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Wochenkommentar

Marc Walders Aussage ist höchst problematisch – doch wem nützt sie?

«Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative gesagt, wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, damit wir gut durch die Krise kommen.»

Tobias Graden, 
stv. Chefredaktor

Diese Worte fliegen seit Tagen Marc Walder um die Ohren, und nicht nur ihm. Der CEO von Ringier hatte sie vor einem Jahr an einer Online-Konferenz der Schweizerischen Management-Gesellschaft getätigt – und damit den recht untrüglichen Eindruck erweckt, der Ringier-Konzern gebe länderübergreifend seinen Redaktionen vor, in ihrer Coronaberichterstattung die Regierungen nicht hart anfassen zu dürfen.

Eine solche Aussage ist natürlich höchst problematisch, denn so würde man die Rolle des Journalismus als vierte Gewalt in einer Demokratie aufgeben. Journalismus hat grundsätzlich stets aus einer kritischen Position heraus zu erfolgen, und zwar gegenüber allen Seiten und in jeglichen Situationen – sonst braucht es ihn gar nicht mehr. In der Ausnahmesituation der Pandemie ist die Aussage noch verheerender. Es sehen sich jene bestätigt, die dem Verschwörungsnarrativ Glauben schenken, wonach Regierungen und Medienhäuser ohnehin unter einer Decke steckten, um die Menschen mit Propaganda abzufüllen. Diese Erzählung ist übrigens keineswegs neu, sondern gehört zum festen Repertoire in verschwörungstheoretischen Kreisen und wird von diesen in unterschiedlichen Kontexten verwendet.

Sehr erstaunlich ist, dass Walder diese Aussage in diesem Kreis überhaupt gemacht hat. Als langjähriger Boulevard-Medienprofi muss er wissen, dass ein so brisanter Inhalt kaum «in diesem Kreis» bleiben dürfte. Dazu bietet sie viel zu viel Angriffsläche für einen der grossen Medienkonzerne dieses Landes. Ebenfalls eher unbedarft waren diese Woche dann die Beteuerungen seitens Ringier. Walder selber wirkte in den Interviews, die er gegeben hat, zwar gerade wegen seiner Zerknirschtheit authentisch. Der offene Brief des Verlegers Michael Ringiers an seine Journalisten dagegen klang bloss trotzig. Und weil das offenkundig nicht reichte, um die Reputation wiederherzustellen, betonte dann noch die Chefredaktion der «Blick»-Gruppe, es habe nie einen «Befehl» gegeben. Angesichts der tatsächlichen Berichterstattung erscheint dies auch glaubhaft. Auch der «Beobachter», der von 
Ringier mitherausgegeben wird, hielt «unmissverständlich» fest, es hätten nie Einflussnahmen von oben stattgefunden. Aber das Unglück war da natürlich längst angerichtet. Die NZZ kommentierte mit Häme, der «kommunikative Overkill» habe alles nur noch schlimmer gemacht.

Die blosse Empörung über Walder ist aber erst die halbe Geschichte. Es ist kein Zufall, dass just der «Nebelspalter» von Markus Somm das Video zugespielt erhalten und veröffentlicht hat, und es ist kein Zufall, dass er damit elf Monate gewartet hat: Der Abstimmungskampf um das «Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien» geht in die heisse Phase. Philipp Gut, Autor des «Nebelspalter»-Artikels, ist Geschäftsführer des Referendumskomitees, Somm darin Mitglied – eine Information, die im «Nebelspalter»-Text allerdings nicht zu finden ist. Man kennt sich ohnehin gut in diesen Kreisen: Bankier Konrad Hummler, auch im Referendumskomitee vertreten, ist Verwaltungsratspräsident der Klarsicht AG, welcher der «Nebelspalter» gehört.

Nun kann man aus ordnungspolitischer Sicht das Medienförderungsgesetz durchaus kritisch sehen. Es ist auch keineswegs so, dass alle Medien, die von der erweiterten Förderung profitieren würden, ihm vorbehaltlos zustimmten oder ihre Meinung schon gemacht hätten. Die «Republik» etwa hat ihre Abonnentinnen und Abonnenten zur Abstimmung aufgerufen und hat verlauten lassen, man wisse noch nicht, ob man im Falle eines Ja am 13. Februar die Gelder auch annehmen würde. Und es lässt sich nicht bestreiten, dass von den zusätzlichen Geldern auch die Grossverlage profitieren, die auch ohne diese satte Gewinne schreiben.

Doch wer sich wie das Referendumskomitee den Kampf für «unabhängige Medien»auf die Fahne schreibt und «Nein zu gekauften Medien» sagt, tut gut daran, selber Transparenz walten zu lassen. Die fehlende Deklaration im «Nebelspalter»-Artikel ist nur ein anekdotisches Beispiel dafür, dass es damit oft nicht weit her ist. Denn den Exponenten des Referendumskomitees dürfte es weniger um hehre journalistische Ideale gehen als um handfeste wirtschaftliche und politische Interessen. Präsident Peter Weigelt zum Beispiel ist Verwaltungsratspräsident der Ostschweizer Medien AG, die das Online-Magazin «Die Ostschweiz» verantwortet. Diese hat sich in der 
Coronakrise unter anderem dadurch profiliert, dass sie in einem Gastbeitrag die Impfkampagne mit einem Genozid verglichen hat. Das Portal ist gratis zugänglich, weswegen es nicht von den neuen Fördergeldern profitieren würde (es sollen nur Online-Medien mit Abo-Modellen zum Zug kommen). Der ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm hat kürzlich mit Recht daran erinnert, dass die «Herkunft des Kapitals beim Erwerb der ‹Weltwoche› oder des ‹Nebelspalters›, die beide das Mediengesetz hart bekämpfen», intransparent bleibe. Dass diese Titel auf einen rechtspopulistischen Kurs geleitet worden sind, ist aber offensichtlich.

So problematisch Walders Aussage auch war: Es gilt sich bewusst zu machen, wem sie letztlich nützt.

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