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Warum schreiben wir von links nach rechts?

Wir schreiben täglich ganz selbstverständlich Wörter und Sätze von links nach rechts aufs Papier. In anderen Ländern ist das anders. Woher kommt unsere Schreibrichtung?

Von links oben nach links unten: Diese Schreibweise lernen Kinder sehr früh. Bild: Pixabay

Angelika Lensen

Es ist ein typisches Beispiel für etwas, worüber man normalerweise nie nachdenkt: von links nach rechts schreiben. Man lernt es schon in der Primarschule und stellt dabei eigentlich nie Fragen. Aber wenn man ein wenig darüber nachdenkt, ist es nicht so selbstverständlich. Sowohl die arabische als auch die hebräische Schrift werden von rechts nach links geschrieben, während die chinesische Schrift von oben nach unten verläuft. Warum schreiben wir in der westlichen Welt eigentlich von links nach rechts?

Das Schreibgerät

Zunächst einmal hat die Schreibrichtung viel mit dem verwendeten Schreibmaterial zu tun. Früher wurden Nachrichten in Stein gemeisselt. Wenn man mit dem Meissel in der linken Hand und dem Hammer in der rechten Hand meisselte, konnte man nur lesen, was man schrieb, wenn man von rechts nach links schrieb. Das ist auch heute noch so: Für Rechtshänder ist es am einfachsten, nach rechts zu schreiben, weil man sonst mit der Hand über den gerade geschriebenen Text wischen würde.

Von oben nach unten

Das gleiche Prinzip findet sich in China. Die chinesischen Schriftzeichen werden von oben nach unten geschrieben. Das liegt daran, dass die Chinesen die Erfinder des Papiers sind. Traditionell wurde diese vertikale Schreibrichtung beibehalten, damit der Pinsel in der rechten Hand gehalten werden konnte, während die linke Hand das Papier abrollte.

Das Schreibgerät scheint für die wechselnden Schreibrichtungen eine einfache Erklärung zu sein, und doch hat die Menschheit es im Laufe der Geschichte ziemlich bunt getrieben, was die Schreibrichtung betrifft. Einige Schriften, wie die ägyptischen Hieroglyphen, konnten von links nach rechts oder von rechts nach links geschrieben werden. Der Leser konnte das vorher prüfen, indem er sich ansah, auf welcher Seite die tierischen und menschlichen Hieroglyphen gezeichnet waren: Ihre Köpfe zeigten immer zum Satzanfang.

Das erste Alphabet wurde häufig in der sogenannten «Bustrophedon-Richtung» geschrieben. Dieser Begriff bezieht sich auf die Art und Weise, wie ein Ochse über das Land läuft. Diese Art des Schreibens geht in zwei Richtungen. Sie beginnt in die eine Richtung, und dreht sich am Ende des Satzes, um in der nächsten Zeile in die entgegengesetzte Richtung weiterzulaufen. Die Schreibrichtung wechselt also in jeder Zeile.

Das lateinische Alphabet, das in den meisten westlichen Ländern verwendet wird, ist ein direkter Nachfahre des griechischen Alphabets. Auch das frühe griechische Alphabet wurde in der Zeit rund 800 bis 600 vor Christus manchmal auf diese komplizierte Weise geschrieben. Diese unpraktische Schreibweise wurde in der hellenistischen Periode immer unbeliebter, bis man schliesslich endgültig dazu überging, von links nach rechts zu schreiben. Zum Glück!

Spiegelschrift

Dann gibt es natürlich noch Persönlichkeiten wie Leonardo da Vinci, der in Spiegelschrift schrieb. Doch das ist nicht so besonders, wie man denkt. Ich war einmal überrascht, als mein Nachbarskind mir stolz seine gerade gelernten Buchstaben zeigte: geschrieben in Spiegelschrift. Nach einigen Recherchen fand ich heraus, dass dies bei Kindern im Vorschulalter nicht ungewöhnlich ist. Sie haben den Unterschied zwischen links und rechts noch nicht ganz begriffen und haben daher kein gutes Verständnis für Richtungen. Sie sehen einfach nicht den Unterschied zwischen verschiedenen Richtungen. Dadurch können sie auch ganz leicht spiegelbildlich schreiben. Ein Talent, das uns später leider verloren geht: Probiert es mal aus!

Stichwörter: Schreiben, Sprache

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