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Gastgewerbe

«Ich sagte, er solle das Zelt einfach aufstellen»

Bei Donnerstags-Demos bleiben Berns Beizen leer. Der neue Wirtepräsident Tobias Burkhalter über Bürokratie, verbohrte Massnahmengegner und frustrierte Beizer.

Gastro-Präsident Tobias Burkhalter, Bild: Raphael Moser

Interview: Markus Dütschler und Claudia Salzmann

Tobias Burkhalter, kürzlich hörten wir an einem Demonstrations-Donnerstag, wie ein Kellner gegenüber einem Gast seiner Wut auf die Teilnehmer der unbewilligten Kundgebung Ausdruck gab, weil er weniger Umsatz macht. Ist das die allgemeine Stimmung beim Berner Gastgewerbe?

Tobias Burkhalter: Ja. Viele unserer Verbandsmitglieder sind hässig. Und sie sagen, dass auch die Gäste allmählich "stinkig" seien, wenn das jeden Donnerstagabend stattfinde.

 

Lassen sich die Umsatzverluste beziffern?

Die Gastronomie ist leider nicht so zahlenaffin wie der Detailhandel. Ich gehe von einem Rückgang von 20 Prozent aus, den wir an Donnerstagen erleiden.

 

Die Kundgebungen finden sehr lokal statt, weshalb gibt es dennoch grosse Auswirkungen?

Die Menschen trauen sich dann kaum mehr in die Stadt. Gruppen mit Reservierungen annullieren oder wollen am Mittwoch kommen. Büroleute verzichten auf einen Apéro und eilen nach Hause, weil ihr Heimweg wegen Störungen beim ÖV ohnehin lange dauert.

 

Ausserhalb des Zentrums könnten doch die Trams fahren.

Das meinte ich auch. Doch inzwischen habe ich erfahren, dass Bernmobil den Strom abstellen muss, sobald ein Wasserwerfer zum Einsatz kommt. Dann ist der ganze Abschnitt lahmgelegt.

 

Jetzt wollen Sie mit einer Kampagne die Gäste zu einem Besuch in der Innenstadt ermuntern. Was ist Ihre Botschaft?

«Haltig zeige. Lieber in Bärn: ou wenn am Donnschti demonstriert wird. Mir hei offe. Chömet verbi, mir fröie üs uf öich.» Diese Botschaft ist auf den Werbebildschirmen im ÖV aufgeschaltet.

 

Das tönt freundlich und harmlos. Warum nicht zupackender?

Zuerst wollten wir jenes mutmassliche Drittel der Demonstrierenden ansprechen, das weder auf Krawall aus noch zugedröhnt ist, sondern eine Meinung vertreten will. Wir vermuteten, dass diese Leute an sich KMU-freundlich eingestellt sind und vielleicht gar nicht merken, wie sehr sie dem Gewerbe schaden.

 

Weshalb haben Sie es anders gemacht?

Ich musste feststellen, dass es sehr schwierig ist, an diese Leute heranzukommen. Bei einer Kundgebung unter dem Baldachin sprach ich zwei Personen an. Als ich ihnen versicherte, dass ich kein Journalist sei, waren sie bereit, mir zuzuhören.

 

Haben Sie ihnen das Leid der Wirte geklagt?

Ja, ich habe ihnen gesagt, dass jede Kundgebung den Gewerbetreibenden schadet. Sie entgegneten, ich solle doch sämtliche Wirte für die Demo mobilisieren, so liesse sich noch machtvoller gegen die Diktatur protestieren. Da merkte ich, dass es keinen Sinn hat.

 

Wie stehen Sie zu den Massnahmen?

Genau darüber wollen wir nicht reden. Man kann eine Sache gut oder schlecht finden, es darf auch Demonstrationen geben, denn als Bundesstadt sind wir die Demo-Hauptstadt. Es ist einfach eine Frage des Masses. Und wenn die Sache unbewilligt abläuft, ist es noch schwieriger.

