Sie sind hier

Abo

Coronablog

Wie ein geschlagener Hund

Kennen Sie jene Hunde-Videos im Internet in denen irgendwo ein völlig abgemagerter Hund entdeckt wird, der misstrauisch die Zähne fletscht und bellt, weil er mit Menschen nur schlimme Erfahrungen gemacht hat?

Beat Kuhn
  • Dossier

Kennen Sie jene Hunde-Videos im Internet in denen irgendwo ein völlig abgemagerter Hund entdeckt wird, der misstrauisch die Zähne fletscht und bellt, weil er mit Menschen nur schlimme Erfahrungen gemacht hat, daraufhin über Wochen aufgepäppelt wird und seinen Lebensretter vor lauter Dankbarkeit schliesslich mit Liebesbezeugungen eindeckt, beispielsweise durch Lecken des Gesichtes? Meine derzeitige Gemütsverfassung geht in diese Richtung - genauer gesagt in die Richtung des Stadiums "Aufpäppeln". Auf gut Deutsch: Endlich ist das Wetter so frühlingshaft, dass man nicht mehr nur theoretisch, sondern auch praktisch seine Mischung aus Wohnung und Homeoffice verlassen kann, sprich im Coronagefängnis Hafterleichterung durch Ausgang bekommt.

Der zweitletzte Samstag im Februar überraschte mit viel Sonne und Wärme, war also ideal für eine erste Velotour – und so machte ich denn eine. Als ich wieder zuhause war und meine Sozialen Medien checkte, stach mir ein Facebook-Post des Bieler Stadtpräsidenten ins Auge: Erich Fehr hatte dieselbe Idee wie ich gehabt und eine Velo-Rundtour gemacht – in seinem Fall von Biel über Lyss nach Aarberg –, was er mit Fotos von seinem Drahtesel vor entsprechender Kulisse belegte. Diese Übereinstimmung in der Freizeitgestaltung war allerdings kein Höhepunkt in der Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung, sondern vielmehr dem Umstand geschuldet, dass man «wegen der Coronaeinschränkungen nicht viel anderes machen kann», wie Fehr schrieb.

Obwohl ich auf solche Touren lange hatte verzichten müssen, war meine Freude an jener Tour allerdings nicht so gross wie sonst. Die gewisse Bedrücktheit, die die lange Coronahaft in mir erzeugt hat, sass offenbar so tief in den Knochen, dass sie nicht einfach mal so mit einem Schwung auf den Sattel abgeschüttelt werden konnte. Auch die weiteren Touren seither habe ich nicht so intensiv wie sonst geniessen können. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass ich sogar bei Windstärke zwölf Touren unternahm und dann selbst bei Regen 
nicht umkehrte – es gibt ja kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Ausrüstung. Jetzt soll der Frühling gefälligst bleiben, damit meine Lebensgeister wieder voll aufblühen können. Und dann wird geimpft!

 

Nachrichten zu Fokus »