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Landwirtschaft

Ein Horrorjahr für Berner Obstbauern

Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen: Bei vielen Früchten gibt es heuer teils massive Ernteausfälle. Berner Produzenten hat es besonders hart getroffen.

Er hat 70 Prozent weniger Ernte als üblich: Obstbauer Fabian Grunder auf seiner Apfelbaumanlage in Zäziwil. Bild: Franziska Rothenbühler

Christoph Albrecht

«Dort!» Fabian Grunder läuft eine Baumreihe entlang, steuert drei rote Punkte inmitten eines grünen Blättermeeres an. «Dort hats ein paar.» Drei lose Äpfel, Sorte Rubinette. Sie sehen aus, als wären sie bei der Ernte übersehen worden.

Doch die Ernte hat noch gar nicht stattgefunden. Die Handvoll Äpfel hie und da ist schlicht alles, was Grunders Bäume heuer hergeben. Es sind 5 Prozent von dem, was in einem durchschnittlichen Jahr anfällt. Bei anderen Sorten, etwa beim Braeburn, sei es «ein bisschen besser». Doch auch dort: weit unter dem Normalen.

Die Birnen, die der 26-Jährige auf den total fünf Fussballfelder grossen Obstplantagen in Zäziwil ebenfalls anbaut, konnten die miserable Saison auch nicht retten. Eben erst habe er alle abgeerntet – ohne dass er wie in normalen Jahren Hilfskräfte hätte aufbieten müssen. «Ist relativ schnell gegangen», hält er trocken fest. Unter dem Strich beklagt er beim Kernobst einen Ernteausfall von 70 Prozent.

«Enormes Pech»

Fabian Grunder hat es dieses Jahr hart getroffen. Doch er wird nicht der einzige Produzent mit mehr als halb leeren Harassen sein. «Im Bernbiet haben wir enormes Pech», sagt Ueli Steffen, Geschäftsführer beim Verband Berner Früchte. Während schweizweit eine ähnlich gute Apfelernte wie im Vorjahr erwartet wird, fällt sie im Kanton Bern äusserst mager aus. «Hier gibts insgesamt nicht einmal die Hälfte der normalen Erträge.»

Schuld am Frust im Herbst ist der Frost im Frühling. Im April schlug er zu, während zweier Wochen fast in jeder Nacht. Viele Bäume glaubten zu dem Zeitpunkt, den Winter bereits hinter sich zu haben. Im ungewöhnlich warmen März hatten sie schon erste Blüten und Knospen gebildet. Diese erfroren wegen der Kälteeinbrüche fast allesamt. Ein Grossteil der Früchte konnte so gar nicht erst wachsen.

Es ist bereits die vierte Saison in den letzten fünf Jahren, in welcher der Frost im Kanton Bern zum Spielverderber wird. Nach den besonders verheerenden Frostnächten 2017 habe man von einem Ausnahmeereignis gesprochen, wie es alle 30 Jahre vorkomme, sagt Ueli Steffen. «Dieses Jahr ist es aber genauso schlimm.»

Tatsächlich gibt es heuer praktisch keine Kultur, die gut herausgekommen ist. Als katastrophal wird das Jahr 2021 für die Zwetschgen in die Geschichte eingehen. Landesweit werden gerade einmal 40 Prozent einer normalen Ernte erwartet, im Bernbiet sind es lediglich 30 Prozent.

Noch am besten kamen die Kirschen weg mit gegen 60 Prozent der Durchschnittserträge, auch bei Produzent Fabian Grunder aus Zäziwil. Allerdings nur, weil er seine im Verhältnis zum Gesamtbetrieb eher kleine Kirschbaumplantage im April mit Frostkerzen ausgerüstet hatte und so einen Teil der Früchte vor dem Erfrieren retten konnte.

