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Pensionskasse

Ohne Job gibt es im Alter keine Rente

Wer die Stelle verliert, muss die Pensionskasse verlassen. Eine andere Kasse gibt es nur mit einem neuen Job, was für ältere Arbeitslose kaum möglich ist. Dadurch verlieren viele den Anspruch auf Rente.

Ein Jobwechsel führt in der Regel auch zu einer neuen Pensionskasse. Für ältere Arbeitnehmer oft ein Stolperstein. iStock

Andrea Fischer

Die Kündigung steht bereits fest. Weil der Arbeitgeber sparen muss, wird Petra Hauser* zusammen mit zahlreichen Arbeitskolleginnen entlassen. Für Hauser ist dies ein harter Schlag. In ihrem Alter sei es kaum möglich, eine neue Stelle zu finden, sagt die 60-Jährige. Sich vorzeitig pensionieren zu lassen, kommt für sie nicht infrage, weil das ihre Rente empfindlich schmälern würde. Hauser will deshalb ihr Pensionskassengeld auf ein Freizügigkeitskonto hinterlegen und aufs RAV gehen.

Auch dies kann letztlich unerwünschte Folgen haben. Sollte sie vor der Pensionierung tatsächlich keinen neuen Job mehr bekommen, kann Petra Hauser ihr Altersguthaben nicht mehr in eine Pensionskasse einbringen. Damit verliert sie den Anspruch auf eine Rente: Sie müsste das gesamte Pensionskassengeld aufs Mal beziehen.

Anders wäre es, wenn Petra Hauser trotz Kündigung in ihrer Pensionskasse bleiben könnte. Laut Gesetz ist das sogar möglich. In der Praxis bieten die wenigsten Pensionskassen Hand dazu oder wenn, dann zu unmöglichen Bedingungen. Dabei ist unbestritten, dass viele im Alter mit einer Rente besser fahren.

 

Fehlendes Interesse

Zu den Pensionskassen, die entlassenen Arbeitnehmenden den Verbleib nicht erlauben, gehören die beiden grössten: die Publica des Bundes und die BVK des Kantons Zürich. Da müssen die Versicherten austreten, wenn sie den Job verlieren. Auf die Frage, warum das so ist, kann Direktor Dieter Stohler von der Publica keine Antwort geben. Die Möglichkeit, in der Kasse zu bleiben, sei in den letzten Jahren nie ein Thema gewesen.

Eine klare Antwort gibt es auch bei der BVK nicht. Lilo Lätzsch, Arbeitnehmervertreterin im Stiftungsrat, vermutet finanzielle Gründe. In den letzten Jahren habe man die Pensionierten der BVK mit dem Geld der aktiven Versicherten stark subventionieren müssen. «Deshalb hatte wohl niemand Interesse daran, entlassene Arbeitnehmende zu behalten, weil man denen sonst auch noch eine Rente hätte zahlen müssen.» Dank Reformen ist die Umverteilung von den Aktiven zu den Rentnerinnen und Rentnern inzwischen gestoppt worden. Man diskutiere deshalb jetzt auch über Verbesserungen für ältere Arbeitnehmende, sagt Lilo Lätzsch. Sie würde es begrüssen, wenn Entlassene in der BVK bleiben könnten, um im Alter eine Rente zu bekommen. Denn nicht alle, die das Kapital beziehen würden, seien in der Lage, es so anzulegen, dass es möglichst lange ausreiche.

Von zehn befragten Pensionskassen erlaubt die Hälfte den Versicherten, auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in der Kasse zu verbleiben. Aber höchstens für zwei Jahre. Das heisst: Wer mit 60 die Stelle verliert und keine neue findet, muss spätestens mit 62 trotzdem aus der Versicherung austreten oder die Altersleistung beziehen.

Zudem können Entlassene nur in der Kasse bleiben, wenn sie weiterhin Beiträge auf ihrem bisherigen Lohn zahlen. Dabei müssen sie nebst ihrem eigenen auch den Anteil des Arbeitgebers übernehmen. Wer ohne Job ist, kann sich das kaum leisten. So verwundert es nicht, dass nur wenige die Möglichkeit zur Weiterversicherung nutzen.

