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Gesprächsangebot

Sie helfen Einsamen durch die Festzeit

Eve Bino und Sylviane Darbellay fangen mit «malreden» Leute mit Gesprächsbedarf auf. Über Weihnachten war ihre Unterstützung besonders gefragt.

Bei Sylviane Darbellay (links) und Eve Bino finden Seniorinnen und Senioren ein offenes Ohr. Bild: Franziska Rothenbühler

Mathias Streit

Weihnachten bedeutet für viele, Zeit mit der Familie zu verbringen. Doch nicht alle haben diese Möglichkeit. Insbesondere ältere Menschen ohne Familie trifft die Einsamkeit über die Festtage hart. Ein schweizweites Angebot mit Berner Wurzeln will genau hier Abhilfe schaffen.

«Wir sind ein Plaudertelefon», fasst Eve Bino ihr Angebot in wenigen Worten zusammen. Gemeinsam mit Sylviane Darbellay hat Eve Bino diesen Frühling das Projekt «malreden» lanciert. Es richtet sich an ältere Menschen mit Gesprächsbedarf und ist kostenlos. Wer etwas besprechen oder loswerden möchte, kann einfach die gleichnamige Hotline anrufen. «Ganz niederschwellig», sagt Eve Bino. Die Telefone sind täglich besetzt, über Weihnachten wurden die Zeiten ausgedehnt.

 

Schon über 1000 Anrufe

Doppelt so viele Gespräche wie sonst registrierte das Anrufprotokoll während den letzten Tagen. Das sei einerseits ein Erfolg, sagt Bino, weil die Hotline mehr genutzt worden sei als bisher. «Wir hätten uns aber noch etwas mehr erhofft, unsere Kapazitäten sind noch nicht ausgeschöpft.» Dennoch gibt es auch Anrufende, die nicht durchkommen: Verpasste Anrufe sind bei einer Leitung nicht zu verhindern. Auch ausserhalb der Geschäftszeiten jeweils vormittags wird die Nummer angerufen. Daher wollen Bino und Darbellay im Frühling einen Testlauf wagen und ihren Dienst für Ältere auch am Vormittag anbieten.

Ausgangspunkt für das Projekt war Eve Binos Arbeit als Physiotherapeutin: «Für einige Patientinnen und Patienten war ich der einzige soziale Kontakt am Tag.» Also recherchierte sie zum Thema Einsamkeit im Alter und stiess auf «Silbernetz», ein Gesprächsangebot für einsame Seniorinnen und Senioren in Deutschland. Gemeinsam mit ihrer Nachbarin Sylviane Darbellay fasste sie den Beschluss, das Angebot in die Schweiz zu bringen. Seit der Lancierung von «malreden» im April wurden über 1000 Gespräche über die Hotline geführt. Um was es in den Gesprächen geht, ist dabei einzig von den Anrufenden abhängig. «Einmal rief uns eine Frau an und erzählte, dass sie eben auf einem wunderschönen Spaziergang gewesen sei», erinnert sich Eve Bino.

Oftmals berichten die Anrufenden aber auch von weniger Erfreulichem. Zum Beispiel, dass sie keinen Kontakt mehr mit ihrer Familie hätten. Oder sie nutzen die Möglichkeit, wenn sie Frust ablassen wollen. «Alles ist möglich», so Bino. Für grössere Probleme ist «malreden» aber die falsche Adresse. «Unsere Mitarbeitenden wurden von Fachleuten geschult, wir sind aber kein Notfalltelefon», sagt Bino.

 

Angebot soll wachsen

Wer hingegen auf der Suche nach einem offenen Ohr ist, wird bei «malreden» fündig. Damit beide Seiten offen sprechen können, erfolgen sämtliche Anrufe anonym. Auch die Nummer der anrufenden Person bleibt verdeckt. Entsprechend wenig kann Bino zu den Anrufenden sagen. «Einige rufen uns täglich an, andere nur, wenn Besonderes passiert ist oder sie etwas stark beschäftigt.»

Damit niemand die Leitung blockiert, sind die Anrufe auf rund 20 Minuten begrenzt. Mehr Zeit bleibt in den Tandems, hier dauert ein Gespräch rund eine Stunde. Das Tandem-Angebot bietet älteren Menschen die Möglichkeit, sich wöchentlich mit derselben Person auszutauschen. Trotzdem bleiben die Grundregeln dieselben: Auch Tandem-Gespräche sind anonym und kostenlos. «Letzteres ist wichtig, weil Armut oft ein Grund für Einsamkeit im Alter ist», so Bino.

Aktuell arbeiten 33 Personen im «malreden»-Team. «Von der Studentin bis zum Pensionär ist alles dabei», sagt Bino. Weil sich so viele Leute für die Stellen meldeten, mussten Eve Bino und Sylviane Darbellay auch Leute ablehnen. Das erstaunt, immerhin arbeiten alle freiwillig und ohne Lohn. Ab Frühjahr 2022 soll das Angebot auch ausserhalb der Weihnachtszeit von morgens früh bis am Abend betrieben werden.

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Das Angebot «malreden»

Unter der Gratisnummer 0800 890 890 sind schweizweit täglich von 14 bis 20 Uhr deutschsprachige Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner erreichbar. «Ob Plaudern, Erzählen oder intensives Diskutieren – alles hat Platz», heisst es auf der Website.

«malreden» ist ein Projekt des gemeinnützigen Vereins Silbernetz Schweiz und richtet sich explizit an Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Das Projekt wird unter anderem durch Spenden und Beiträge von Einzelpersonen und Unternehmen finanziert. mas

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