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Finanzausgleich

Kanton hofft doch noch auf mehr Geld

Weil eine Firma vor drei Jahren zwei Milliarden Gewinn machte, erhält der Kanton Bern massiv weniger Geld 
aus dem Finanzausgleich. Der Bund vermutet, dass Steuererleichterungen im Spiel sind, der Kanton dementiert.

Bild: zvg

Marius Aschwanden

Es sind anstrengende Tage für die Spezialisten der kantonalen Finanzdirektion. Nicht nur müssen sie eine Lösung für die prognostizierten Defizite in der Höhe von mehreren Hundert Millionen Franken wegen der Coronakrise finden. Sie müssen sich auch mit den neusten Berechnungen auseinandersetzen, die dem nationalen Finanzausgleich zugrunde liegen. Denn auch dort geht es um viel Geld, das der Kanton ab 2021 verlieren dürfte.

Konkret nimmt Bern im kommenden Jahr voraussichtlich mit 888 Millionen Franken rund 213 Millionen weniger aus dem Finanzausgleich ein als noch 2020. Das jedenfalls sehen die Zahlen der eidgenössischen Finanzverwaltung vor, die letzte Woche veröffentlicht wurden. Momentan läuft das Vernehmlassungsverfahren bei den Kantonen, Ende Jahr wird der Bundesrat die definitiven Zahlen bekannt geben.

Der Grund für die Mindereinnahmen im Kanton Bern ist, dass sich dieser wirtschaftlich gesehen eigentlich verbessert hat. Das sogenannte Ressourcenpotenzial – also die steuerlich ausschöpfbare Leistungsfähigkeit – hat deutlich zugenommen. Und aufgrund dessen wird der Finanzausgleich berechnet. Entsprechend sagte Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) vor einer Woche auch, Bern sei auf einem guten Weg – auch wenn dies weniger Einnahmen durch das Ausgleichssystem bedeutet.

Zwei Milliarden Gewinn

Nur: Über die Hälfte der 213 Millionen Franken geht auf einen «Einmaleffekt» zurück, der gar nichts mit der Entwicklung des Kantons zu tun hat. Vielmehr ist dafür eine einzige Firma verantwortlich, wie der «Bund» berichtete. «Aufgrund eines einmaligen Gewinns einer internationalen Firmengruppe als Folge einer Restrukturierung sind im Bemessungsjahr 2017 die Gewinne der juristischen Personen ausserordentlich stark angestiegen», sagt Lukas Röthenmund, stellvertretender Generalsekretär der Finanzdirektion. Konkret geht es um einen Gewinn in der Höhe von zwei Milliarden Franken.

Die Folge: Da die Gewinne der Firmen neben dem Einkommen und dem Vermögen der Privatpersonen die Grundlage für die Bemessung des Ressourcenpotenzials darstellen, sanken die Ausgleichszahlungen allein aufgrund dieser einen Firma um 130 Millionen Franken. Um welches Unternehmen es sich handelt, will der Kanton mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht sagen. Nur so viel: «Die Firma erhält weder einen Steuererlass noch eine Steuerreduktion.»

Entsprechend könnte man annehmen, dass wenigstens die Einnahmen des Kantons bei den Gewinnsteuern im Jahr 2017 angestiegen sind. Doch dem ist nicht so. Röthenmund sagt, dass sich das ausserordentliche Ergebnis der Firma bisher nicht in der Kantonsrechnung niedergeschlagen habe. Sprich: Mehr Steuereinnahmen gab es deswegen nicht.

Wie kann das sein?

Mehrere Kantone

Die Finanzdirektion begründet die Situation damit, dass der Gewinn «zu einem überwiegenden Teil in anderen Kantonen steuerpflichtig ist und besteuert wird», so Röthenmund. Eine solche Steuerausscheidung kommt immer dann zum Zuge, wenn ein Unternehmen Standorte in mindestens zwei Kantonen besitzt. Der Sitzkanton, im vorliegenden Fall Bern, ist für die Veranlagung der Bundessteuer zuständig.