Die geringe Nachfrage war der Grund, warum die Previs – eine Pensionskasse für Gemeinden und kommunale Einrichtungen – die Einzelversicherung schon vor geraumer Zeit abgeschafft hat. Auch bei den SBB und der Swisscom ist das Interesse gering. Allerdings profitieren sowohl die SBB- wie auch die Swisscom-Angestellten von vorteilhaften Sozialplanleistungen, wenn sie im fortgeschrittenen Alter den Job verlieren. «Entlassene bleiben bis zu drei Jahre auf der Payroll der Swisscom», sagt Urs Schaffner, Geschäftsführer der Swisscom-Pensionskasse. Auch bei den SBB seien die Angestellten dank Gesamtarbeitsvertrag bei einer Entlassung gut abgesichert, sagt Aroldo Cambi von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals.

Die allermeisten Arbeitnehmenden können nicht mit einer grosszügigen finanziellen Unterstützung von ihren Arbeitgebern rechnen, wenn sie entlassen werden. Für sie kommt ein Verbleib in der Pensionskasse nur infrage, wenn sie dafür keine Beiträge zahlen müssen. Das aber sei nicht möglich, heisst es bei den Pensionskassen. Das Gesetz erlaube dies nicht. Das blosse Parkieren des Altersguthabens sei nur in einer Freizügigkeitseinrichtung zulässig. «Darum müssen wir für den Verbleib in der Pensionskasse Beiträge erheben», sagt André Wälti von der BPK, der Pensionskasse des Kantons Bern. Rechtlich ist diese Frage nicht geklärt. Zudem zeigt das Beispiel des Pharmaunternehmens Novartis, dass es auch anders geht. Da können Mitarbeitende, die ihre Stelle aufgeben oder verlieren, zeitlich unbeschränkt und ohne Beitragszahlung in der Vorsorgeeinrichtung bleiben. Man habe sich bewusst für eine versichertenfreundliche Lösung entschieden, weil dies gerade für Ältere oft die einzige valable Möglichkeit sei, einen angemessenen Vorsorgeschutz zu erhalten, teilt Novartis mit. Probleme hat es deswegen offenbar nie gegeben. Die Bestimmung stehe seit 20 Jahren im Pensionskassenreglement und sei von der Stiftungsaufsicht abgesegnet worden, sagt Novartis-Sprecher Satoshi Sugimoto.

 

Anliegen kommt wieder aufs Parkett

Wie viele Pensionskassen es so handhaben wie jene von Novartis, ist nicht bekannt. Es dürften nur wenige sein. Ein ähnliches Modell war aber auch in der abgelehnten Altersreform 2020 vorgesehen. Gekündigte Arbeitnehmende über 58 hätten damit das Recht erhalten, bis zur Pensionierung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung zu bleiben – mit oder ohne Beitragszahlung. Nun will die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker dieses Anliegen wieder aufnehmen. In der laufenden Reform über die Ergänzungsleistungen wird sie einen entsprechenden Antrag stellen. Die Chancen, dass er durchkommt, stehen nicht schlecht. Zumindest vonseiten der Pensionskassen sei kaum mit Widerstand zu rechnen, sagt Christoph Ryter, Geschäftsleiter der Migros-Pensionskasse.

* Name geändert

 

Stiftung Auffangeinrichtung

  • Wer aus seiner Pensionskasse austreten muss, kann die Altersvorsorge auch bei der Stiftung Auffangeinrichtung weiterführen. Diese richtet sich nach den Vorgaben des Gesetzes (BVG). Das heisst, dass nur der dem gesetzlichen Obligatorium entsprechende Lohn versichert ist.
  • Für ein 100-Prozent-Pensum gilt eine obere Limite von 84 600 Franken pro Jahr. Wegen des Koordinationsabzugs zahlt man aber höchstens auf einem Betrag von rund 60 000 Franken seine Beiträge. Dabei müssen die Versicherten sowohl die Arbeitnehmer- wie auch die Arbeitgeberbeiträge übernehmen.
  • Wer aus der bisherigen Kasse ein Guthaben mitbringt, das über dem Obligatorium liegt, muss den überschüssigen Teil auf einem Freizügigkeitskonto deponieren.
  • Für die Weiterführung der Vorsorge fallen bei der Auffangeinrichtung zwar hohe Verwaltungskosten an. Doch profitieren die Versicherten bei der Umwandlung ihres Guthabens in eine Rente vom gesetzlichen Umwandlungssatz. Dieser ist mit 6,8 Prozent attraktiv.
  • Die Vorsorge bei der Auffangeinrichtung weiterzuführen, könne sich daher lohnen, vorausgesetzt, man könne sie sich leisten, sagt Marco Bagutti, Mitglied der Geschäftsleitung. Derzeit nutzen 670 Personen diese Möglichkeit. Davon sind drei Fünftel über 60 Jahre alt. afi
Stichwörter: Geld, Pension, Alter, Job, Arbeit, Rente

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