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Lockerungen

Berset wirft das Partyleben wieder an

Discos, Erotikbetriebe, Demos, Fussballspiele: Am 8. Juni sollen viel mehr Verbote gelockert werden als bisher geplant. Sogar die Abstandsregel wird noch vor den Sommerferien überprüft.

In Weiss: Hochzeiten mit bis zu 300 Personen sollen bald wieder möglich sein. Bild: Keystone

Fabian Fellmann

Schon zum zweiten Mal schlägt Innenminister Alain Berset bei der Coronaöffnung ein forscheres Tempo an als geplant. Zahlreiche Verbote sollen am 8. Juni fallen oder aufgeweicht werden. Angekündigt war, dass eine ganze Reihe von Freizeiteinrichtungen wie Theater, Kinos, Zoos, Bergbahnen und Campings den Betrieb wieder aufnehmen dürfen und das Versammlungsverbot gelockert wird. Auch fängt an Berufs-, Mittel- und Hochschulen wieder der Präsenzunterricht an.

Nun ist durchgesickert, dass Berset dem Bundesrat heute zahlreiche weitere Lockerungen unterbreitet. Bereits der Öffnungsschritt vom 11. Mai war deutlich grösser ausgefallen als zunächst geplant, weshalb Epidemiologen einen Anstieg der Infektionszahlen befürchteten. Eingetreten ist das Gegenteil: Seit fast einem Monat werden weniger als 100 Personen pro Tag positiv getestet, seit Tagen ist die Zahl sogar nur noch im tiefen zweistelligen Bereich.

Anlässe bis 1000 Personen

Nun will Berset ab dem 8. Juni wieder Versammlungen und Demonstrationen mit bis zu 30 Personen zulassen, ebenso grössere Anlässe wie Hochzeiten mit bis zu 300 Personen, sofern die Gäste registriert werden. Zugelassen werden sollen auch sämtliche Veranstaltungen wie Konzerte oder Fussballspiele mit bis zu 300 Besuchern, wenn diese stehen, und mit bis zu 1000 Personen, wenn diese sitzen. Voraussetzungen sind, dass die Abstandsregel von zwei Metern eingehalten wird und ein Schutzkonzept existiert. Ebenso müssen die Veranstalter die Besucher registrieren, damit diese im Nachhinein kontaktiert werden können. Das soll verhindern, dass sich das neuartige Coronavirus ein zweites Mal unbeobachtet explosionsartig verbreiten kann.

Gastrobetriebe sollen profitieren, indem die bisherige Beschränkung auf vier Gäste pro Tisch fällt. Ebenso dürften sie wieder Livemusik und Unterhaltung wie Dart anbieten. Auch das Nachtleben will Kulturminister Berset wieder in Gang setzen, zumindest bis zur Polizeistunde um Mitternacht: Diskotheken sollen bis 300 Personen einlassen dürfen, wenn sich diese registrieren. Erotikbetriebe können ebenfalls wieder Freier empfangen, sofern diese ihre Kontaktangaben hinterlassen.

Der Bundesrat dürfte kaum opponieren; eine noch schnellere Öffnung, wie sie einige Departemente wünschen, scheint nicht mehrheitsfähig. Dabei hilft, dass bereits die nächsten Schritte in Aussicht gestellt werden: Am 6. Juli, noch vor den Sommerferien, könnte die Distanzregel gelockert werden, etwa im öffentlichen Verkehr. Dann wären je nach epidemiologischer Lage auch Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen wieder möglich, die bisher frühestens ab September vorgesehen waren.

Forderung der Kantone

All diese alltagsrelevanten Entscheide will Berset mit einem symbolisch wichtigen begleiten: Die ausserordentliche Lage gemäss Epidemiegesetz soll Mitte Juni nach drei Monaten enden, und es soll wieder die besondere Lage gelten. Darüber hat gestern zuerst der «Blick» berichtet. Der Bundesrat würde damit seinen Willen bekräftigen, aus dem Notrechtsregime auszusteigen, und er erfüllte eine Forderung der Kantone. Mit Basel-Landschaft hat gestern der erste Kanton beschlossen, seine Notlage per Ende Mai auslaufen zu lassen.

Die praktischen Folgen der besonderen Lage sind jedoch begrenzt: Der Bundesrat ist wieder verpflichtet, die Kantone anzuhören, verfügt aber weiterhin über weitreichende Kompetenzen. Auch die befristeten Notrechtsmassnahmen bleiben gültig. Für jene, die länger als sechs Monate dauern sollen, will Berset am 19. Juni ein dringliches Bundesgesetz vorschlagen.

Einfacherer Zugang zu Tests

Bersets Pläne stehen im Einklang mit den jüngsten Empfehlungen der Covid-Taskforce, die demnächst veröffentlicht werden. Aufrechterhalten sollen die Behörden demnach nur jene Massnahmen, die keine hohen Kosten verursachen, namentlich das Social Distancing, die Hygiene sowie das Tragen von Gesichtsmasken. Kostspielige Eingriffe wie die generelle Schliessung von Geschäften seien hingegen zu vermeiden, fordern die Wissenschaftler. Stattdessen seien Massnahmen stärker auf regionale Verhältnisse zuzuschneiden. Das sei indes nur möglich, wenn die Ansteckungszahlen tief bleiben. Dafür sollen Bund und Kantone den Zugang zu Tests vereinfachen, um Infizierte schnell erkennen und Infektionsketten unterbrechen zu können. Die Forscher empfehlen überdies dringend den Einsatz der Corona-App sowie eine Überwachung der Virusverbreitung mit regelmässigen Tests etwa in Schulen oder bei Gesundheits- und Servicepersonal.

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