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Mamas Spielgruppe

Gleitmittel, Peitschen, Vibratoren und Prosecco: Was eine Homeparty zum Thema Sexspielzeug mit Wissen und Erkenntnis zu tun hat und mit Freundinnen verbinden kann. Und wie über Sex reden plötzlich einfach wird.

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Sonja Kobelt

Die Skepsis ist einigen ins Gesicht geschrieben. Muss ich mich jetzt neben Tinder, Intimrasur und Sexting auch noch mit Sexspielzeug befassen, um mein Sexleben auf Trab zu halten? Neun Frauen zwischen 30 und 40 sitzen in einem Berner Wohnzimmer im Kreis und nehmen hastig noch einen Schluck Prosecco. Einige leben schon länger in Beziehungen, zwei haben Kinder, andere sind Single. Sie sind aus Neugier hier oder weil sie sich Inspiration erhoffen. Und weil sich die Gelegenheit bietet, Fragen zu stellen. Fragen, die man sonst nie diskutiert, beim Arzt kaum hervorbröseln kann, die man auch der besten Freundin nicht beim Bier an den Kopf werfen mag. Oder wie es eine Teilnehmerin des Abends profan formuliert: «Sonst nehmen wir alles in den Mund, aber dann haben wir Mühe, Wörter wie ‹Vagina› auszusprechen.»

 

Hemmungen abbauen

«Konkret darüber reden fällt vielen Menschen schwer», sagt Fabienne Zay (32). «Es gilt, einfach mal damit anzufangen.» Die gelernte Informatikerin organisiert im Auftrag von Sensuelle, einer Zürcher Erotikboutique, sogenannte Homepartys in und um Bern. Etwa alle zwei Wochen rückt Fabienne Zay mit ihrem pinken Rollkoffer aus und berät Frauen in Fragen zum eigenen Körper, zu Sinnlichkeit, Gesundheit und Sexualität. Und stellt die Artikel von Sensuelle vor, von Massageölen bis zu Umschnalldildos. «Am Anfang meiner Tätigkeit als Beraterin musste ich mich selber daran gewöhnen, mit wildfremden Frauen über Sex zu sprechen», gesteht die Bernerin. Dank einer Vorstellrunde hätten aber auch die Teilnehmerinnen meist schnell erste Hemmungen überwunden.

 

Wie laut surrt der Vibrator?

Nach einem sanften Einstieg über die Frage, wie der Sprung vom Alltag in die Sinnlichkeit mithilfe von Federn, Massageölen, Kerzen und Düften geschafft werden kann, tauen auch die neun Frauen in der Berner Runde auf. Fleissig werden Produkte herumgereicht und ausprobiert: Gleitmittel mit Vanillegeschmack gekostet, die Peitsche auf den Arm der Nachbarin geschlagen, die Lautstärke des Vibrationseis getestet – ist es bei Gesprächslautstärke zu hören oder könnte ich das auch im Ausgang tragen, während der Partner die Fernbedienung mitnimmt? Vonseiten Fabienne Zays fehlen weder praktische Tipps – der Perlenstring eignet sich eher weniger dafür, damit auf dem Velo in den Ausgang zu fahren – noch explizite Information darüber, wie sich eine erregte Vagina auf die doppelte Ursprungsgrösse ausdehnt und damit viel Platz für Spielzeug und Partner bleibt.

Besonders gut kommen die «MacGyver»-Tools, wie sie eine Teilnehmerin betitelt, an. Massageöl, das warm wird, wenn man es aufträgt und anhaucht. Pfefferminz-Lippenbalsam, der nicht nur auf den Gesichtslippen prickelt. Aber auch praktische Artikel wie Softtampons, die man für den Sex nicht entfernen muss. Langsam wird klar: So verschieden wie die anwesenden Frauen, so verschieden sind die Geschmäcker und Bedürfnisse. Der einen surrt der Vibrator zu laut, die andere kann sich kaum mehr vom Anblick des Doppeldildos erholen. Und nicht jede mag neben Beinen, Bauch und Po auch noch den Beckenboden mit Liebeskugeln trainieren. Die klassische Kundin gebe es ohnehin nicht, erläutert Fabienne Zay. «Bei den Homepartys sind Frauen zwischen 20 und 70 dabei, mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen, Fragen und Bedürfnissen.» Häufige Themen seien aber etwa der G-Punkt, Orgasmusprobleme – oder der Klassiker: Ein Partner möchte mehr Sex als der andere.

