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Sexualberatung

«Sprecht mit euren Kindern über Sex»

Die Familienplanung Biel berät junge Frauen bezüglich Aufklärung, Verhütung und Sexualität. Beraterin Arabel Mettler: «Wichtig ist, dass Teenager wissen, wohin sie sich wenden können.»

Bunt ist die Auswahl an Verhütungsmitteln. Junge Frauen sollten sich bei der Wah gut beraten lassen. Bild: Keystone

Sarah Zurbuchen


«Teenagerschwangerschaften sind in der Schweiz – im Vergleich etwa zu Grossbritannien – immer noch sehr selten», so Arabel Mettler, Fachfrau für sexuelle Gesundheit. Mettler arbeitet auf der Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit und Familienplanung am Spitalzentrum Biel (SZB), das in der Frauenklinik auch eine gynäkologische Teenagersprechstunde anbietet. Und tatsächlich: In der Schweiz bringen Frauen Teenager laut einer Studie des Bundesamtes für Statistik heute sieben Mal weniger Kinder zur Welt als noch vor 40 Jahren. 1971 machten Teenager noch 15,7 Prozent der frischgebackenen Mütter aus. Heute sind es nur 0,6 Prozent, womit die Schweiz europaweit die niedrigste Rate an Teenager-Müttern aufweist.
«Die Gründe für eine ungewollte Schwangerschaft sind vielfältig, genau wie bei erwachsenen Frauen.» Das kann fehlende Information über Verhütung sein, ein Partner, der sie drängt, ohne Schutz Sex zu haben, ein Unfall mit dem Kondom etc. Kommt es dann zu ungeschütztem Verkehr, reagieren die Mädchen meist nicht sofort. So verfliegt die Möglichkeit der «Pille danach» (siehe Infobox). Kommt es dann zu einer Teenagerschwangerschaft, wird diese häufig so spät bemerkt und vom Mädchen zu lange verschwiegen, dass es dann auch zu spät ist, einen Schwangerschaftsabbruch in Betracht zu ziehen. Schliesslich hat das betreffende Mädchen vielfach nur noch zwei Wahlmöglichkeiten: das Kind zu behalten oder es zur Adoption freizugeben.


Dem Schweigen vorbeugen
Doch warum schweigen manche Mädchen so lange? Arabel Mettler sieht zwei Gründe: Oft wissen sie nicht, an wen sie sich wenden sollen oder können. Vielleicht wollen sie mit den Eltern aus Angst oder Scham nicht über Verhütung und Schwangerschaft reden, vielleicht verdrängen sie das Thema. «Nur weil nicht darüber geredet wird, heisst das noch lange nicht, dass es kein Thema ist», sagt Arabel Mettler. Und appelliert dabei auch an die Eltern. «Sprecht mit Euren Kindern über Sexualität und Verhütung.» Oft hätten Eltern Mühe damit. Das sei verständlich und solange kein Problem, wie dies die Eltern auch offen ansprechen und ihren Kindern Alternativen anbieten.
Eine Alternative könne ein Gespräch mit der Patin oder der Schulsozialarbeiterin sein, aber auch ein gutes Aufklärungsbuch oder Informationen zu Beratungsstellen wie der Familienplanung des SZB sind hilfreich. Ziel sei es, dass Jugendliche vorbereitet in die Phase der sexuellen Aktivität kommen. Dann sind die Voraussetzungen gut, für den eigenen Körper Verantwortung zu übernehmen und unabhängig zu werden. Jugendliche können übrigens selbst entscheiden, wie sie verhüten wollen und wie auf eine ungewollte Schwangerschaft reagiert wird. Gemäss Schweizerischem Zivilgesetzbuch haben urteilsfähige Jugendliche auch unter 16 Jahren das Recht, über höchstpersönliche Rechte wie Eingriffe am Körper selber zu entscheiden. Die Beraterinnen im SZB wahren deshalb die Schweigepflicht – auch bei Minderjährigen – und respektieren das individuelle Selbstbestimmungsrecht.


Beratung ist wichtig
Natürlich ist es dabei unumgänglich, dass Jugendliche zu den jeweiligen Themen umfassend beraten werden. Das ist auch ein Anliegen der Beratungsstelle. Das Team von Beraterinnen und Ärztinnen informiert wertfrei und vertraulich über Verhütung sowie sexuell übertragbare Infektionen, gibt die «Pille danach» ab und führt anonyme HIV-Tests und Schwangerschaftstests durch. Zum Angebot gehören auch gynäkologische Untersuchungen, Beratungsgespräche bei ungewollter Schwangerschaft und bei Problemen in Zusammenhang mit Sexualität.
Auch die Schule nimmt bei der Aufklärung eine wichtige Rolle ein. Mettler: «Die Schule kann ergänzen und eine Chancengleichheit bei den Kindern gewährleisten, denn nicht alle haben zuhause dieselben Voraussetzungen.» Allerdings präsentiert sich in der Deutschschweiz die schulische Sexualaufklärung sehr unterschiedlich. «Das hängt vom Lehrer ab», sagt die Fachfrau. Im Gegensatz dazu sei der Aufklärungsunterricht in welschen Schulen etablierter und ausschliesslich von Fachleuten der sexuellen Gesundheit gestaltet. Arabel Mettler hat die Erfahrung gemacht, dass die Jugendlichen lieber zu früh als zu spät mit dem Thema konfrontiert werden. «Sie warten richtiggehend darauf, weil es sie interessiert.» Entgegen der geläufigen Meinung, Jugendliche seien im Verlauf der Zeit immer frühreifer geworden, hat sich das Alter des ersten sexuellen Kontakts laut der Fachfrau in den letzten Jahren nicht verändert.
Und wann sollte eine junge Frau zum ersten Mal die Gynäkologin aufsuchen? Arabel Mettler: «Erst, wenn sie sexuell aktiv wird.» Da es zurzeit schwierig ist, bei Frauenärzten einen Termin zu erhalten, können sich junge Frauen auch auf der Familienplanung von einer Ärztin untersuchen oder sich Verhütungsmittel verschreiben lassen. «Wir können für Gespräche auch mehr Zeit aufwenden als Ärzte in gynäkologischen Praxen.» Pro Beratung ist eine Stunde eingeplant. Übrigens ist dies auch ohne Einverständnis der Eltern möglich.


Link: www.sexuelle-gesundheit.ch; www.tschau.ch; www.lilli.ch; www.praeser.ch
 

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