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Titelgeschichte

Wo Aphrodite aus dem Meer stieg

Auf Zypern lassen sich Bade-, Kultur- und Naturferien 
ideal kombinieren. Reisen ist trotz Corona kein Problem, 
sofern Schutzvorschriften eingehalten werden. Das gilt 
auch für andere Destinationen.

Bizarre Felsformationen und kristallklares Meer trifft man auf der Südostküste Zyperns an. Bild: Annelise Alder

Text und Bilder: Annelise Alder

Mitleid, gar Beklemmung kommt auf beim Anblick der leeren Lobby des gediegenen Vierstern-Hotels in Ayia Napa. Gäste scheint es hier keine zu haben. Beim Abendessen im hoteleigenen Restaurant sind immerhin drei Tische besetzt. «Seit dem 10. Juni ist dieses Hotel geöffnet», sagt Christos Angelides, «seit wieder Flugzeuge das kleine Land im östlichen Mittelmeer anfliegen dürfen.»

Seither sind vier Wochen vergangen. Der Präsident der Vereinigung der zypriotischen Hotels hat mitgeholfen, ein Schutzkonzept zu erstellen. «Wichtig war uns, dass es für alle Hotels einfach umzusetzen ist». Masken und Wegwerfhandschuhe sind beim Personal Pflicht. Überall stehen Desinfektionsmittel herum. Auch was die Küche betrifft, gibt es strikte Vorgaben. «Wir hatten wiederverwendbare Trinkhalme aus Bambus eingeführt. Nun müssen wir zu den Cocktails wieder abgepackte Plastikröhrchen servieren», sagt er.

Rund 20 Todesfälle auf rund eine Million Einwohner: Zypern gehört zu den Vorzeigeländern in Kampf gegen die Corona-Krise. Die Regierung hat nach Auftreten der ersten Covid-19-Fälle rasch und unbarmherzig reagiert: «Vom einen auf den anderen Tag stand das Leben still», sagt der Taxifahrer auf dem Weg ins Hotel. «Wir mussten per SMS die Erlaubnis einholen, das Haus zu verlassen und einkaufen zu gehen.» Touristen, die ursprünglich das Virus ins Land gebracht hatten, wurden sofort von der Insel verbannt.

Pandemie dank strengen Schutzvorschriften unter Kontrolle

Noch heute wacht das kleine Mittelmeerland eisern darüber, wer einreisen darf, obwohl der Tourismussektor auf Zypern ein wichtiger Wirtschaftszweig bildet. Die Engländer, die den grössten Besucheranteil stellen, dürfen bis dato nur einreisen, wenn sie einen negativen Covid-19-Test vorlegen können. Wann die Russen – auch diese sind eine wichtige Besuchergruppe – wieder Ferien auf der sonnigen Mittelmeerinsel verbringen dürfen, ist noch offen. Es wird also eine Weile dauern, bis Ayia Napa wieder seinem Ruf als lebhafter Ferienort gerecht wird.

Die meisten Besucherinnen und Besucher reisen in die südliche Küstenstadt der schönen Sandstrände und dem lebhaften Treiben wegen. Doch die beliebte Touristendestination hat mehr zu bieten als Hotels, Restaurants und Bars. Sehenswert ist etwa das Thalassa-Museum mit seinen eindrücklichen Exponaten zur antiken Seefahrt oder ein Skulpturenpark am östlichen Stadtrand. Jedes Jahr bewerben sich Künstler aus aller Welt um eine Residenz. Die Auserwählten dürfen während eines Monats eine Steinskulptur nach eigenen Ideen erarbeiten. Mehrere Dutzend Exponate sind in den letzten Jahren zusammengekommen, wie ein Spaziergang durch den grosszügig angelegten Park zeigt. Stundenlang könnte man durch die Anlage wandeln, denn zwischen den Kunstobjekten laden auch die unterschiedlichsten Kakteen zum Verweilen ein. Im Juli wachsen aus den stacheligen Pflanzen prachtvolle Blüten.