Die von der Firma ausgefüllte Steuererklärung enthält aber die Gewinnanteile beider Kantone. Diese verfügen anschliessend die Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuern separat. Die Bundessteuer wiederum wird vom Sitzkanton verfügt.

So weit, so gut

Aber: Trotz einer solchen Aufteilung werde der gesamte steuerbare Gewinn dem Ressourcenpotenzial des Sitzkantons angerechnet. Hier also die zwei Milliarden Franken. Dies ist gemäss Röthenmund im Regelwerk zum Finanzausgleich so festgehalten. Es gibt allerdings auch einen Ausgleichsmechanismus für solche Fälle. Dieser greife jedoch erst zeitlich verzögert und im vorliegenden Fall nicht vollständig. Ob es sich dabei um einen Systemfehler handelt, kann er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Momentan rechne der Kanton jedenfalls damit, dass er dereinst rund 30 Millionen Franken wieder zurückerhalten werde.

Unter dem Strich würden so immer noch 100 Millionen Franken übrig bleiben, welche der Kanton verliert. Und: Bei diesem Einmaleffekt handelt es sich in Tat und Wahrheit um einen Dreimaleffekt. Für die Berechnungen der Ausgleichszahlungen sind jeweils drei Jahre massgebend. Deshalb wird Bern auch 2022 und 2023 aufgrund dieser einen Firma weniger Geld erhalten.

Hoffen auf Korrektur

Noch aber gibt der Kanton die Hoffnung nicht auf. «Wir werden die Zahlen sorgfältig analysieren», sagt Röthenmund. Mitte August werde der Regierungsrat seine Stellungnahme zuhanden der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz verabschieden.

Dass es möglicherweise noch zu einer Änderung der Berechnungsgrundlagen kommt, ist für Röthenmund nicht ausgeschlossen. «In der Vergangenheit mussten immer wieder Fehler korrigiert werden», sagt er – und verweist etwa auf einen Fall, der den Kanton St. Gallen betraf. 2008 erhöhte sich dort aufgrund von falschen Daten ungerechtfertigterweise der Ressourcenindex, worauf der Kanton St. Gallen 87 Millionen Franken zu wenig aus dem Ausgleich erhielt.

Bund hat eine Vermutung

Beim Bund winkt man im aktuellen Fall aber bereits ab. «Das System funktioniert, es liegt kein Fehler vor», sagt Philipp Rohr, Mediensprecher der eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV). Vielmehr geht er davon aus, dass eben doch Steuererleichterungen im Spiel sein könnten. Diesen Schluss würden die Zahlen nahelegen, welche der Bund vom Kanton als Berechnungsgrundlage erhalten habe. Denn obschon die Gewinne der juristischen Personen im Jahr 2017 auch wegen der einen Firma um insgesamt drei Milliarden Franken angestiegen sind, gab es keine massgebende Veränderung bei der direkten Bundessteuer, die der Kanton abgeliefert hat.

«Unabhängig davon, ob das Unternehmen einen Teil des Gewinns in anderen Kantonen erzielt hat, müssten wir mehr Geld aus Bern erhalten haben, wenn die Firma ordentlich besteuert wurde», sagt Mediensprecher Rohr. Der Finanzausgleich ist gemäss ihm bewusst so ausgestaltet, dass er übertriebenen Steuersenkungen entgegenwirkt.

Ist dies also die Erklärung für den massiven Rückgang der Ausgleichszahlungen?

Röthenmund von der kantonalen Finanzdirektion dementiert jedoch nach wie vor. «Nein, es handelt sich nicht um eine Steuererleichterung», sagt er. Weitere Angaben will er allerdings nicht machen. «Den Erkenntnissen aus den laufenden Analysearbeiten können wir nicht einfach vorgreifen.» Insofern seien auch Spekulationen rund um den Sondereffekt derzeit müssig.

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