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Zweisprachiges Paar – zweisprachige Familie

Mein Mann ist Romand. Ich bin Deutschschweizerin. Ist im Fall kein Schleck. Nicht lachen, aber die interkulturellen Differenzen sind manchmal echt anstrengend.

Sabine Kronenberg

«Was? Du hast KEINE beste FreundIN?» «Was? Du hast EINEN besten FREUND?» «Was ist der Stress? Unser Zug fährt in einer halben Stunde und wir stehen hier schon auf dem Perron?» «Kannst Du nicht mal pünktlich sein? Immer diese Warterei auf Dich, Sabine!» Ja, ja, bei uns ist es oft umgekehrt, als die Vorurteile es vermelden.

The all time best off an einer zweisprachigen Beziehung sind jedoch die sprachlichen Welten, die sich einem eröffnen. Zumindest für mich. Sprachaffin. Blühende Fantasie. Ich denke und schreibe nicht nur in Bildern, ich spreche auch so. Und wehe, mir gehen die dialogischen Gäuler durch. Da gibt es manchmal kein Halten. Und so dachte ich von Anbeginn unserer Liebesgeschichte «Juhu, neue Sprachwelten!» und dann habe ich meinen Liebsten jeweils gefragt: «Wie sagt man ‹mir gehen die Gäuler durch›?»

Aber eben. Mein Mann ist ein Mathematik-Genie und 3D-Designer. Und nicht nur der Schön-Designer, jetzt wirklich der Ingenieur-Designer, der auch mal aus dem Stand eine ganze Hydraulik durchrechnet, dass den Kunden und Kundinnen der Mund offen stehen bleibt. Nix die Bohne («Wie sagt man nix die Bohne, Herz?») sprachverliebt. Er liest viel, ja. Begegnet jedoch Sprachbildern mit einer gewissen Skepsis. Und Sprache pflegt er in seiner ganz persönlichen, recht trockenen Variante, eine Art Null und Eins des Austauschs. Logische Sätze. Keinen Überbau. Keinen Unterbau. Charmanten Zeitgenossen unterstellt er (zurecht?) Falschheit.

Wenn ich dann frage: «Wie sagt man ‹grün hinter den Ohren›?», sagt er inzwischen oft grinsend: «Das sagen wir nicht.» Schlitzohr! Inzwischen übersetze ich halt einfach «vert derrière les oreilles». Er nickt dann und ich meine, er versteht. Meist geht das prima.

Es hat aber schon zu kolossalen Missverständnissen geführt. Die Romands haben nun mal eine Katze und nicht wie unsereins Deutschweizer und -schweizerin einen Frosch im Hals. Oder die Wendung «Ball flachhalten» verstand er immer als «Bauch flachhalten». Den Sinn annähernd verstanden hat er sowieso: Er verstand, dass man eben den Bauch einziehen und sich kontrollieren sollte. Trifft es ja ungefähr.

Und so geht Sprache ja sowieso. Mit dem Kontext das Gehör schulen. Irgendwann begreifst Du dann, dass es auch nicht eins zu eins sein muss. Zweisprachig leben ist komplementär. Man hört es ja überall in Biel, dieses Bieldeutsch oder Bielfranzösisch. «Peux-tu bastlé le Flugzüg avec moi?» Oder: «On va rutsché sur le Rutschbahn, Mami?»; «Le Schluuch, il a lösché le feu.» Unser Sohn zeigt mir souverän, dass Wortklauberei gar nicht nötig ist. Wenn ihn dann einsprachige Grosseltern konsterniert anschauen, weil er den «Schoppe de lait chaud» bei ihnen bestellt … dann schwenkt er in einem Bruchteil einer Sekunde sofort in die korrekte, vollständige Sprache um. Er zeigt ihnen den Weg zum Schrank, wo sich der «biberon» befindet. Und fragt dann manchmal: «Warum können nicht alle deutsch und französisch?» Ja, warum eigentlich nicht?

Info: Sabine Kronenberg ist Historikerin und 
Ausbildnerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Biel.

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