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Fernweh

Sascha stürzt sich in die Wellen

Egal ob auf dem Surfbrett, im Dingi oder auf dem Segelschiff: Unter der Sonne vor Teneriffa kommen Sascha Biedermann und seine Gäste einmal mehr auf ihre Kosten. Doch die raue See hat auch ihre Tücken.

Bild: zvg
  • Dossier
Sascha Biedermann
 
Nach elf Tagen in der Marina festgeschnallt sind wir enorm happy wieder in der freien Natur unterwegs zu sein. Mit unserem Gast, der schon mehrmals erwähnten easy Nicole, die sich jetzt zum dritten Mal ihre Auszeit auf der Ahora gönnt, segeln wir zufrieden gegen Süden an der Ostküste von Gran Canaria entlang. Der stark zunehmende Wind kündet den legendären Windsurf-Spot Pozo Izquierdo an. Ich kenne die thermische Verstärkung des Windes in dieser Region noch aus meinen alten Windsurfzeiten. Als ich um die 20 Jahre alt war, haben wir hier ganz dicke Vollgas-Windsurf-Ferien verbracht. 
 
An Pozo vorbei zu segeln, ähnelt für mich so einer mystischen Pilgerfahrt, dass ich es nicht lassen kann, meinen Windsurfkumpels in der Heimat ein bedächtiges Selfie mit der geschichtsträchtigen Arena zu senden. Als der Wind weiter südlich allmählich nachlässt und wir nach Playa del Ingles abbiegen, segeln wir der nächsten Erinnerung entgegen. Sodom und Gomorrha von anno dazumal. Mit einem breiten Lächeln setzen wir zu dritt den Anker vor der Sündenstadt und gönnen uns ein dem Alter angemessen seriöses Nachtessen.
 
Was ist das hinter den Büschen?
Der wunderschöne Sonnenaufgang vor den Sanddünen am nächsten Morgen hilft nicht, über den anschliessenden Boot- und Jetskibetrieb hinwegzusehen. Es fällt uns äusserst leicht, die Segel in Richtung Teneriffa zu setzen. Dort angekommen haben wir uns spontan entschieden, dass wir eigentlich lieber das rätselhafte Gomera entdecken möchten. Dank der Freiheit eines Segelbootes ziehen wir somit unseren Strich weiter und kommen schon bald in den Genuss dieser speziellen und noch sehr naturbelassenen Insel.
 
 Endlich! Die unvergleichbaren einsamen Buchten lassen uns zur angestrebten Ruhe finden. Neugierig und völlig relaxt gehe ich mit dem Stand-up-Paddleboard auf Entdeckungsreise. Beeindruckt von den einmaligen Felsformationen überwinde ich die nicht zu unterschätzende Brandung und lege das Board an den schwarzen Sandstrand. Schon bald fühle ich mich beobachtet und analysiere aufmerksam die Umgebung. Hier bewegt sich ein Büschlein ohne Wind und dort verschwindet ein Kopf hinter dem Fels. Bald wird mir klar, dass sich in den wilden und rauen Klippen im Süden der Insel Aussteiger und Hippies eingenistet haben. Also mache ich mich besser wieder auf meine Ahora zurück, wo ich mich willkommener fühle. 
 
Mit Bier und etwas Popcorn ausgerüstet beobachten wir bestens amüsiert das jetzt absolut autonome und ungestörte Geschehen. Die scheinen sich alle sehr zu mögen. Völlig entspannt geniessen sie den unbeschwerten Alltag und scheuen sich nicht, ihren körperlichen Gelüsten nachzukommen. Viva la Vida a Gomera!
 
Vögel in der Luft, Wale im Wasser
In den weiteren Tagen umrunden wir die felsige und äusserst interessante Insel bis wir zum Abschluss in der gepflegten Hauptstadt San Sebastian ihn der Nähe vom Haus des berühmten Seefahrers Christoph Kolumbus einen traditionellen Barraquito trinken. Ein hier typischer wie leckerer «Kafi» mit Bananenschnaps. Der Plan ist, am nächsten Morgen früh vor Sonnenaufgang loszusegeln. Zwischen la Gomera und Teneriffa soll es anscheinend Wale haben und man hat uns erklärt, dass man nach Vögel Ausschau halten soll. Nicole möchte unbedingt nach den Delfinen und Haien noch einen Wal zu Gesicht bekommen. 
 
Also segeln wir dem mächtigkitschigen Sonnenaufgang entgegen und halten aufmerksam Ausschau nach den fast nicht vorhandenen Vögel. Vor lauter in der Luft suchen, haben wir beinahe die Wale vor der Ahora übersehen. Eine grosse Familie zieht gemächlich an uns vorbei. Völlig aus dem Häuschen machen wir gefühlt 100 Fotos und Videos. Wir ahnen nicht, dass wir auf der vierstündigen Überfahrt ständig unsere Fahrt wieder verlangsamen müssen, um eine Kollision mit weiteren Grindwalfamilien zu vermeiden. 
 
Kiten mit Brünu und Roli
Nach ziemlich verspäteter Ankunft in Teneriffa haben wir ganz sicher viel mehr Wale als Vögel gesehen. Mit dem Beiboot bringen wir Nicole an Land und verabschieden vorerst unseren letzten Gast. Es haben sich noch nie so viele Personen für einen Ahora-Törn angekündet wie für diesen Dezember.
 
