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Alt und Jung

Rasenmähen auf der Dachterrasse

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? In «Back to the Future II» stellte man sich das Jahr 2015 noch mit schwebenden Skateboards und fliegenden Autos vor.

Luca Brawand alias Landro

Luca Brawand

Nun haben wir 2019, und ehrlich gesagt beneide ich Marty McFly aus ästhetischen Gründen ein wenig; sieht es doch derzeit eher danach aus, als dass Biel demnächst voll von diesen Mini-E-Fahrzeugen sein wird, die aussehen wie ein frisch geschlüpfter Baby-Smart. Aber noch ist es nicht soweit.

Unsere Autos fliegen noch nicht, und deshalb streiten wir auch noch über den Westast. Der würde nämlich unter anderem Gelände überbauen, das «in anderen Städten zum Hipsterzentrum renoviert worden wäre», wie in der «NZZ» geschrieben wurde. Biel hat also noch viel kreatives Potenzial. Dass es dieses aber durchaus gibt, zeigt beispielsweise das «Terrain Gurzelen» im alten Fussballstadion. Dort kann man gärtnern, etwas trinken, Open-Air-Filme schauen, skaten, Sport machen und so weiter. Hier ist wirklich etwas von sich aus entstanden. Leider wird das aber nicht mehr lange andauern dürfen – die Berechtigung läuft 2019 ab.

Es wird zwar viel gebaut in Biel, aber Veränderung ist immer auch schwierig. Momentan steht vor dem Bahnhof die begehbare Robert-Walser-Sculpture von Thomas Hirschhorn. Temporär, versteht sich. Ein kleiner Farbtupfer, ein kleines Ausrufezeichen auf dem sonst so leeren Bahnhofplatz, und ganz Biel steht Kopf. Dasselbe war der Fall mit der Skulptur «Texas» von Haus am Gern auf der Esplanade. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht, wie viele Leute sich so stark über einen Zaun empören können.

Wenn ich solche Reaktionen erlebe, spielt es gar keine Rolle mehr, ob ich das Kunstwerk nun mag oder nicht. Die Empörung allein macht das Ganze schon toll genug. Skulpturen alleine machen eine moderne Stadt aber sicherlich noch nicht aus. Direkt neben «Texas» befindet sich die grosse Esplanade. Direkt vis-à-vis vom Kongresshaus bietet sie einen grossen öffentlichen Platz. Aber auch wenn ich persönlich das Urbane sehr mag, stehen sich mit dem Kongresshaus und der Esplanade auch hier wieder Grau und Grau gegenüber. Was mich sonst nicht wirklich stört, fällt mir aber besonders in den Bieler Innenhöfen auf. Die grauen Flächen und unzähligen Fenster starren einem unausweichlich entgegen. In diesen Innenhöfen stehen dann jeweils mit Kies bedeckte Gebäudeteile hervor, die noch mehr farblose und ungenutzte Fläche bieten.

Hier, finde ich, sollte man Urban Gardening ins Spiel bringen. Während der Begriff in erster Linie für kleinräumigen, städtischen Gartenbau verwendet wird, kann man damit auch einfach ein wenig Leben und Natur in die Stadt bringen. Man könnte wohl nicht gerade einen Baum auf so ein Dach pflanzen, aber für eine Wiese sollte es reichen. Und für Büsche, Gemüse oder Anderes hat Urban Gardening in den letzten Jahren in vielen Städten schon etliche Lösungen wie Holz- und Plastikkisten oder sogar Einkaufswägen gefunden. Ob nun Zürich, Amsterdam oder Berlin – überall wird es gemacht. Wieso nicht auch in Biel? Schliesslich wurde die Stadt von Robert Walser einmal als «kleinste Metropole der Welt» bezeichnet. So könnte dem Innenleben dieser Gebäudekomplexe eine gute Portion Charme verliehen werden. Und wer weiss, vielleicht springen sogar ein paar frische Tomaten dabei raus.

Ruhiger soll es nun auch werden, wenn man die Innenhöfe verlässt. Der öffentliche Verkehr soll ausgebaut werden, dafür Parkplätze zentralisiert und die Stadt allgemein autofreier gemacht werden. In Zeiten der Westast-Diskussionen wird also überall über autofreie Städte gesprochen. Während die Autos weniger werden dürften, kann es durchaus sein, dass auch in Biel schon bald E-Trottis zu sehen sind. In Basel und Zürich erfreuen sie sich schon einer grossen Beliebtheit und entwickelten sich schnell zu einem alternativen und praktischen Fortbewegungsmittel in der Stadt. Näher kommen wir wohl momentan nicht an die schwebenden Skateboards von Marty McFly heran. Sich darauf zu einigen, wie Biel in Zukunft aussehen soll, wird wohl immer schwierig bleiben. Aber vielleicht könnten wir ja bei der Grünfläche in den Innenhöfen beginnen. Dann kann man schon bald auf der Dachterrasse und mit Blick auf den Bielersee rasenmähen.

Info: Der 21-jährige Bieler Luca Brawand hat als Musiker Landro letztes Jahr sein Debütalbum veröffentlicht. Er studiert zudem Medien und Kommunikation.

kontext@bielertagblatt.ch

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