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Arbeitswelt

«Mein Chef hört mir nicht zu»

Astrid Frischknecht, Supervisorin/Coach BSO aus Biel beantwortet Ihre Fragen zu Themen rund um die Arbeitswelt.

Astrid Frischknecht

Mein Chef verlangt von uns viel Einsatz, eine hohe Leistungsbereitschaft und Ideen. Gerne bin ich dazu bereit. Doch jedes Mal, wenn ich meine Ideen einbringen will und mit der Präsentation anfange, lässt er mich nicht ausreden. Langsam habe ich genug. Am liebsten möchte ich gar nichts mehr sagen, denn er hört mir ja gar nicht zu. 
Frau C. aus B.

 

Ich verstehe gut, dass Sie diese Situation verändern wollen. Wenn Einsatz gebracht und Ideen kreiert werden, möchte man dafür auch gesehen und anerkannt werden. In Ihrer Schilderung ist nicht klar, ob Sie Ihren Chef schon einmal darauf angesprochen haben. Wichtig ist, dass Sie es ansprechen – aber nicht dann, wenn Sie verärgert sind. Ärger und Wut schränken unser Denken ein. Wir reden und handeln dann aus einem neurobiologischen Modus heraus, den wir anwenden, um Bedrohungen und Angriffe abzuwenden. Dann sehen wir nur noch die Bedrohung durch den Chef und nicht mehr seine positiven Seiten. Wir lassen uns so schnell dazu verleiten, etwas zu sagen, dass wir gar nicht so sagen wollen und auch gar nicht meinen. Deshalb, sprechen Sie ihn an, aber bereiten Sie sich darauf vor.

Stellen Sie sich ein paar Fragen und beantworten Sie diese in einem inneren Gespräch. Der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat dafür die Metapher des inneren Teams gewählt. Im inneren Team haben die eigenen Sichtweisen Platz, die wir auf eine Situation haben. Was stört Sie daran, dass er Sie unterbricht? Fühlen Sie sich gekränkt? Haben Sie das Gefühl, wichtiges zu sagen zu haben, und er unterbricht einfach? Gibt es Situationen, in denen Sie Ihren Chef mögen? Was schätzen Sie an ihm?

Die letzte Frage kann helfen, das Gespräch zu beginnen. Denn eine gute Art ein kritisches Gespräch zu starten ist, mit dem Positiven zu beginnen. Durch den Einstieg mit Freundlichkeit sind auch Sie in einer freundlicheren Stimmung, und das ist ansteckend. Teilen Sie anschliessend Ihre Wahrnehmung mit und wie das «Unterbrechen und Nicht-Zuhören» auf Sie wirkt. Beachten Sie dabei, dass Sie beim Erzählen in Ihrer Stärke bleiben und nicht in das schlechte Gefühl, das Sie aus Ihrer Erfahrung kennen. Reden Sie in ruhigem Tonfall und nicht länger als ein paar Minuten. Dann machen Sie einen Punkt und warten auf seine Reaktion.

Vielleicht ist er der Meinung, dass das gar nicht stimmt. Rechnen Sie damit, dass er es anders sieht und der Meinung ist, Ihnen immer gut zuzuhören. Das ist kein Grund zu neuem Ärger, sondern ein Anstoss – zum Beispiel ein gemeinsames Zeichen zu vereinbaren, wenn Sie es wahrnehmen. Vielleicht durch eine blaue Karte, die Sie in der konkreten Situation auf den Tisch legen. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, in der Situation direkt zu handeln und er sieht, was Sie meinen. Sie haben dann die Möglichkeit, die Situation zu besprechen, entweder direkt oder zu einem anderen passenden Moment, den Sie gemeinsam vereinbaren. Dann ist Ihre Kritik nicht nur dazu da, um Ihren Ärger loszuwerden, sondern sie hilft, die Arbeitsbeziehung zu verbessern.

Info: Haben Sie eine Frage rund um die Arbeitswelt? Dann schicken Sie sie uns an 
fokus@bielertagblatt.ch oder an 
Bieler Tagblatt, Walserplatz 7, 2501 Biel. 
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