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Kinderspital

Die wahre Geschichte der Märchenfeen

Seit 13 Jahren er- zählen professionelle Erzähle- rinnen den Patienten der Kin- derklinik am Inselspital Mär- chen, Sagen und Geschichten. Das beliebte ProJuventute-Projekt wird neu wöchentlich durchgeführt.

Für kurze Zeit die Sorgen vergessen: Die Märchenfeen besuchen die Kinder im Spital und erzählen ihnen Geschichten, Märchen und Sagen. Bild: Alex Niklaus/zvg

L. Bauer Sonja

Für die gesunden Kinder ist es wohl nur ein gewöhnlicher Don- nerstag im Dezember. Vielleicht hängen ihre Gedanken am ver- gangenen Schultag oder an den kommenden Festtagen. Für die Kinder und Jugendlichen in der Kinderklinik am Inselspital Bern ist jeder Donnerstag speziell. Denn wenn sich – jedenfalls im Winter – die Dämmerung an die grossen Spitalfenster schmiegt, kommen die Märchenfeen. Sie erzählen ihnen, je nach Alter, Märchen, Sagen, Schwänke, Ge- schichten. Dann können Krank- heit, Kummer und Schmerzen für kurze Zeit vergessen werden.

Märchen als Wegzeichen . . .
Am vergangen Donnerstag sind alle drei professionellen Ge- schichtenfrauen, Inge von der Crone, Lydia Holt-Rauh und Bea- trice Bieri-Zenger vor Ort. Nor- malerweise sind jede Woche zwei Erzählerinnen in Aktion. Was bisher höchstens dreimal im Mo- nat möglich war, findet nun wö- chentlich statt. «Wenn ein Teenager kein Märchen hören will, können wir auch gern mit ihm philosophieren», schmunzelt Ly- dia Holt-Rauh und erzählt vom 18-Jährigen, der sie in ein tiefes Gespräch verwickelt hat.

. . . im Labyrinth des Lebens
Während Beatrice Bieri-Zenger mitten im Raum stehend einer Schar jugendlicher Patientinnen mit Körper und Sprache ein packendes Märchen erzählt und ihr alle, samt Müttern, zuhören, drückt Inge von der Crone ein Stockwerk höher leise die Klinke zu einem Zimmer herunter. Im Raum ist es still. Dem Jungen gehts nicht gut. Also, hier vorerst keine Geschichte. Auf dem Gang toben zwei kleine Mädchen. Ob sie ein Märchen erzählt bekommen wollen? «Ou ja!» Beide sind begeistert und hüpfen ins Zim- mer. Doch kaum will die Ge- schichtenfrau ein Märchen aus ihrem Repertoire von über 150 Geschichten der Welt-VolksLiteratur zaubern, kommt eine Pflegefachfrau herein. Bedau- ernd vertröstet sie die Mädchen auf später. «Unsere Arbeit braucht Zeit. Manchmal sind wir ein paar Stunden hier», sagt Inge von der Crone. «So lange, bis alle, die wollen, ihre Geschichte hörten.» Manchmal erzählen die Frauen nur für ein Kind allein, manchmal für eine ganze Grup- pe. «Es gab schon Patienten, die haben ihre Freunde eingeladen, weil sie wussten, dass wir kommen.»

Im Jahr 2000 gründete Inge von der Crone mit der Kollegin Silvia Warmbrodt das von der Pro Juventute initiierte Projekt.

Dass sie professionell sind und bezahlt werden, ist der Spitaldi- rektion und den Frauen wichtig. «Das Personal kennt und vertraut uns.» Die Erzählerinnen bekommen vom Personal vertrauliche Listen, womit sie sich in Bezug auf Kind, Krankheit und Zimmer orientieren können. «Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Märchen individuell an- zupassen.»

Begehrte Abwechslung
Auf der Onkologie trifft Beatrice Bieri auf den 14-jährigen Remo. Nein, er wolle keine Geschichte, sagt er höflich, aber bestimmt. «Auch das gibts», sagt Beatrice Bieri. «Manche schämen sich zu Beginn ein bisschen.» Dagegen gebe es jedoch Tricks. Oft wendeten sie sich einfach anderen zu. «Wir merken dann sofort, dass es hinter uns plötzlich still wird.»

Ob Fingervers für den ganz Kleinen – der zwar entlassen wird, aber nicht heimgehen will, bevor Lydia Holt-Rauh da war – oder zur Lebenssituation passendes Märchen für das liebliche Mädchen mit Anorexie, die Frauen entführen die Patienten in eine Welt aus Freude und Mut. «Die Geschichten können helfen, den Heilungsprozess zu fördern und das Vertrauen der Kinder in sich selbst zu stärken», sagt Inge von der Crone. «Der gefahrvolle Weg geht einem Ende entgegen, das gut ist, wie es ist – auch wenn es manchmal traurig ist. Unsere Arbeit ist beglückend.»

Link: www.projuventute-bern.ch

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