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Meinung

Wenn die Eifersüchtigen vor Neid erblassen

Wie würden Sie das Gefühl beschreiben, wenn sich Ihr nerviger Chef oder die mühsame Chefin das Traumhaus kauft, das Sie sich schon ewig lange wünschen, aber sich nie leisten konnten?

Bild: bt/a

von Luca Brawand alias Landro

Und wie nennt man das Gefühl, wenn die Freundin oder der Freund regelmässig nach dem Feierabend noch mit dem attraktiven neuen Mitarbeiter oder der schönen Mitarbeiterin etwas trinken geht und man sich selbst kaum beachtet fühlt? Ich weiss nicht, wie Sie sich entschieden haben, aber für mich ist der Fall klar: Das erste Beispiel ist Neid, das zweite Eifersucht. Wenn ich mich im Alltag aber umhöre, scheint das ganz oft nicht wirklich klar zu sein. Beinahe inflationär höre und lese ich immer wieder das Wort «eifersüchtig». Und zwar ist es meistens nicht so, dass die beiden Wörter verwechselt würden. Nein, anstatt «neidisch» wird schlicht «eifersüchtig» gesagt. Auf einmal ist man eifersüchtig auf die bessere Note des Mitschülers, die Beförderung der Kollegin, die schönen Haare der besten Freundin oder das Sixpack des Teamkollegen. Auf all diese Dinge kann man aber nicht eifersüchtig sein. Das mag etwas sein, was gar nicht so vielen Leuten auffällt, schliesslich sind die Begriffe von der Bedeutung her auch ziemlich nah beieinander.

Aber auch wenn ich wahrlich kein Sprachwissenschaftler bin und die Kommaregeln für mich ähnlich mystisch sind wie die Legenden aus dem antiken Griechenland (ich glaube hier sollte gleich ein Komma kommen), habe ich jedes Mal das Gefühl, dass ein Teil in mir stirbt, wenn jemand fälschlicherweise «eifersüchtig» sagt. Wo liegt nun also dieser feine, aber wichtige Unterschied zwischen den beiden Begriffen? Diese Definition von «Eifersucht» findet man im Duden: 

«starke, übersteigerte Furcht, jemandes Liebe oder einen Vorteil mit einem anderen teilen zu müssen oder an einen anderen zu verlieren»

Was mir hier direkt ins Auge springt, ist der Begriff «Liebe». Die Eifersucht scheint also in erster Linie an diese Emotion gekoppelt zu sein und man fürchtet, diese nicht mehr zurückzubekommen oder sie teilen zu müssen. Das kann sowohl in einer romantischen Beziehung wie auch bei einem dreijährigen Kind, das sein erstes Geschwister bekommt und auf einmal die ganze Aufmerksamkeit und Liebe seiner Elternteilen muss, der Fall sein. Die Eifersucht kennt jeder und sie kann von einem bei-nahe rationalen Warnsignal bis zu einer krankhaften Paranoia aufgrund mangeln-der Selbstliebe reichen. Es ist ein grosses Themenfeld in einer riesigen Emotions-welt. Wieso wird das Wort also immerhäufiger anstelle von «Neid» eingesetzt? Klingt das Wort zu hart? Verwenden wir «Eifersucht» als eine Art Vorsichtsmassnahme?

«Empfindung, Haltung, bei der jemand einem anderen dessen Besitz oder Erfolg nicht gönnt und selbst haben möchte»

Bei der Definition von «Neid» kann kaum die Rede von Liebe sein. Im Gegenteil, während die Eifersucht im Kern an eine positive Emotion gekoppelt ist, scheint der Neid mit negativen Gefühlen behaftet zu sein. Man hat nicht die Angst, selbst eine positive Emotion zu verlieren, sondern will nicht, dass sie jemand anderes hat. Das heisst konkret, eine neidische Person will etwas haben und die andere Person soll es nicht haben. Die Eifersucht auf der anderen Seite mag sich zwar für die betroffene Person schlecht anfühlen und kann sich bei einer starken Ausprägung auch negativ auf das Umfeld auswirken. Dennoch wurzelt sie ursprünglich in einer positiven Emotion. Das soll nicht heissen, die Eifersucht ist positiv und der Neid negativ. Es sind beides sehr menschliche, möglicherweise unumgängliche Empfindungen. Aber dennoch beschreiben sie nicht das Gleiche und der Ursprung der Emotion sagt viel darüber aus, was dahintersteckt.

Deshalb finde ich es auch wichtig, diebeiden Wörter nicht synonym zu verwen-den oder einfach neidisch durch eifer-süchtig zu ersetzen. Man ist nicht eifersüchtig auf das tolle neue Auto des Nachbarn, sondern neidisch. Und Neid ist bekanntlich die aufrichtigste Form der Anerkennung.

Info: Der 23-jährige Bieler Luca Brawand ist Musiker und studiert Medien und Kommunikation. 2018 hat er sein Debütalbum herausgegeben. Letzten Dezember folgte die EP «Lonely Hearts Club Band».

kontext@bielertagblatt.ch

Stichwörter: Eifersucht, Neid, Meinungen, Kontext

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