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Bäckereien

Zusammenschliessen oder verschwinden

Im Kanton Bern expandieren Bäckereiketten vermehrt auch in den ländlichen Raum. Haben damit die klassischen Dorfbäckereien ausgedient?

Renato Sahli hat mit der Dorfbeck AG die Bäckerei Zwahlen Schwarzenburg übernommen. Bild: Raphael Moser

Benjamin Lauener

Die Jägerbäckerei in Oberscherli hat turbulente Jahre hinter sich. 2018 wusste Geschäftsführer Renato Sahli, dass es so nicht weitergehen konnte. Der Betrieb war weder Fisch noch Vogel, halb Bäckerei, halb Lebensmittelgeschäft. Die Optionen waren klar: entweder den Betrieb verkleinern und sich spezialisieren oder expandieren.

Sahli entschied sich für Letzteres. Mittlerweile heisst das ­Unternehmen nicht mehr Jägerbäckerei, sondern Dorfbeck AG. Und seit dem 1. Januar gehören neben den drei Standorten in der Gemeinde Köniz zwei Filialen in Schwarzenburg dazu – jene der ehemaligen Bäckerei Zwahlen. Damit bestätigt Sahli einen Trend, der wohl unaufhaltsam ist.

 

1000 Betriebe weniger

Immer mehr kleine Dorfbäcke­reien schliessen sich zusammen oder werden geschluckt. So lässt sich jedenfalls der Branchenspiegel des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbands (SBC) interpretieren. Die Zahlen sind eindeutig: Die Mitgliederzahl des Verbandes nahm seit 2005 stetig ab – 2019 gab es schweizweit 1000 Bäckerbetriebe weniger.

Und doch gibt es 200 Filialen mehr als 2005. Die verbleibenden rund 1400 Bäckereien-Confiserien betreiben also im Durchschnitt mehr Standorte als früher. Ein weiteres Indiz für diesen Trend kann aus der rechtlichen Organisation der Bäckereien abgelesen werden. Mittlerweile ist knapp die Hälfte der Betriebe als AG oder GmbH organisiert; Mitte der ­Zehnerjahre dominierten noch die Einzelfirmen. Was in der Stadt Bern mit Reinhard oder Eichenberger bereits länger gang und gäbe ist, setzt sich nun auch in der Peripherie immer mehr durch.

Kann man also behaupten, kleine Bäckereien liefen generell nicht mehr so gut? «Nein, das kann man nicht verallgemeinern», sagt SBC-Vizedirektorin Claudia Vernocchi. Sie nennt in diesem Zusammenhang verschiedene erfolgreiche Geschäfte, die nur einen Standort betreiben.

Ein Betrieb, der so geschäftet, ist die Bäckerei Muralt in Ostermundigen. Das Unternehmen hat sich bewusst gegen mehrere Filialen entschieden. Für Geschäftsführerin Irene Muralt und ihren Mann Christian sei es ein strategischer Entscheid gewesen, den sie schon vor 25 Jahren gefällt hätten.

So sieht Muralt vor allem Vorteile in ihrem Geschäftsmodell. Viele Standorte würden nämlich nicht unbedingt bedeuten, dass das Geschäft dann auch besser laufe. Im Gegenteil: «Die Gefahr nimmt zu, den Überblick zu verlieren, und auch der zusätzliche Personal- und Logistikaufwand ist nicht zu unterschätzen.»

Genau in die andere Richtung zieht die Bäckerei Felber. Die Kette mit Hauptsitz in Langenthal betreibt zwölf Standorte im Norden des Kantons Bern sowie im Aargau und in Solothurn und beschäftigt 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieses Expansionsmodell verfolgt Felber seit 33 Jahren; vor drei Jahren wurde die letzte Filiale eröffnet.

Inhaber Pius Riechsteiner ist überzeugt, dass es in der heutigen Branche zwei Möglichkeiten gibt: «Entweder konzentriert man sich auf ein Geschäft und punktet mit dem Handwerk, oder man expandiert und betreibt mehr als zehn Filialen.» Ihm ist aber wichtig, zu betonen, dass die Bäckerei Felber trotz der Grösse nach wie vor ein Handwerksbetrieb sei, der Lehrlinge ausbilde.

Zurück zum Modell Grossbäckerei: Kritisch sei es vor allem vor 20 Jahren gewesen, als Felber sechs Bäckereien geführt habe. «Da muss zum Beispiel gut überlegt sein, ob die Anschaffung einer Maschine rentiert oder nicht.» Das ist mittlerweile Schnee von gestern. Sämtliche Produkte werden in Langenthal produziert und an die verschiedenen Standorte und an Grosskunden verteilt. Das Führen einer Grossbäckerei bringe im Vergleich zu einem Einzelunternehmen vor allem logistischen Mehraufwand.

 

Der Sprung in die Moderne

Einer, der sich ebenfalls intensiv mit der Branche beschäftigt, ist Markus Künzli. Er ist Direktor der SBC Treuhand AG, die schweizweit rund 600 Bäckereien und Confiserien betreut – so auch die Dorfbeck AG. Künzli ist überzeugt, dass Kleinstbäckereien heute am besten auf einige wenige spe­zielle, dafür sehr gute Produkte setzen. Er nennt etwa das Modebrot aus Sauerteig. «Das 08/15-Brot wird nicht überleben, da es heute kaum mehr Absatz findet und ein eher schlechtes Aufwand-­Ertrag-Verhältnis aufweist.»

Genau deswegen, sagt Künzli, hätten einige Bäckereien den Sprung in die Moderne verpasst: weil sie zu lange am Althergebrachten festgehalten hätten. Auch er beobachtet den Trend zu immer grösseren Betrieben. Zudem habe die Covid-Pandemie dazu geführt, dass mehr Bäckereien von der Organisation einer Einzelfirma zu einer AG oder einer GmbH wechselten, damit sie besser abgesichert seien.

In Schwarzenburg bleibt vorderhand noch einiges beim Alten. Zum Beispiel wird weiterhin in der Bäckerei im Dorf gebacken. Doch in nicht allzu ferner Zukunft dürfte sich das ändern. In rund einem Jahr sollen die Filialen in Schwarzenburg und Riffenmatt von der neu geplanten Backstube in Oberscherli beliefert werden. Im Moment bedeute das zwar einen Mehraufwand, ­erklärt Renato Sahli, aber auf lange Frist sei es weniger aufwendig, da es einfacher sei, Logistikerinnen als Bäcker zu finden.

Die Wachstumsphase soll damit noch nicht abgeschlossen sein. Die konkreten Pläne seien aber noch nicht spruchreif. Doch Sahli ist überzeugt: «Je mehr wir produzieren, desto besser geht es uns. Als Einzelbäckerei würde es uns schon gar nicht mehr geben.»

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