Blau-grünes Meer, bizarre Küste und fruchtbare Landschaft

Cape Greco liegt nur wenige Kilometer entfernt. Der östlichste Punkt der Insel ist ein beliebtes touristisches Fotosujet: Das Meer changiert hier zwischen grünen und blauen Farbtönen, die Küste ist von teils bizarren Sand- und Kalksteinsteinformationen und -höhlen geprägt. Die eindrücklich zerklüfteten Felsen lassen sich auf einer Bootsfahrt besonders gut betrachten. Im Preis inbegriffen ist ein Halt auf offener See, um sich im Meerwasser von der Sommerhitze abzukühlen, sowie ein Getränk samt einem Schnitz saftiger Honigmelone.

Im Informationszentrum des Naturparks Cape Greco gibt es zudem Wissenswertes über die Landwirtschaft auf der mediterran-subtropischen Insel zu erfahren. Im Südosten Zyperns ist die Erde des Eisengehalts wegen rötlich gefärbt. Der Boden eignet sich besonders gut für Kartoffeln, die hier in grossem Stil angebaut werden und als Frühkartoffeln in die Schweiz oder nach England exportiert werden.

Die Weizenfelder in dieser abwechslungsreichen Landschaft sind im Juli schon längst geerntet – anders als in der Schweiz. Das hat seinen Grund: «Der Weizen wird im Herbst angepflanzt und im Frühling geerntet. Er wächst also im Winter, da es auf Zypern nur während dieser Jahreszeit regnet», sagt Dena Markidou, die Reiseführerin.

Das Klima auf Zypern ist so mild, dass rund ums Jahr gepflanzt und geerntet werden kann. Nahezu alle Sorten von Gemüse und Früchten werden angebaut. Trotz der Nähe der Insel zum asiatischen Festland trifft man nur vereinzelt auf Mango, Papaya oder Avocado. «Erst in den letzten Jahren hat man begonnen, auch Exotisches anzupflanzen», sagt Dena.

In der Küche dominieren traditionelle mediterrane Gemüsesorten. Das zeigt der Besuch auf einem einheimischen Gemüsemarkt. Riesige Wassermelonen für einen Euro das Stück bieten die – meist älteren – Bauern an. Zu kaufen gibt es auch Tomaten, Auberginen, Zucchini sowie Orangen und Trauben. Saison haben im Juli auch die bei den Einheimischen sehr beliebten Okra und Schwarzaugenbohnen. Letztere geniesst man entweder frisch gekocht und mit Olivenöl und Zitrone mariniert oder in Tomatensauce, oder sie werden getrocknet und später in Eintopfgerichten verwendet.

Meze – ein verschwenderisch grosszügiges Nationalgericht

Lokal und nachhaltig: Die beiden Stichworte sind dem Ministerium für Tourismus auf Zypern ein grosses Anliegen. Martha Karecla ist fürs Marketing zuständig und erklärt beim gemeinsamen Mittagessen, wie das zu verstehen ist: «Zypern hat alles, was es zum Leben braucht. Wir sind nicht auf Importe angewiesen.» Der zunehmende Tourismus hinterlasse aber seine Spuren, weshalb eine Optimierung des Abfall-Recyclings in Planung ist. Die Insel soll in Zukunft nicht nur Sommergäste beherbergen: «Wir möchten sie als ganzjährige Feriendestination vermarkten, um die touristische Infrastruktur besser ausnützen zu können. Im Winter ist es nämlich ruhiger und das Klima ist mild», sagt sie.

Beim Abendessen in einer typischen Fisch-Taverne im Hafen von Ayia Napa kann von einem sorgsamen Umgang mit Ressourcen aber kaum die Rede sein: Zu Essen gibt es Meze, das Nationalgericht, eine Abfolge von typisch zypriotischen Spezialitäten. Die Fisch-Meze umfasst neben einem griechischen Salat, den es bei fast jeder Mahlzeit automatisch dazugibt, einen cremigen Fischrogen-Salat, Joghurt mit Gurke und Minze, Sesampaste, eingelegte Oliven und Tintenfische.

