Sie sind hier

Abo

Reisen

Weder Diesel noch Wasser in Usbekistan

An die Tankstelle fahren und mit der Karte bezahlen: Das ist für Martina Zürcher total ungewohnt, als sie wieder in Europa ankommt.

Schiffe ohne Wasser, Fischer ohne Job: Der Aralsee ist eine der grössten Katastrophen der Welt. Bild: Martina Zürcher
  • Video
  • Dossier

Martina Zürcher

Zu oft hatten wir in den letzten Monaten erlebt, dass Tankstellen nicht mehr funktionierten oder keinen Diesel hatten. Vor allem in Usbekistan, wo fast alle Autos mit Gas betrieben werden, ist Diesel eine Seltenheit. Im September, die Zeit der Baumwollernte, soll es noch brenzliger sein, weil dann Diesel nur an LKWs abgegeben werden darf, die das weisse Gold transportieren.

Da wir dies im Voraus wussten, planten wir die Route für einmal etwas genauer und beschlossen, bloss die märchenhaften Städte Samarkand, Buchara und Khiva sowie den Aralsee zu besuchen. Auf halber Strecke fanden wir Diesel auf dem Schwarzmarkt, welcher direkt aus alten PET-Flaschen eingefüllt wurde. Nun hofften wir mit vollem Tank und 10-Liter-Zusatzkanister, die restliche Strecke ohne Probleme zu schaffen und machten uns auf zum Aralsee, dem einst viertgrössten See der Welt.

 

Fischerboote auf Grund
Im ehemaligen Fischerdorf Muynak ist nicht mehr der Badestrand die Attraktion, sondern der Schiffsfriedhof. Rostig liegen die Gerippe der Fischerboote auf dem Sand in der Hitze. Der ehemalige Seeboden ist mit Büschen überwachsen und hie und da liegen Muscheln herum. An der Aussichtsplattform sowie im Museum wird das Verschwinden des Sees dokumentiert, allerdings steht nirgends, dass die ehemalige Sowjetunion die usbekische Trockenzone zum Baumwoll-Mekka machen wollte und so durch den Bau von Kanälen sämtliche Wasserzuflüsse des Sees kappte und ihn innerhalb weniger Jahre fast gänzlich zum Verschwinden brachte.

Das Ausmass der Katastrophe realisierten wir so richtig, als wir fragten, wie weit wir fahren müssten, um den See doch noch zu sehen. «190 Kilometer.» – «Hin und zurück?» – «Nein, von hier bis zum Ufer», sagte der Museumsleiter.

Die Tankanzeige zeigte eine Reichweite von 500 Kilometern an. Die zusätzlichen rund 400 sollten also drin liegen. Irgendwo würden wir dann schon wieder Diesel auftreiben können, sagten wir uns und fuhren los. Vorbei an zerfallenen Fischfabriken – hier wurden früher jährlich 35 Tonnen Dosenfisch verpackt – bis zu einer Schranke. Wir glaubten schon, dass der See für Fremdlinge wie uns gesperrt ist, weil wir nun in der Ferne überall Türme sahen, die auf massive Gasgewinnung hinwiesen. Aber der Sicherheitsbeamte wollte nur wissen, ob wir eine Karte hätten. Bald merkten wir weshalb: Vor uns breitete sich ein Gewirr an Pisten aus, es sah in allen Himmelsrichtungen gleich flach aus und die Temperaturanzeige stieg auf 42 Grad.

 

Zu steil für Foxy
Der See war einst zweimal so gross wie die Schweiz und wir erreichten erst nach Stunden das steil vor uns aufragende ehemalige Ufer. Vom Seeboden gelangten wir über eine enge Piste in die Höhe. Von oben sah die Katastrophe fast schön aus. Das verschwundene Wasser hat eine Art Canyonlandschaft freigegeben. Erst 50 Kilometer weiter zog sich eine Piste wieder hinunter auf den Seegrund. Mitten in der steilen Abfahrt piepste Foxy der Bus plötzlich auf: Reichweite fünf Kilometer, bitte Tanken! Was!? Wie konnte das passieren, eben noch zeigt es 200 Kilometer an.

Wir sprangen aus dem Auto und waren froh, kein Leck im Tank zu entdecken. Aber was nun? Wir entschlossen, erst einmal hinunter ans neue Seeufer zu fahren und dort zu übernachten. Am nächsten Tag würden wir schon irgendwie eine Lösung finden. Dylan lag die halbe Nacht wach und grübelte nach. Wie würden wir wieder zurückkommen? Die zehn Liter im Zusatzkanister reichten im Normalfall für 100 Kilometer, in schwierigem Gelände vielleicht für die Hälfte. Die Hauptstrasse war aber mindestens 100 Kilometer weit weg. Die nächste Tankstelle mit Diesel? Soweit mochte er gar nicht denken.

Als wir am Morgen den Motor starteten, stand da immer noch «Bitte tanken!» Bitte nicht, hofften wir und fuhren los. Obwohl wir einige Kilometer zurücklegten, stand bei der Reichweite immer noch fünf Kilometer, dann plötzlich zehn. «Foxy! Spiel uns jetzt keinen Streich!», beschworen wir unser Haus und als hätte er uns gehört, sprang die Reichweite plötzlich wieder auf 200 Kilometer und wir realisierten, dass wir an der genau gleichen Stelle waren wie gestern, die so steil war, dass sich der Schwimmer der Tankanzeige irgendwo verkeilt haben musste und nun wieder freigekommen war.

Link: www.ride2xplore.com


****************


Bald in Biel
Unsere Autoren leben seit 2016 im VW-Bus. Am 25. Oktober um 20 Uhr erzählen sie in der Aula des BBZ an der Wasenstrasse 5 in Biel aus ihrem Leben. mt

Nachrichten zu Fokus »