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Moutier

Rechtsstreit geht in die nächste Runde

Der Gemeinderat von Moutier wehrt sich gegen die Ungültigerklärung des Urnengangs. Er zieht den erstinstanzlichen Entscheid der Statthalterin weiter.

Symbolbild: Keystone
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Marius Aschwanden/svb

Nun also doch: Noch vor einer Woche waren sich die Separatisten in Moutier nicht schlüssig darüber, ob sie die erstinstanzliche Annullierung der Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit von 2017 tatsächlich weiterziehen sollen.

Gestern jedoch teilte der Gemeinderat mit, gegen den Entscheid der bernjurassischen Statthalterin definitiv beim Verwaltungsgericht Beschwerde zu erheben. Die Ungültigkeitserklärung sei zu verwerfen und der 2017 beschlossene Wechsel Moutiers zum Kanton Jura gutzuheissen, verlangen die Behörden.


«Einseitiges Plädoyer»
Der separatistische Stadtpräsident Marcel Winistoerfer (CVP) begründet den Schritt damit, dass eine Mehrheit der Bevölkerung schlicht nicht verstanden hätte, wenn der Gemeinderat keine Beschwerde eingereicht hätte. «Den Entscheid der Mehrheit zugunsten des Jura kann man nicht einfach mit einem derart einseitigen Plädoyer der Regierungsstatthalterin vom Tisch wischen», sagt er. Diese wirft den Gemeindebehörden unter anderem eine unzulässige Einmischung in den Abstimmungskampf vor. Zudem ist die Rede von Abstimmungstourismus, fiktiven Wohnsitzen und schwerwiegenden Mängeln bei der Organisation der Abstimmung vom 18. Juni 2017.


Wille zur schnellen Lösung
Dass die Gemeinde mit ihrem Weiterzug nun ein lang andauerndes Gerichtsverfahren in Kauf nehme, sei sekundär, so Winistoerfer. Hauptsache, der erstinstanzliche Entscheid werde korrigiert, gibt er sich optimistisch. Um einen jahrelangen Rechtsstreit zu vermeiden, wurde innerhalb des separatistischen Lagers letzte Woche aber auch darüber diskutiert, gänzlich auf eine Beschwerde zu verzichten und stattdessen auf eine möglichst rasche Wiederholung der Abstimmung zu drängen. Mit dem Weiterzug ans Gericht werde diese Türe nicht zugeschlagen, glaubt Winistoerfer. «Wir werden weiterhin versuchen, beim Kanton eine schnellere Lösung zu verlangen.» Sollte es tatsächlich noch zu einer solchen kommen, könne ein Rekurs auch zurückgezogen werden.

Beim bernischen Verwaltungsgericht will man nun als Erstes die Beschwerdefrist von 30 Tagen verstreichen lassen. Es gibt denn auch bereits Anzeichen, dass auch Privatpersonen Rekurs einreichen wollen. Sollte das so sein, werde man versuchen, die Verfahren zu vereinen. Gemäss der zuständigen Abteilung ist ein Entscheid frühestens im kommenden Sommer zu erwarten. Sollten weitere Beweismassnahmen notwendig sein, werde es wohl eher Ende Jahr. Der Fall Moutier werde zwar prioritär behandelt. Es sei aber keineswegs das einzig wichtige Verfahren, heisst es beim Verwaltungsgericht.


Ein weiteres Jahr
Bei einem allfälligen Weiterzug ans Bundesgericht würde vermutlich ein weiteres Jahr verstreichen. Das zeigen zwei vergleichbare Fälle aus den Kantonen Waadt und Neuenburg. Dort dauerte es von der Gemeindeabstimmung bis zum Urteil des höchsten Schweizer Gerichts je rund zwei Jahre. Insbesondere der Fall aus der Waadt zeigt zudem, wie das Bundesgericht die Einmischung von Gemeindebehörden in einen Abstimmungskampf bewertet. Deshalb verweist die bernjurassische Statthalterin in ihrem Entscheid auch auf dieses Urteil.

Konkret ging es darum, dass die die Waadtländer Goldküstengemeinde Tolochenaz am Genfersee am 27. November 2016 zwei Vorlagen für eine neue Luxussiedlung mit einem knappen Mehr von sieben beziehungsweise 21 Stimmen angenommen hatte. Verschiedene Bürger legten jedoch Beschwerde ein, weil im Abstimmungsbüchlein die Argumente für und wider die Überbauung unausgewogen seien und der Gemeinderat und das Pro-Komitee faktisch zusammenspannten. Im März 2017 lehnte der Waadtländer Regierungsrat die Beschwerden ab, kurz darauf auch das Waadtländer Kantonsgericht. Die Beschwerdeführer zogen jedoch weiter ans Bundesgericht, das ihnen Anfang Juni 2018 recht gab und die Abstimmung wegen unsauberer Einmischung der Gemeindebehörden annullierte.

Für  Winistoerfer ist dieses Urteil kein Grund zur Beunruhigung. «Bei uns ist es eine komplett andere Situation. Wir diskutieren seit 50 Jahren über die Kantonszugehörigkeit. Das gilt es zu berücksichtigen», sagt er. Zudem habe er im Abstimmungskampf lediglich Falschaussagen der Berner Behörden korrigiert.


Strassburg bleibt Option
Sollte das Bundesgericht den Annulationsentscheid trotzdem bestätigen, schliesst Winistoerfer auch den Gang an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht aus, sofern das möglich wäre. Dann jedoch dürfte es tatsächlich noch viele Jahre dauern, bis die Abstimmung wiederholt werden könnte. Denn es gibt Fälle aus der Schweiz, bei welchen auch nach fünf Jahren noch kein Urteil aus Strassburg vorliegt.

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