schmerzen und eine Schwellung am Arm hatte, setzte mir die zweite Nadel einen Monat später erheblich mehr zu. Aber ich bin dankbar, jetzt schon immunisiert zu sein!

Mit über 22 Prozent der erwachsenen 
Bevölkerung, die bereits beide Spritzen der Moderna-Impfung erhielten, sind wir landesweit allein auf weiter Flur. Doch bis die angestrebte Herdenimmunität erreicht wird, dauert es noch Monate und deshalb bleibt der Yukon weiterhin von der Aussenwelt abgeschottet.

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