Die Buchungen haben aber den Monat nicht wirklich voll ausgefüllt. Wir geniessen wie üblich maximal flexibel das Motto: Es ist gut genau so, wie es ist. Also hängen Karin und ich gemütlich unsere Ahora zu zweit hinter den Kite Beach El Medano an den Anker. Auf Teneriffa wohnen noch weitere Bieler, die wie ich ihr Geschäft verkauft haben, und sich eine kräftige Auszeit mit Aussicht gönnen. Mit Roli von Realis Storen und dem famosen Brünu vom Action Sport wollen wir nach El Medano. Die Brandung hinter der Ahora donnert so gewaltig an den Strand, dass es kaum Badegäste hat und eine Landung mit meinem 250 Kilogramm schweren Beiboot zur seriösen Mission gestaltet. Roli wartet für eine mögliche Rettung aus dem Wasser gut vorbereitet in seiner Unterhose, und ich beobachte die Serien der Wellen. Auf dem Rücken des letzten Bömbers fahre ich rein und wir ziehen das Dingi schnell hoch oben an den Strand. Huff! Alles gut gegangen. 
 
Wir fahren zum nördlichen gelegenen Strand. Nach einem erfüllten Tag Kitesurfen mit schöner Welle muss ich aber wieder zurück nach Hause aufs Boot. Das heisst mit dem Dingi gegen die Brandung und stellt mit Sicherheit noch eine grössere Herausforderung dar als zuvor. Diesmal kommt auch Brünu, um zu helfen.
 
Zu dritt stehen wir wie ein Olympia-Bobfahrer-Team bereit für den Start. Wieder werden die Serien der Wellen lange beobachtet, um eine kurze Lücke zu nutzen. Ich will meine Helfer nicht zu lange warten lassen und denke etwas ungeduldig: «Das chunt scho guet.» Zügig ziehen wir das schwer beladene Dingi den Strand runter, stossen es ins Meer und ich springe auf den Fahrersitz. 
 
Jetzt zeigt sich auch die letzte Welle der Serie und bäumt sich vor dem Bug auf. Zu spät! Die schöne glasklare Welle bricht über mir zusammen. Auch dank Roli dem Seemann in Unterhosen konnten wir ein verheerendes Kentern verhindern. Mit der Hälfte des Atlantiks im Boot starte ich den Motor und verabschiede mich völlig durchnässt von den zwei Amüsierten. Zum Glück ist mit dem Böötli alles ok. Schon bald wird es wieder für eine Rettungsaktion benötigt. 
 
Zwei Blondinnen aufgegabelt
Zwei Frauen paddeln mit ihren Stand-up-Paddle-Boards bei stark ablandigem Wind kurz vor Sonnenuntergang an der Ahora vorbei. Am Bielersee an meiner Ex-SUP-Station musste ich wahrscheinlich hunderte Mieter davon überzeugen, dass so etwas eine schlechte Idee ist. Eine halbe Stunde später sind die beiden auch schon auf bestem Weg zu den Kapverden aber nicht zurück an den Strand. Also lade ich weit draussen die völlig erschöpften blonden Schwedinnen aufs Dingi und bringe sie vor ihrer mächtigen Villa ans sichere Land. 
 
Dankbar fragt der erleichterte Ehemann, ob wir nicht zum Essen kommen wollen. Wir freuen uns, wieder einmal in einem Haus mit festem Boden zu essen, und sagen gerne zu. Wie sich herausstellt, hat der erfolgreiche Pokerspieler aus Las Vegas die Villa und seinen brandneuen frisch bestellten 46-Fuss-Katamaran am Spieltisch gewonnen. Für uns beide ein gefundenes Fressen und es führt zu intensiven und interessante Diskussionen. Er saugt Informationen zum Leben auf hoher See auf, und ich hole mir wertvolle Tipps fürs nächste Spiel zu Hause mit meinen Pokeramigos.
 
Glücklich in der perfekten Natur
Für Karin und mich sind solche unerwarteten Situationen immer sehr bereichernd und wir freuen uns über das, was das Leben Interessantes bereit hält. Nun geht Karin schon wieder nach Hause und möchte kurz etwas arbeiten.
 
Also ankern wir die Ahora neben einer schönen Welle, wo ich mich surfend mindestens genau so gut erfreuen kann, und fahren die fleissige Karin zum Flughafen. Nach Langem bin ich wieder einmal ganz alleine auf der Ahora. Natürlich vermisse ich nach so intensiver Zweisamkeit meine Karin. Andererseits braucht es in der perfekten Natur nicht viel, um glücklich zu sein. 
 
Eigentlich ist es wunderschön, wie simpel das Leben erfüllt sein kann. Denn wenn ich hinten auf einem der Schwimmer des Katamarans stehe und gemütlich mit einem leichten Lächeln ins türkise und glasklare Wasser pinkle, wird mir mein Glück enorm bewusst. Die Welt ist einfach in Ordnung und ich bin wieder im erfüllten Hier und Jetzt. Gracias Ahora! 
 
 
Stichwörter: Fernweh, Surfer, Atlantik, Südsee

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