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Velotour

Zwischenwohnen 
bei Freunden und Fremden

Fünfmal umziehen, die steife Brise, eine komische Haustürverwechslung und nervige Warterei: Pit und Bea Thalhammers Frühling verlief nicht ideal. Aber nun, frisch geimpft, darf das Paar aus Safnern endlich wieder losradeln.

Endlich geht es wieder los: Bea und Pit Thalhammer packen für ihr nächstes Abenteuer und müssen noch zünftig trainieren, um ihre alte Kondition wieder zu erreichen.
 Bild: zvg
  • Dossier

Pit Thalhammer

 

Impfen in Luzern geht fix

Wie soll da Reisevorfreude aufkommen, wenn ständig auf unseren Tourplänen herumgetrampelt wird? Natürlich ist uns klar, wir «jammern» auf hohem Niveau. Aber wie so oft im Leben kommen Probleme erst beim näheren Hinschauen, respektive Planen, zum Vorschein.

Im Besonderen ist das bei uns beim Wohnen der Fall – seit dem Herbst 2012 haben wir keinen eigenen Haus- oder Wohnungsschlüssel mehr. Das fehlende Schneckenhaus war bisher kein Problem. Für einige Monate überliessen uns jeweils unsere grosszügigen Velofreunde in der Innerschweiz ihre Wohnung. In den vergangenen Jahren dreimal, ohne dass wir sie persönlich gekannt hätten.

Letzten Herbst dann – wir entdecken zu jener Zeit das Burgund – die befürchtete Planänderung: Unseren Vermietern wird das USA-Visum pandemiebedingt nicht verlängert. Rückreise in die Schweiz, Eigenbedarf hat Vorrang. In weiser Voraussicht haben wir die Wohnung bereits im Sommer geputzt; wir ziehen mit Sack und Pack und Velos ins Seeland, wollen bald losfahren. Fehlanzeige. Die Franzosen müssen bis auf Weiteres nachts zu Hause bleiben, zu Hotels und Zeltplätzen haben ausländische Touristen coronabedingt keinen Zugang. Rien ne marche plus. Wie bereits letzten Sommer sitzen wir erneut in der Warteschlaufe.

Nach fünf Monaten heisst es im Seeländer Zuckerstedtli erneut Schlüssel abgeben, abermals umziehen. Diesmal einen Monat ins frühlingshafte, sonnige Tessin. Sonnig meist ja, wirklich warm ist es am Lago Maggiore nie. Trotzdem geniessen wir tolle Wanderungen und die kulinarischen Köstlichkeiten der Südschweiz. Aber der eigentliche Hit ist, dass wir kurzfristig Impftermine in Luzern bekommen! Die Fahrt mit dem Zug in die Innerschweiz beeindruckt, landschaftlich wie auch im Portemonnaie. Beim Bahnfahren ohne Halbtaxabo kann man was erleben, da bleibt schon mal die Luft weg.

Die Luzerner weisen Impftermine zu. Kein zeitaufwendiges, nerviges Zusammenkramen von Terminen im Internet wie in anderen Kantonen. Das Spritzen geht fix, ist super organisiert. Dass ich auf dem ausgedruckten Impfnachweis «weiblich/female» werde, ist in Zeiten der Diskussionen um das dritte Geschlecht Nebensache. Hauptsache geimpft. Das Reisen wird für uns wesentlich einfacher werden, egal ob männlichen oder weiblichen Geschlechts.

 

Habe ich noch alle Tassen im Schrank?

Zurück im Seeland. Kaum eine Änderung an der Coronafront, was das Reisen angeht. Das Glück bleibt uns trotzdem auf den Fersen. Wir dürfen bei einer lieben Freundin und angefressenen Tourenfahrerin unterschlüpfen. Angedacht für ein paar Nächte, werden aus Tagen dank ihrer Grosszügigkeit zwei Wochen. Puuh, sind wir froh!