 

Neu sind Sie nicht mehr oberster Wirt in der Stadt Bern, sondern auch im Kanton. Wie blicken Sie in die nahe Zukunft, sprich in den Winter?

Die Bestuhlung draussen muss bleiben, damit Wirte diese Plätze an milden Tagen nutzen können. Draussen darf man auch Gäste bedienen, die kein 3-G-Zertifikat haben.

 

Wenn es kalt ist, kommt man unweigerlich aufs Thema Heizstrahler – ein politisches Minenfeld.

In Bern ist es das zweifellos. Man hat uns die Heizstrahler verboten, angeblich aus ökologischen Gründen. Dennoch werden sie aufgestellt. Es ist nämlich unseres Erachtens überhaupt nicht klar, dass die Stadt sie auf privatem Grund verbieten darf.

 

Die Geräte gelten als Energiefresser, was in einer rot-grün dominierten Stadt nicht akzeptiert wird.

Wir sehen im Ausland, so etwa in Dänemark und Deutschland, wie solche Geräte breit eingesetzt werden. Moderne Heizgeräte funktionieren viel effizienter.

 

Könnte man nicht einfach Heizkissen auf die Stühle legen?

Das reicht nicht. Zudem müssen deren Akkus lange aufgeladen werden. Früher war es schon chic, wenn auf dem Stuhl ein Fell lag. Heute gibt es auch Decken. Abgesehen davon sind 
Heizkissen eine sehr teure Anschaffung.

 

Die Einführung der Zertifikatskontrolle war anfänglich umstritten. Wie sehen Sie das Vorweisen dieser 3-G-Bescheinigung jetzt?

Das hat sich gut entwickelt. Es ist angenehm, wenn die Gäste Platz nehmen dürfen, und dann wird das Menü gebracht und das Zertifikat eingescannt. Das läuft sehr unaufgeregt ab.

 

Das Gastgewerbe gilt als überreglementiert. Wer als Inspektor genau hinschaut, findet immer Gründe zum Intervenieren.

Das ist so. Leider kommt es vor, dass die Behörde sich um einen Entscheid drückt, etwa ob ein Zelt aufgestellt werden darf. Ich weiss von einem seriösen Wirtekollegen, der Bewilligungen stets penibel einholt. Als er mich etwas entnervt fragte, wie er mit seinem Zelt verfahren solle, riet ich ihm, er solle es einfach aufstellen und schauen, was passiert.

Ein Bereich mit Grauzonen ist auch die Pop-up-Szene. Im vergangenen Gastrosommer lief nicht überall alles einwandfrei.

Es gibt tatsächlich schwarze Schafe. So bewilligte die Behörde beispielsweise 40 Plätze, aber auf doppelter Fläche, um die Abstände einzuhalten. Der Wirt hat dann auf diesem vergrösserten Raum einfach die Anzahl Sitzplätze verdoppelt. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn das bei Kontrollen beanstandet wird und alles wieder strenger reglementiert wird.

 

Die Pop-up-Betriebe gehören nicht zu Ihren Lieblingen. Weshalb?

Das kann man so nicht sagen. Im Sommer habe ich viele schöne Pop-up-Angebote gesehen, oft betrieben von der lokalen Gastronomie und in guter Qualität.

 

Man hat als Beobachter den Eindruck, dass bei diesen Spezialangeboten ein gewisser Wildwuchs herrscht.

Die Tarife für die Nutzung des öffentlichen Raums sind oft undurchsichtig. Wir würden uns wünschen, dass es einfache, klare Regeln gibt. Wenn es zu viele individuelle Absprachen gibt, wirkt das intransparent und erzeugt Ärger in der Branche.

 

Welche Wünsche haben Sie mit Blick auf den kommenden Winter?

Volle Läden, volle Restaurants, friedliche Stimmung, Weihnachtsbeleuchtung, keine Demonstrationen und Polizeikräfte, die am Donnerstagabend einmal frei haben und nicht von hasserfüllten Leuten mit Flaschen beworfen werden. Kurz: Ich wünsche mir wieder mehr «Kitsch».

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