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Liebe Leser und liebe Innen

Liebe Leser und Leserinnen, liebe Leser-Innen, LeserInnen sowie geschätzte Leser_innen und ebenso ehrenwerte Leser*innen und insbesondere alle Leser und alle lieben Innen – schön, fühlen Sie sich angesprochen.

Bild: Niklaus Baschung

Niklaus Baschung

Das Anliegen, sowohl eine gendergerechte Sprache zu schreiben als auch möglichst wenig Worte zu verwenden, führt zu erstaunlichen Wortbildungen. Etwa wenn die 
«-er»-Endung bei den Wörtern Drucker, Computer und Mitarbeiter durch ein «a» ersetzt und fortan von «Drucka», «Computa» und «Mitarbeita» geschrieben wird. Weshalb soll denn ein «a» weniger diskriminierend als ein «er» sein? Der Buchstabe «A» ist doch vom Gefühl her eindeutig ein weiblicher Buchstabe, also quasi eine Buchstäbin. Aber vielleicht ist eine umgekehrte Benachteiligung nichts als gerecht.

Kürzlich wurden in Biel zu einem Schulanlass alle «Schüler*Innen» eingeladen. Diese Wortschöpfung mit einem «*» und einem grossen «I» ist völlig neu. Sie wird in die Sackgassen-Geschichte der deutschen Sprache eingehen. Vor allem ist sie unnötig: Ein kleines «i» hätte es auch getan. Die Absicht ist klar: Mit «Schüler» sind alle Jungs gemeint, «Innen» richtet sich an die Mädchen und der Stern «*» lädt auch noch das dritte Geschlecht mit ein, welches sich nicht eindeutig als Junge oder Mädchen fühlt.

Aber was ist die Botschaft an die angesprochene Schülerschaft? Macht ja nie einen Fehler und werdet jedem und allem gerecht? Interessant wird die künftige Bewertung der Aufsätze dieser «Schüler*Innen» sein. Wahrscheinlich müssen sie von nun an konsequent alle drei Geschlechter berücksichtigen und über ihre «Kolleg*Innen» oder die «Busfahrer*Innen» schreiben.

Tatsächlich sind Schreibweisen mit einzelnen Grossbuchstaben oder zusätzlichen Sonderzeichen wie «*» oder «_» im Duden, dem Rechtschreibewörterbuch der deutschen Sprache, gar nicht vorgesehen. So kann Jede*R schreiben, was er will und muss damit rechnen, dass all_*E etwas anderes darunter verstehen. Ein pragmatischer Vorschlag – er stammt von meiner Partnerin, wir sind nicht immer derselben Meinung – empfiehlt, jeweils nur das Geschlecht zu erwähnen, welches in der angesprochenen Gruppe die Mehrheit bildet. An der Schule unterrichten dann Lehrerinnen, an der Uni werden Ärztinnen ausgebildet, diese Zeitung hier wird von Journalistinnen gemacht. Und ich löse mich in Luft auf. Aber das ist meiner Frau egal.

Auf all diese Diskussionen nimmt das Jugendwort des Jahres 2018 keine Rücksicht. Auserkoren wurden «Ehrenmann» und «Ehrenfrau». Worte also, die zuletzt noch unsere Urgrosseltern kannten, sind wieder angesagt. Sie stehen für junge Leute, die etwas Besonderes für einen anderen tun.

Und bevor nun verlangt wird, statt «Ehrenmann» und «Ehrenfrau» müsse es neutral «Ehrenmensch» heissen, halten wir fest: Die Jugend redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Das ist eine Wohltat.

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, Kommunikationsfachmann und Hundehalter.
kontext@bielertagblatt.ch

 

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