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Mit der Salatschleuder durchs Bermudadreieck

Solange das Auto fährt, machen sich 
wenige Fahrer und Fahrerinnen Gedanken darüber, wie der Motor funktioniert.

Bild: Niklaus Baschung

Wie genau aus der Verbrennung eines Treibstoffs eine Kraft entsteht, die einen Wagen in Bewegung setzen kann. Und erst noch in die gewünschte Richtung. Bei einer Panne wird selbstverständlich der Abschleppdienst gerufen, welcher das Auto in die Garage fährt, wo spezialisierte Fachkräfte das Fahrzeug wieder instand setzen. Das eigene Nichtwissen hat keine Konsequenzen.

Was aber, wenn nach dem Defekt eines Geräts die Pannenhilfe nicht kommt? Wenn dein wichtigster Küchenapparat schlappmacht und ihn niemand in eine Garage fährt? Wenn – und damit bekommt das Unheil seinen Namen – die Salatschleuder auseinanderbricht? Just während des höchsten Drehmoments, als der Küchentisch unter der Rotation der Salatschleuder zu vibrieren beginnt? Dann siehst du zusammen mit den malträtierten Salatblättern, verstreut auf der ganzen Tischplatte, sehr nass aus. Und du fragst dich: Werde ich jemals wieder kochen können?

Jahrzehntelang hatte die alte Salatschleuder, ein Oldtimer, ihren unspektakulären Dienst versehen. Ich habe mich an sie gewöhnt, sie ins Herz geschlossen und ihr beinahe einen Namen gegeben: «Mis Schleuderli» zum Beispiel oder «s’Rotörli». Schliesslich ist das Plastik brüchig geworden, das Gerät bekam Risse und konnte der gewaltigen Kraft meiner Oberarme nichts mehr entgegensetzen. Alles hat ein Ende – aber bei einer Salatschleuder finde ich es 
besonders schlimm.

Allerdings – nach einem kurzen Innehalten – eine neue Salatschleuder ist schnell gekauft. Beim neuen Gerät ziehe ich frohgemut kräftig an der Leine, der innere Korb beginnt sich zu drehen, 
etwas lethargisch zwar und lustlos. Erinnert an unseren alten Opel auf dem Aufstieg zum Grossen St. Bernhard. Kurz bevor er nur noch dampfte. Vor allem aber bleiben die Salatblätter so feucht wie all zuvor. Ich versuche es mit Kopfsalat, dann mit Nüssler, Endivien, Eichblatt – immer dasselbe Ergebnis: nass. Salatschleudern ist offenbar komplexer als gedacht. Das haben wir doch mal in der Physik gehabt: Bewegt sich der Salat auf einer Kreisbahn, wirken auf ihn Fliehkräfte (Zentrifugalkraft). Der Salat hat das individuelle Gefühl, er fliege aus der Schleuder. Diese Fliehkraft ist abhängig von der Trägheit der Masse und da die Endivie träger ist als der Nüsslisalat, fliegt dieser eher heraus. Die Zentripetalkraft wiederum zieht den Salat entgegengesetzt entlang des Radius in Richtung Kreismitte. Und sämtliche Salate, auch der Chicorée und der Eisberg, befinden sich wieder im Gleichgewicht.

Zugegeben, meine Physikkenntnisse helfen dem Salat nicht weiter. Es ist schon erstaunlich, wie ein technisch ausgereiftes Gerät, wahrscheinlich durch eine Billigproduktion, unbrauchbar gemacht werden kann.

Auf letzte Weihnachten habe ich eine Turbo-Edelstahl-Salatschleuder geschenkt bekommen, mit einem Knopf drauf, auf dem Turbo steht. Und tatsächlich, das gibt dir ein ganz neues Schleuderfeeling: Der Salat bleibt zwar immer noch etwas feucht, aber das 
Gerät macht einen Sound, der geht durch Mark und Bein, als würdest du mit deinem aufgemotzten Audi durchs Bieler Bermudadreieck fahren. Das ist Upperclass, das ist Salatschleudern auf höchstem Niveau – nur für Leute auf dem Weg zum Spitzenkoch.

Info: Von Niklaus Baschung sind alle 
drei bisher erschienen Kolumnenbücher wieder erhältlich. Mehr zum Autor und seinem Schaffen finden Sie unter 
www.niklaus-baschung.chkontext@bielertagblatt.ch

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