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Kinderimpfung

«Es hat nicht wehgetan»

Ab sofort können im Kanton Bern auch Kinder gegen Corona geimpft werden. Der achtjährige Simon hat die Prozedur hinter sich gebracht und sie gar nicht schlimm gefunden.

Im Impfzentrum im Inselspital ist es am Samstag losgegangen mit den Covid-Impfungen für Kinder. Der achtjährige Simon hatte keine Angst vor dem Piks. Bild: Res Hubacher

Cornelia Leuenberger

An der Friedbühlstrasse in der Stadt Bern sind am Samstag auffallend viele Erwachsene mit Kindern unterwegs. Nicht wenige der Knaben und Mädchen haben ein Stofftier dabei, manche tragen einen kleinen Rucksack. Die Szenerie erinnert sehr an den Schulbeginn nach langen Ferien.

Doch hier, zwischen Spital und Bremgartenfriedhof, ist kein Schulhaus, sondern der Eingang zum Impfzentrum des Inselspitals. Im Kanton Bern können ab sofort auch Kinder gegen Corona geimpft werden.

 

Simon sagt zweimal Nein

Kurz nach 10 Uhr kommt Simon mit seiner Mutter um die Ecke. Wir dürfen sie ins Impfzentrum begleiten. Ihren Namen möchte die Mama nicht in der Zeitung lesen; der Knabe gibt aber klar zu verstehen, dass er keinen «Decknamen» haben will. Das Nein auf eine entsprechende Frage ist klar.

Ebenso klar ist seine Antwort auf die Frage, ob er denn Angst habe: «Nein, habe ich nicht», sagt der Zweitklässler. «Es ist schliesslich nicht die erste Impfung, die ich erhalte.» Also dann, Maske auf und los.

Die Rampe zum Impfzentrum ist steil. Oben tritt man in ein gut geheiztes Zelt. Am Ende des langen Gangs winken zwei Frauen, man solle doch bitte nähertreten. Links und rechts verwehren blau eingefasste Stellwände die Sicht. Dahinter ist fröhliches Geplauder zu hören.

Bei den Frauen angekommen, wird jede Person gebeten, sich auf zwei am Boden aufgeklebte Füsse zu stellen. Ein Gerät misst auf Entfernung die Temperatur. Menschen mit Fieber sind hier nicht erwünscht. Alles in Ordnung, es geht durch einen weiteren, diesmal kurzen Gang, dann rechts um die Ecke, und das Ziel ist erreicht.

Aus einer der Impfboxen tritt Kinderarzt Stefan Roth. Er wird Simon impfen. Doch noch ist es nicht so weit. Zuerst geht der Mann vor dem Kind in die Hocke und begrüsst es. Dann fragt er nach den New York Rangers. Das Emblem des Eishockeyclubs ziert Mütze und Pullover des Knaben. Die beiden unterhalten sich über die Sportart. Und über YB. Die seien auch in Ordnung, sagt ­­Simon, aber Eishockey interessiere ihn mehr.

Rasch ist das Eis gebrochen. Ohne Scheu redet Simon mit dem Arzt, der ihn jetzt bittet, auf dem Stuhl in der Box Platz zu nehmen. Die Frage seiner Mutter, ob sie ihm die Hand halten solle, verneint der Achtjährige prompt. «Ich kann das allein.»

Der Arzt desinfiziert Simons linken Oberarm, erklärt ihm, was er macht, setzt derweil die Spritze an – und schon ist die Impfung verabreicht. Es geht so schnell, dass der Fotograf um eine Wiederholung bittet – natürlich nur gespielt. Simon macht auch das nichts aus, geduldig bleibt er sitzen, bis das Bild gemacht ist.

Wahrscheinlich sind nicht alle Kinder so ruhig und cool wie Simon. Was dann? «Es ist wichtig, dass das Personal vor Ort im Umgang mit Kindern geschult ist», sagt Stefan Roth. Darum würden die Impfzentren mit Kinderärztinnen und -ärzten sowie weiteren Fachleuten zusammenarbeiten. Auch die Eltern hätten natürlich eine tragende Rolle: «Sie können ablenken und­Sicherheit geben.»

Ganz wichtig, so der Arzt, sei Ehrlichkeit. Die Aussage «es tut nicht weh» sei fehl am Platz. «Eine Impfung kann wehtun.» Bei Simon ist das glücklicherweise nicht der Fall. Er habe gar nichts gespürt, gibt er nach der Prozedur zu Protokoll. Diese Erfahrung ist bestimmt hilfreich, wenn er in vier Wochen zur zweiten Impfung antreten muss.

 

«Tom und Jerry» als Bonus

Der Arzt klärt die Mutter noch darüber auf, dass Schmerzen oder eine Schwellung an der Einstichstelle auftreten könnten, auch leichtes Fieber sei möglich. Sie nimmt die Information interessiert, aber gelassen entgegen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass sie mit ihrem Sohn zu einer Impfung geht.

Noch kann Simon das Impfzentrum nicht verlassen. Erst heisst es, eine Viertelstunde im Ruheraum Platz nehmen. Hier stehen bequeme Stühle in Zweier-, Dreier- oder Vierergruppen, natürlich in gebührendem Abstand zueinander. Auf einer grossen Leinwand laufen «Tom und Jerry»-Trickfilme. Die Abenteuer von Kater und Maus entlocken den kleinen Zuschauerinnen und Zuschauern immer wieder ein Lachen.

 

Bald ohne Quarantäne

Während Simon zuschaut, erklärt seine Mutter, warum sie den Buben impfen lässt: «Ganz einfach, ich will, dass er möglichst gut geschützt ist.» Sie habe ihn auch gegen andere Krankheiten impfen lassen.

Ein weiterer Grund in der momentanen Situation sei die Möglichkeit, dass er als Geimpfter von der Quarantänepflicht an der Schule ausgenommen sei. «Ein Freund meines Sohnes war in letzter Zeit dreimal in Quarantäne. Wenn ich Simon – und uns Eltern – das ersparen kann, tue ich es gern.»

Und dann gibt es, zum ersten Mal, seit Simon und seine Mutter das Impfzentrum betreten haben, Tränen. Nicht bei dem Knaben und auch nicht wegen der drohenden Spritze. Ein kleines Mädchen möchte partout nicht heim. Viel lieber würde sie weiter «Tom und Jerry» gucken.

 

Erst 500, später 1000

6200 Anmeldungen für Kinderimpfungen sind bisher eingegangen, wie die Berner Gesundheitsdirektion am Freitag vermeldete. Insgesamt kann der Kanton mit der ersten Zuteilung des angepassten Impfstoffs von Pfizer/
Biontech 28 000 Impfungen durchführen.

Im Impfzentrum des Inselspitals Bern sind momentan 500 Termine pro Tag freigeschaltet, später sollen es bis zu 1000 werden. Die Fachleute vor Ort beginnen bewusst vorsichtig: «Wir sammeln erste Erfahrungen», schreibt Stefan Roth auf Anfrage, «an den folgenden Kinderimpftagen werden wir die Anzahl Termine dann anpassen.» Roth ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Co-Präsident des Vereins Berner Haus- und KinderärztInnen. we

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