Die ewige Warterei vernebelt mir offenbar den Kopf. Ich verwechsle gleich am ersten Tag die Haustüre und stehe unvermittelt beim Nachbarn in der Wohnstube. Grosse Augen beim Hausherrn auf dem Canapé, mir wird gleichzeitig kalt und heiss. Mit Schweissperlen auf der Stirn bringe ich nicht mehr als ein gestottertes «Oh, Entschuldigung!» heraus, bin schneller aus der Wohnung raus als drin. Habe ich noch alle Tassen im Schrank?

Fünfmal sind wir in vierzehn Monaten umgezogen. Langsam wird die Luft dünn, nervende Diskussionen über Nichtigkeiten häufen sich. Wir sitzen uns zu nah auf der Pelle, möchten endlich reisen, dürfen aber nicht. Der Alltag, den wir im Herbst 2012 
so gerne zurückliessen, holt uns wieder ein. Wir wollen, wir müssen bald losfahren können!

 

Tagestouren für Weicheier

Einige Velo-Tagestouren bei Kühlschranktemperaturen und kräftiger Bise, zu mehr hatte es in den Frühlingswochen tatsächlich nicht gereicht. Bea kann den langen, in ihren Augen langweiligen Geraden im Grossen Moos wenig abgewinnen. Sowieso bläst der Wind ständig ins Gesicht. Da pedale ich besser zehn Meter voraus. Ich muss nicht immer alles verstehen, was von hinten kommt ...

Das Velofahren ist uns keinesfalls verleidet, aber vielleicht sind wir das geworden, was man Weicheier nennt. Wen wunderts, dass sich die Kondition verabschiedet hat. Kälte und Nässe mag niemand, schon gar nicht beim Pedalen. Die Wanderschuhe waren uns in den April- und Maiwochen jedenfalls näher als der Velosattel.

Bea wird von ihrem aufmerksamen Social-Media-Kanal regelmässig erinnert, wo wir vor vier, fünf, sechs Jahren unterwegs waren. Als ob wir die Highlights je vergessen würden!

Welch grosses Glück, dass wir etliche Länder vor Jahren länger bereisen durften, die zur Zeit wegen der Pandemie oder aus politischen Gründen ihre Grenzbäume geschlossen halten. Erinnerungen an grandiose Natur, an fröhliche, hilfsbereite Menschen, an Zeltnächte unter weitem Sternenhimmel und anstrengende Touren auf über 4000 Metern über Meer kommen beim Betrachten der Bilder hoch. Kolumbien, Peru, Ekuador, Myanmar, Ukraine – das Schicksal der Menschen geht unter die Haut. Wir, die wir in einem der sichersten, reichsten und demokratischsten Ländern der Welt gross geworden sind, dürfen weiterreisen.

Ab und zu erreichen uns Anfragen zu Themen rund ums Veloreisen, die wir gerne beantworten. Mit Empfehlungen ist das aber so eine Sache. Jeder Reisende hat seine eigenen Präferenzen und Vorlieben. Findet der eine, nur Stahlvelos mit Riemenantrieb seien reisetauglich, schwört die andere auf Aluvelos mit Nabenschaltung. Ob Zelt, Schlafsack, Saggoschen, Kochutensilien, Navigation und so weiter: Es gibt sie nicht, die ideale Reiseausrüstung. Darum können wir nur über unsere Erfahrungen Auskunft geben.

Genauso ist das Budget zum Reisen sehr individuell gross oder bescheiden. Je nach Kontinent und Land, wie oft in Hotels, im Zelt oder privat übernachtet wird, wird das Portemonnaie sehr unterschiedlich erleichtert. Eine Empfehlung geben wir: Einfach mal packen und eine Wochenend-Velotour geniessen. Die Erfahrung lohnt sich auf alle Fälle. Viel Spass!

Wir sind wieder unterwegs!

Info: Seit 2012 radeln die gebürtigen Safnerer Bea und Pit Thalhammer durch die Welt.

Stichwörter: Fernweh, Zwischenwohnen

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