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en famille

Wann beginnt das mit dem Ausschlafen? Und wann hört es auf?

Ich habe mich heute Morgen um 7 Uhr aus dem Bett geschlichen. Um ja niemanden zu wecken. Das Baby schlief noch und meine beiden grösseren Kinder, 7- und 11-jährig, haben Ferien.

Bild: Parzival Meister
, Mitglied publizistische Leitung und unglaublich berührt

Sie können also ausschlafen. Oder besser gesagt: Sie könnten. Denn als ich aus dem Bad kam, hörte ich Schritte im Gang. Die 7-Jährige kam mir entgegen. Ich ging zum Kinderzimmer und sah: Auch die 11-Jährige ist schon wach. Und nein, keine der beiden hatte im Sinn, noch ein wenig weiter zu schlafen. Überraschend ist das nicht. Ob Wochenende oder Ferien: Wenn die Beiden mal nach acht Uhr aufstehen, grenzt das an ein kleines Wunder.

Mir würde es nie in den Sinn kommen, schon so früh aufzustehen, wenn ich nicht müsste. Heutzutage jedenfalls. Ich erinnere mich an eine Szene aus meiner Kindheit. Ich habe das Wochenende bei meinem Vater verbracht und er sagte mir am Vorabend: «Ich schlafe ein wenig länger. Wenn du wach bist, kannst den TV anmachen.» Und so kroch Klein-Parzi um fünf Uhr morgens aus dem Bett und machte es sich vor dem Fernseher gemütlich. Wieso ich mich an die Uhrzeit erinnere? Weil mein Vater plötzlich völlig verschlafen im Wohnzimmer stand und mich fragte, ob ich denn spinne, schon um fünf Uhr morgens aufzustehen? Nun, ich wiederholte ihm, was er mir am Vorabend gesagt hatte. Er schüttelte den Kopf und ging wieder ins Bett.

Bis zu einem gewissen Alter ist Ausschlafen schlichtweg kein erstrebenswertes Gut. Ich weiss noch, wie wir im Quartier eine Diskussion führten. Die älteren und die jüngeren Kinder. Ich gehörte zu den Jüngeren. Damals gab es einen Wechsel im Schulsystem. Bis dahin war am Samstagmorgen jeweils noch Unterricht. Das wurde abgeschafft, was von den älteren Kindern freudig aufgenommen wurde. Wir, die Jüngeren, hatten daran keine Freude, da der schulfreie Samstag auch bedeutete, einen Nachmittag weniger frei zu haben. Ich konnte nicht verstehen, wie man die Möglichkeit zum Ausschlafen höher gewichten konnte als einen schulfreien Nachmittag.

Ich weiss nicht, wann bei mir der Wandel stattgefunden hat. Wann ich begonnen habe, das Ausschlafen zu geniessen und nicht mehr das Gefühl hatte, etwas zu verpassen, wenn ich zu lange im Bett liege. Aber ist ja eigentlich egal. Vielmehr interessiert mich: Wann dreht das bei mir wieder? Ab welchem Alter bin ich so alt, dass ich sage: Ich kann nicht mehr ausschlafen. Ich bin jetzt 39-jährig. Bald 40. Werde ich es erleben, dass das ganze Haus inklusive aller Kinder an einem Sonntag mal Lust hat, so richtig auszuschlafen? Wahrscheinlich nicht. Denn wahrscheinlicher ist, dass dann, wenn meine Kinder das Ausschlafen zu schätzen lernen, ich nicht mehr ausschlafen kann und dann derjenige sein werde, der an den Wochenenden am Morgen alleine durch die Wohnung schleicht. Ob ich dabei leise sein werde, wie ich es meinen Kindern immer wieder sage? Ich kann nichts versprechen …

Info: Parzival Meister (39) ist Mitglied der publizistischen Leitung des Medienhauses Gassmann. Im Wechsel mit Theresia Mühlemann berichtet er an dieser Stelle über seinen Alltag in einer Patchwork-Familie mit fünf Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 17 Jahren.

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