Der Aufwand war allerdings enorm. Um die Bodentemperatur in einer Anlage um ein einziges Grad zu erwärmen, sind auf einer Fläche von einer Hektare in der Regel rund 100 Kerzen nötig. Fabian Grunder zündete in total sieben Frostnächten 350 Kerzen an. Die Rettungsmassnahme kostete ihn ungefähr 4000 Franken. «Mit dem Verkauf der wenigen Kirschen werde ich die Mehrkosten knapp decken können.» Für Fabian Grunder, der den Familienbetrieb erst vor zwei Jahren übernommen hat, bedeutet das schlechte Jahr fehlende Einnahmen von mehreren Zehntausend Franken. Von den Detailhändlern, die er mit seiner spärlichen Ware beliefert, wird er nicht mehr Geld verlangen können als sonst. Dafür erhöht er bei den Früchten, die er ab Hof verkauft, die Preise leicht. Das wird den Schaden aber nur marginal begrenzen. «Dieses Jahr werden wir die Reserven anzapfen müssen.»

Auf Nebenjobs angewiesen

Nicht alle Obstbauern können auf Erspartes zurückgreifen. Gerade für solche, die erst vor kurzem noch investiert hätten, bedeuteten die teils massiven Ernteausfälle eine existenzielle Bedrohung, sagt Ueli Steffen vom Verband Berner Früchte. «Es gibt Betriebsleiter, die nun Nebenjobs nachgehen müssen.» Viele Produzenten müssten dieses Jahr zudem vollständig auf Erntehelfer verzichten.

Weil sich die Frostnächte in den vergangenen Jahren derart häuften, finde im Obstanbau derzeit ein Umdenken statt. «Immer mehr Landwirte überlegen sich Massnahmen, um ihre Kulturen in Zukunft besser zu schützen.» Stark am Kommen sei die sogenannte Frostschutzberegnung. Dabei werden die Obstbäume durchgehend mit Wasser besprüht. Beim Gefrierprozess wird Wärme freigesetzt, welche die Blüten vor Frostschäden bewahrt. Die Kosten solcher Beregnungsanlagen sind jedoch hoch, die Technik gilt zudem als anspruchsvoll.

Regen liess Erdbeeren faulen

So gnadenlos der Frost im Frühling war, so anhaltend war im Sommer der Regen. Hat er eigentlich keine Schäden angerichtet? Doch, sagt Ueli Steffen. «Speziell bei den Erdbeeren hat die Nässe zu grossen Ausfällen geführt.» Wobei es bei den Beeren eine Kombination aus diversen Wetterkapriolen war. Zunächst führte der Frost teilweise zu Deformationen, dann wurde es im Juni kurzzeitig extrem heiss. Und als die Erdbeeren zur Ernte bereitstanden, kamen die lang anhaltenden Regenfälle, mancherorts sogar die Überschwemmungen. «Ein grosser Teil konnte nicht geerntet werden und wurde Opfer der Fäulnis und der Schnecken.»

 

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Mehr Importe nötig

Zwetschgen aus Deutschland, Aprikosen aus Spanien, Heidelbeeren aus Polen – die durchzogene Schweizer Obsternte spiegelt sich auch in den Regalen der Grossverteiler. «Insbesondere bei den Beeren waren mehr Importe als sonst nötig», sagt Andrea Bauer, Sprecherin der Migros Aare. Zu Engpässen sei es aber nicht gekommen. Dank verschiedener Lieferanten und Produzenten sowie mit den erwähnten Importen habe man knappe Bestände gut überbrücken können. Trotz der unterdurchschnittlich ausgefallenen Obsternte spricht die Migros Aare nicht von höheren Preisen.

Allerdings musste der orange Riese auf einige geplante Aktionen bei Beeren, Aprikosen und Zwetschgen verzichten, weil schlicht zu wenig Ware vorhanden war. «Letztes Jahr forderte uns Covid, dieses Jahr spielt das Wetter nicht mit», so Bauer. Diese Herausforderungen gelte es als Detailhändlerin aber zu meistern. cha

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