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Aus dem Grossen Rat

Sozialhilfe unter Beschuss

Die Sozialhilfe gerät schweizweit zunehmend unter Druck und ist medial sehr präsent. Ein Instrument zur Verhinderung von Verarmung und zur Sicherung des sozialen Friedens ist umstritten wie noch nie.

Christine Schnegg, Grossrätin EVP

Christine Schnegg

Die Sozialhilfe bildet das unterste Netz im schweizerischen System der Sozialen Sicherung. Sozialhilfe wird deshalb nur ausgerichtet, wenn andere Hilfen nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich sind. Sozialhilfeleistungen werden im Einzelfall nach dem tatsächlichen Bedarf bemessen. Finanziert werden die Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln. Unter anderem als Folge des Steuer(senkungs)wettbewerbs zwischen den Kantonen taucht die Frage auf, ob wir uns ein soziales Auffangnetz in diesem Umfang noch leisten können. Mit Kürzungen soll nun im Kanton Bern der Druck auf alle Sozialhilfebeziehenden erhöht werden, rasch wieder eine existenzsichernde Arbeit zu finden. Das ist aus meiner Sicht aus folgenden Gründen nicht zielführend: Es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit einem niedrigen Ausbildungsniveau. Menschen über 55 werden ausgemustert und sind zu teuer für Arbeitgeber. Nischenarbeitsplätze werden ins Ausland verlegt. Zugewanderte Menschen müssen erst Sprach- und Qualifikationshürden überwinden auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit. Körperliche oder psychische Leiden mindern die Erwerbsfähigkeit. Ein Drittel der Sozialhilfebeziehenden sind zudem Kinder, deren Eltern alleinerziehend sind oder in deren Familie das erwirtschaftete Einkommen nicht für alle Ausgaben reicht.

Einverstanden: Sozialhilfebeziehende, die nicht kooperieren, sollen sanktioniert werden. Das war aber immer schon möglich. Nun aber einfach die Beiträge für alle zu kürzen, wie es im Kanton Bern vorgesehen ist, finde ich nicht in Ordnung. Darunter werden auch Kinder zu leiden haben.

Als Familienpolitikerin werde ich überzeugt den Volksvorschlag unterstützen! Dieser sieht vor, Sozialhilfebeziehende gezielt weiterzubilden, damit eine Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Zudem soll die Wirtschaft stärker eingebunden werden mit dem Ziel, genügend entsprechende Arbeitsplätze zu ermöglichen. Weiter sollen über 55-jährige Arbeitslose nicht mehr von der Sozialhilfe unterstützt werden, sondern Ergänzungsleistungen wie bedürftige AHV- bzw. IV-Rentnerinnen und -Rentner erhalten. Und schliesslich sollen weiterhin die Ansätze gemäss den schweizweit anerkannten Ansätzen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) gelten. Die Vorlage kommt im Kanton Bern noch dieses Jahr zur Abstimmung.

kontext@bielertagblatt.ch

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