Es folgen frittierte Sardinen, Calamari und Scampi. Daran schliessen sich eine gebratene Dorade, gegrillte Riesencrevetten und Oktopus an. Es folgen Muscheln in würziger Rahmsauce, in Rotwein geschmorter Tintenfisch und asiatisch marinierter Lachs. Dazu wird Pommes frites und geröstetes Brot gereicht. Den Abschluss bilden Wasser- und Honigmelone und eine Tasse griechischen Kaffee, der in einem traditionellen Kupferpfännchen gebraut wurde.

«Niemals jedes Gericht aufessen, sondern nur eine Kleinigkeit von jedem kosten», warnte Dena vor der Mahlzeit.

Hoch professioneller Weinbau, traditionelle Käseherstellung

Ob Fisch oder Fleisch: Zu jedem Gericht gehört ein Glas zypriotischen Wein. Der Weinbau auf der Insel hat nämlich eine lange Tradition. Funde belegen, dass bereits 3000 Jahre vor Christi Geburt Rebensaft konsumiert wurde. Die Wiege der Weinproduktion im Mittelmeerraum liegt also auf Zypern. Heute ist vor allem der süsse Dessertwein Commandaria verbreitet. Zu Fisch passt am besten ein Glas Xynisteri. Der Wein aus der Taubensorte, die es nur auf Zypern gibt, schmeckt hervorragend, wie eine Verkostung in einer Kelterei zeigt.

Theodoros Makarounas ist einer der jungen Winzer, die sich vom traditionellen Rebbau früherer Generationen losgelöst und die Weinerzeugung professionalisiert haben. Auch dank ihm geniesst der zypriotische Wein inzwischen internationales Renommee. «Ich habe in Kalifornien Önologie studiert», erklärt der junge Winzer auf die Frage, wo er sich ausbilden liess. Zu den edlen Tropfen, die er einschenkt, serviert er Hausgemachtes, nämlich gefüllte Pfannkuchen und Sesamgebäck.

Der Halloumi, der landestypische Käse aus Milch von Kühen oder Schafen, wird in den Dörfern des Hinterlands nach wie vor traditionell hergestellt. Das zeigt ein Besuch bei Sofia im beschaulichen Weiler Letymbou ob Pafos. Die freundliche alte Frau hebt den Käse aus der warmen Molke, bestreut ihn auf der einen Seite mit Salz und faltet ihn mit einem Pfefferminzblatt dazwischen zusammen. Dazu reicht sie Anari, einen Frischkäse, sowie mit Bulgur gefüllte Weinblätter und Zucchiniblüten. Das Brot dazu wurde im traditionellen Steinofen gebacken, der draussen vor dem Haus steht.

Einzigartige Pflanzenvielfalt aufgrund fehlender Eiszeit

«Die schönste Jahreszeit ist der Frühling», sagt Dena während der Weiterfahrt im bergigen Landesinnern. «Dann blühen Akazien und Ginster und die ganze Landschaft ist übersät mit gelben Farbtupfern. Auch wachsen hier viele prächtige Orchideen.» Auf der kurvenreichen Fahrt fallen nicht nur die kleinen buschigen Reben der einheimischen Traubensorten auf. Unzählige weitere, teils wenig bekannte Gewächse gibt es zu entdecken: Blühende Kapern zum Beispiel. «Auf Zypern gibt es über 2000 Arten und Unterarten von Pflanzen, 140 davon sind endemisch», sagt Dena, es gibt sie also nur auf Zypern. Die unglaubliche Pflanzenvielfalt erklärt die Reiseleiterin damit, dass auf Zypern nie eine Eiszeit stattgefunden hat.

Eine weitere typisch zypriotische Pflanze ist der Johannisbrotbaum. Die Schoten wurden einst als «schwarzes Gold» bezeichnet. Sie dienten früher als Hauptexportgut der Mittelmeerinsel, weil sie sich vielseitig verwenden liessen. Ein kleines Museum in Limassol erinnert an den einst blühenden Wirtschaftszweig und zeigt, wie die Früchte gemahlen und abgepackt wurden.

Wer sich für Kräuter interessiert, die auf der Insel gedeihen, und mehr über ihre Anwendung in der Küche und als Heilmittel erfahren möchte, besucht das «Cyherbia», einen botanischen Garten unweit von Larnaka. Eleni, die die Anlage betreibt, weiss über jedes Gewächs in der duftenden Anlage etwas zu erzählen. Ihr enormes Wissen hat die gebürtige Russin von ihrer Grossmutter vermittelt bekommen.

