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Jahreszeiten

Sie haben im Sommer bereits Winter

Wer glaubt, dass Samichlous, Fonduerestaurant, Ski- oder Tannenbaumgeschäft im Sommer Pause machen, der irrt sich. Auch für sie gibt es im Sommer einiges zu tun
– dafür in einem etwas gemächlicheren Tempo, wie die sechs Porträts zeigen.

Beatrice und Markus Bucher beim Etikettieren auf der Tannenbaumplantage. Bild: Beat Mathys

Samichlousemantel hängt in der Reinigung
Bei dieser Hitze trägt auch der Samichlous kurze Hosen und Sandalen, weil sein roter Mantel in der chemischen Reinigung ist. Und weil dieser auch viel zu warm wäre. Der weisse Bart ist kurz, dafür der Schnauz lang, aber die Begrüssung ist herzlich: «I bi dr Samichlous. Diir chöit mi duze», sagt er und zeigt den Eselsstall neben dem Waldhüsli.

Plötzlich klingelt sein Handy. «Oh, das ist der Schmutzli. Salü!», sagt er und lauscht den Worten seines Kumpans. Dieser teilt ihm mit, dass soeben vier Kindergartenklassen einen Samichlous mit Schmutzli reserviert hätten. Natürlich nicht für jetzt, sondern für die kommende Saison: «Die dauert bei uns vom ersten Advent an 14 Tage», sagt der Samichlous.

Zwei Wochen lang empfängt der Samichlous jeden Tag und jeden Abend Kinder und Eltern im Waldhüsli. Oder er besucht sie zu Hause, je nachdem sogar im Ausland. Mit oder ohne Esel – was sich natürlich auf den Preis auswirkt. «Denn eines unserer Samichlousezunft-Mitglieder macht in diesen 14 Tagen nichts anderes, als den Esel zu transportieren.»

Der Dezember ist noch weit weg. Was macht denn ein Samichlous im Sommer? Pause? Natürlich macht der Mann auch Ferien. Aber nur kurz. «Im Sommer trainiert unser jeweiliger Esel. Er muss lernen, Treppen zu bewältigen und ruhig zu bleiben, wenn ihn Kinder streicheln.» Zudem organisiert die Samichlousezunft, zu welcher der richtige Chlous gehört, im August immer ein Bräteln für junge Erwachsene mit Behinderungen.

Im Sommer besuchen die Chlöis und Schmutzli auch Vorträge, etwa über Demenz oder Seelsorge. «Denn wir gehen ja auch zu alten und kranken Menschen», erklärt der Samichlous, der in diesen Tagen das Waldhüsli in Schuss hält, das die Zunft seit zwölf Jahren mietet. Drinnen im Stübli hängen Nuggi an einer Schnur, auf einem Sims stehen Schoppenflaschen, und Kinderzeichnungen dekorieren die Wände.

«Das sind alles Geschenke von Kindern», erklärt der Samichlous, der sich in seinem früheren Leben viel mit Kindern befasst hat. «Das kommt mir heute zugute», sagt er und betont: «Jetzt bin ich pensioniert und habe Zeit, Samichlous zu sein. Aber natürlich kann ich nicht selber alle Kinder besuchen. Deshalb habe ich auch Kollegen.»

Jeder sei ein richtiger Samichlous, und keiner will auf der Strasse erkannt werden. Deshalb lässt dieser hier nur seinen Schatten fotografieren. Laura Fehlmann

Jetzt ist nur der Schatten vom Samichlous zu sehen. DIe Puppe (rechts) ist das Geschenk eines Kindes. Bild: Beat Mathys

 

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Fondue und Raclette gehen immer
Immer häufiger werden im Sommer auch Wintergerichte wie Raclette oder Fondue genossen. Im Restaurant Arlequin in Bern stehen das ganze Jahr über Fonduevariationen auf der Karte. Das auf Fondue spezialisierte Lokal bestätigt, dass Fondue auch im Sommer gerne gegessen wird.

Seit acht Jahren wird das Restaurant von der Familie Gözükara bewirtet. Sie macht es möglich, dass auch im T-Shirt und in Shorts ein Käsefondue auf der Terrasse genossen werden kann. Mittags ab 13 Uhr beginnt der grosse Ansturm. Vor allem Touristen mögen Fondue, und zwar zu jeder Jahreszeit. Aber laut der Mitinhaberin, Makbule Gözükara, kriegen auch Einheimische immer mehr Lust, das Käsegericht im Sommer zu essen. Die Familie Gözükara lässt sich von diesem Trend ebenfalls beeinflussen. Für sie hat sich das Fondue zum Allwettergericht entwickelt. Auf die Frage, was sie von Fondue im Sommer hält, antwortet Frau Gözükara: «Warum nicht?»

Im Detailhandel verkauft sich Fondue bei sommerlichen Temperaturen weniger gut. Die Migros Aare bestätigt aber, dass beim Raclettekäse ein Anstieg der Verkaufszahlen verzeichnet wurde. Die Schweizer Bevölkerung steht auch im Sommer auf geschmolzenen Käse. Besonders im Trend ist Grillkäse, welcher eine gute Alternative zu Fleisch bietet.