 

Hallo Vagina

Die Aufgabe als Beraterin ist für Fabienne Zay eher Berufung denn Nebenjob. «Ich möchte vermitteln, dass es selbstverständlich sein kann, über Themen wie Sexualität zu sprechen, und die Frauen in ihrem Selbstvertrauen stärken, ihre Bedürfnisse auszudrücken.» Dazu muss man diese allerdings erst einmal selber kennen. Ein Punkt, der auch an diesem Abend zur Sprache kommt: «Man kann ja nicht alles auf den Partner abschieben. Ich muss bei mir selber entdecken, worauf ich stehe», so eine Teilnehmerin, die gerade interessiert das Vibratormodell «Mona» inspiziert. Um herauszufinden, wie man wo, wann und in welchem Rhythmus angefasst werden will, muss man seinen eigenen Körper kennen. «Täglich der Vagina Hallo sagen schadet auf keinen Fall.»

 

Oder einen Babysitter?

Sei es der Prosecco, sei es die entspannte Art, wie Fabienne Zay das Thema angeht: Im Laufe des Abends wird gefragt, eingestanden und diskutiert. Ist Sex ohne Orgasmus nichts wert? Ist es normal, dass ich mich vor Gleitmittel ekle? Sollen mich Vibratoren schneller befriedigen oder mir eine ganz neue Dimension des Orgasmus verschaffen? Welche Verhütungsmethode ist für mich die richtige? Ist es in Ordnung, wenn ich zu müde bin fürs Vorspiel und einfach schnell in Stimmung und zur Sache kommen will? Darüber reden fällt definitiv nicht mehr so schwer wie zuvor. Bleibt die Frage: Brauche ich wirklich mehr Produkte, um das eingeschlafene Sexleben, in dem man sich nicht mehr permanent die Kleider vom Leib reissen will, aufzupeppen, oder doch einfach mehr Leidenschaft, Fantasie oder einen guten Babysitter? Zumal die Preise für Erotikprodukte generell happig sind. Die neun Frauen sind sich einig: Es sei ein Trugschluss, in solchen Artikeln ein Wundermittel zu erwarten. Die ganzheitliche Herangehensweise von Fabienne Zay kommt bei der Gruppe gut an. Weniger Stress, mehr Spass, sich auf den eigenen Körper besinnen und was er braucht. Nichts muss, alles kann, und so etwas wie «normal» gibt es nicht. Die Teilnehmerinnen diskutieren weit über das Ende der Veranstaltung hinaus weiter. Dem Partner werden Fotos von bestimmen Produkten geschickt, denn den Männern «sollte man durchaus ein bisschen mehr zutrauen», so eine Teilnehmerin.

 

Und dann ist wieder Alltag

Der Tupperware-Party-Effekt funktioniert auch hier: Trotz anderslautenden Vorsätzen wird unter Proseccoeinfluss eifrig bestellt. Aber wir erinnern uns, zum Schluss fand auch die Tupperware immer Verwendung. Denn bei aller Euphorie, sich mal wieder mit dem Thema aus anderer Perspektive befasst zu haben, ist am nächsten Tag wieder Alltag. Da können der Geschmack vom Vanillegleitmittel, die Sextoys, die man wie den Schoppen abkocht, oder der Perlenstring, den man heimlich gerade bei der Arbeit trägt, doch immerhin ein leicht anrüchiges Schmunzeln aufs Gesicht zaubern.

Link: www.sensuelle.ch

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