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Coronablog

Kopfrechnen hilft gegen Corona

Seit Tagen gibt es Schlagzeilen über gefährliche Komplikationen beim Astrazeneca-Impfstoff; einige Länder haben dessen Anwendung ausgesetzt. Mich lässt das kalt.

Matthias Knecht
  • Dossier

Seit Tagen gibt es Schlagzeilen über gefährliche Komplikationen beim Astrazeneca-Impfstoff; einige Länder haben dessen Anwendung ausgesetzt. Mich lässt das kalt. Ich würde mich ohne Bedenken sofort damit impfen lassen, und zwar im Wissen um einen möglichen gefährlichen Verlauf.

Das menschliche Hirn ist nicht dafür gemacht, mit Risiken umzugehen, und unser Umgang mit der Pandemie beweist es täglich. Darum hier ein Experiment im Kopfrechnen, mit deutschen Zahlen, denn in der Schweiz ist das Astrazeneca-Vakzin noch nicht erlaubt. Drei Todesfälle sind vielleicht auf den Impfstoff zurückzuführen – bei total 1,6 Millionen Impfungen. Eine von 533 000 Spritzen wäre damit tödlich. Das Sterberisiko betrüge also 0,0002 Prozent.

Selbstverständlich ist jeder Todesfall einer zu viel. Die europäische Arzneimittelbehörde untersucht die Angelegenheit zu Recht. Und doch ist es irrational, die Impfungen zu stoppen. Denn die Alternative zum Vakzin ist nicht das ewige Leben. Die Alternative ist, das Risiko einer vielleicht tödlichen Coronainfektion einzugehen. Wir haben dummerweise nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Glücklicherweise gibt es Statistiken, um das Coronarisiko zu schätzen, und ich habe es für mich getan: Bei der aktuellen Inzidenz von 87,8 bestätigten Fällen je 100 000 Einwohnern und bei jeweils vier unentdeckten Fällen beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, den ich irgendwo zufällig in der Schweiz treffe, infiziert ist, 0,35 Prozent – ein Mensch von 300.

Nun überträgt sich das Virus nicht bei jedem Kontakt. Ausserdem verlaufen in der Schweiz nur 0,5 Prozent der Infektionen tödlich. Mit meinem Beruf als Journalist und mit weiteren Annahmen komme ich zum Resultat, dass mein Risiko, dieses Jahr noch einer tödlichen Covid-19-Infektion zu erliegen, 0,1 bis 0,3 Prozent beträgt. In dieser Grössenordnung liegt auch das normale Sterberisiko eines 55-jährigen Schweizers. Corona hat mein Sterberisiko verdoppelt.

Jetzt wissen Sie mein Alter. Und wir alle wissen, dass das Todesrisiko durch Corona zwar real ist, aber glücklicherweise nicht so schlimm ist wie einst die Pest. Wir können beruhigt weiterleben. Noch beruhigter werde ich sein, wenn ich endlich geimpft bin. Denn auch mein tiefes Covid-19-Todesrisiko ist rund 1000-fach höher als das Risiko beim Impfen.

 

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