Spuren von Bewohnern reichen zurück bis in die Steinzeit

Zypern ist ein Anziehungspunkt für Kulturinteressierte. Weil die Insel «im Schnittpunkt dreier Kontinente und uralter Seewege liegt», wie es in einem Werbeprospekt heisst, war sie Spielball vieler Völker. Sie alle haben ihre Spuren hinterlassen. Die frühesten historischen Zeugnisse auf der Insel stammen aus der Steinzeit.

Auswirkungen bis heute hat die Periode der Hellenisierung Zyperns, damit kam nämlich die griechische Sprache und Kultur auf die Insel. Die Legende, wonach die Göttin Aphrodite vor Zypern den Wellen des Meeres entstiegen sei, ist im Südwesten der Insel heute noch allgegenwärtig. Die Zyprioten sprechen zudem einen Dialekt, der dem Altgriechischen ähnlich ist und von den heutigen Griechen kaum verstanden wird.

Eindrückliche Zeugnisse der griechisch-römischen Periode bilden die archäologischen Ausgrabungsstätten von Kourion und Kato Pafos, Letztere ein Unesco-Welterbe. Kern der Stätten bilden prachtvolle Mosaikböden, auf denen Szenen aus der griechischen Mythologie abgebildet sind. Die Böden wurden 1962 per Zufall von einem Bauern entdeckt. Während der heissen Jahreszeit ist es ratsam, den Rundgang durch das weitläufige Gelände dem gleissenden Sonnenlicht wegen frühmorgens zu starten und Getränke mitzunehmen.

Auf Zypern gibt es auch unzählige Basiliken und Kirchen, die von der byzantinischen Zeit von 330 bis 1191 zeugen. Reste von gotischen Kirchen belegen die Herrschaft der Franken. Die Stadtmauer, welche die Hauptstadt Nikosia umgibt, haben die Venezianer errichtet. Auf die Osmanen, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Insel besetzten, folgten die Briten. Die Auswirkungen der britischen Herrschaft, die von 1878 bis 1960 dauerte, sind bis heute zu spüren: Auf Zypern herrscht nach wie vor Linksverkehr. Mietautos haben deshalb auffallend rote Schilder, «damit wir Zyprioten mit einem Blick erkennen, dass Touristen unterwegs sind und wir aufpassen müssen», wie Dena lachend erklärt. Zudem spricht fast jeder im Land englisch, denn: «Die Kinder lernen die englische Sprache bereits im Kindergarten.»

Zypern leidet wie jede Touristendestination unter der Coronakrise. Doch blickt die Branche optimistisch in die Zukunft. Das gehöre zum Naturell der Inselbewohner, wie Dena erzählt. Grössere Sorge bereitet den Zyprioten die politische Situation. 1974 besetzten türkische Truppen den Nordteil der Insel. Trotz internationalen Friedensverhandlungen unter Beteiligung der UNO hat sich bis zum heutigen Tag nichts an der Situation geändert. Die Grenze zwischen den beiden Landesteilen verläuft mitten durch die Hauptstadt Nikosia und wird von UN-Friedenstruppen bewacht.

Mit der Finanzkrise 2003 war erstmals ein Grenzübertritt vom einen zum anderen Landesteil möglich. Heute gibt es mehrere Übergänge und dank Unterstützung der EU einige gemeinsame Projekte, dies vor allem auf kultureller oder gesellschaftlicher Ebene. Eine Lösung dieser Situation steht nicht in Aussicht. «Leider ist das Problem sehr kompliziert», seufzt die Reiseführerin. Der Attraktivität des vielseitigen Mittelmeerlands tut dies leider oder zum Glück keinen Abbruch.

Info: Informationen zu den Anreise-
modalitäten finden Sie hier:
www.visitcyprus.ch

Diese Reise wurde durch das Tourismusministerium der Republik Zypern unterstützt.

Stichwörter: Zypern, Tourismus, Urlaub, Reisen

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