Man kann somit sagen, dass für Schweizer Raclette das beliebtere Sommergericht ist als Fondue. Und mal ehrlich: Was passt besser zum Nationalfeiertag der Schweiz als ein leckeres Raclette auf der Terrasse? Marco Spycher

Käsefondue ist auch im August ein Genuss. Bild: Franziska Rothenbühler

 

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Weihnachtsbäume werden ausgemessen
Die Bauernfamilie Bucher aus Meikirch besitzt neben ihrem Hof eine Tannenbaumplantage. Auf 1,5 Hektaren stehen rund 12'000 Bäume, die auch im Sommer für Arbeit sorgen. Denn ein Weihnachtsbaum wird nicht einfach im Winter gepflanzt und im nächsten Jahr verkauft. Bis er reif für den Verkauf ist, dauert es laut Markus Bucher fünf bis zwölf Jahre, je nach Tannenart. Die Pflege ist mit grossem Aufwand verbunden. Rund 80 Prozent der Tannen zählen zu den Nordmannarten. Diese benötigen mehr Pflege. Sie müssen häufiger geschnitten werden als beispielsweise eine Fichte.

Im Sommer widmet das Ehepaar den Bäumen viel Zeit. Dabei achten sie im Frühsommer besonders auf die Form und schneiden diese zu, wenn der Baum zu breit wird. Im Juli kriegt er den Feinschnitt, der die definitive Form des Baumes bestimmt. Bereits Anfang August treffen die ersten Bestellungen von Wiederverkäufern ein wie beispielsweise der Landi oder Gartencentern in der Umgebung. Momentan werden alle Bäume nach Grösse etikettiert und gezählt, damit im September die Zahlen verglichen werden können.

Trotz der Hitze freuen sich die Besitzer des Bucherhofs jedes Jahr auf Weihnachten, und sie geniessen es, die Zeit auf dem Feld der Tannen zu verbringen. Markus Bucher sieht dem Verkauf jedoch immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu. Er baut mit den Bäumen über die Jahre eine Art Beziehung auf, es reut ihn manchmal, diese abzusägen. Marco Spycher

Beatrice und Markus Bucher beim Etikettieren auf der Tannenbaumplantage. Bild: Beat Mathys

 

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Bei ihm ist das ganze Jahr Skisaison
Wer bei über 30 Grad Hitze im Schaufenster von Rudaz Sport im freiburgischen Schmitten eine Reihe bunter Ski entdeckt, mag vorerst den Kopf schütteln. Oder an eine Fata Morgana denken, um dann festzustellen: Das ist kein Zufall. Mancher denkt: Warum soll man seine Ski nicht im Sommer kaufen statt die neue, teure Winterkollektion? Ein Blick auf die Preisschildchen zeigt, dass da Schnäppchen feilgeboten werden, aber nichts, was veraltet oder gar überholt wäre. Alte Ski entsorgt Patrick Rudaz regelmässig. «Ich verkaufe nur neue und letztjährige Modelle», betont der Geschäftsinhaber.

Bis vor vier Jahren hat Rudaz die Ski im Frühling jeweils in den Keller geräumt und im Herbst wieder hervorgeholt. «Irgendeinmal liess ich sie einfach stehen. Im Keller sieht sie ja niemand», sagt er und lacht. Seine Faulheit sollte ihm recht geben. Den ganzen Sommer über kommt immer wieder jemand ins Geschäft, der beim Vorbeifahren oder -gehen die Ski gesehen hat und ein Paar kauft. «Den grossen Umsatz mache ich nicht, aber auch im Sommer tröpfelt immer wieder jemand herein, der sich für Ski interessiert.»

Rudaz bedient eine Nische, die für den Einmannbetrieb lukrativer ist, als die Ski im Keller zu lassen. Denn bekanntlich kostet auch das Lagern von Ware Geld. Rudaz Sport setzt auf zwei Sportarten. Nebst Ski ist das der Fussball. Er betreut Fussballclubs, verkauft ihnen Gesamtpakete wie Tenüs und Schuhe. Dazu gestaltet er Flyer für die Clubs und lässt sie drucken. «Ich mache das, was ich allein stemmen kann», sagt der 50-Jährige, der nicht nur Ski verkauft, sondern auch selber gerne über die Pisten kurvt.

Patrick Rudaz steht im heissen Laden. Die Ski im Schaufenster sorgen für Schatten. «Für mich liegen höchstens zehn Tage Familienferien drin», sagt er. Danach beginnt schon wieder die Fussball- und kurz darauf die Skisaison. Letztere hört bei Rudaz Sport auch im Sommer nie ganz auf. Laura Fehlmann

Mit kurzen Hosen und Flipflops posiert Patrick Rudaz hinter dem Schaufenster mit Ski. Die sind bei ihm auch im Sommer gefragt. Bild: Raphael Moser

 

 

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Die Weihnachtsboutique
«Engel & so» lautet der Untertitel des Geschäfts Holzart, das seit mehr als 15 Jahren existiert. Ein Frauentrio führt den Laden an der Berner Münstergasse seit nunmehr zwei Jahren: Regula Moser, Veronika Jenni und Jasmin Brönnimann. Moser war früher Kundin des Geschäfts mit Kunsthandwerk aus dem deutschen Erzgebirge und hat es übernommen, als der frühere Besitzer in Rente ging. Sie erzählt, dass im 19. Jahrhundert die Bergwerke im Erzgebirge stillgelegt wurden. Weil die dortigen Menschen eine neue Einnahmequelle suchten, verlegten sie sich auf die Holzwaren- und Spielzeugproduktion.

«Wir haben hier das ganze Jahr Weihnachten», sagt Regula Moser und erzählt, dass das Thema Weihnachten das ganze Jahr auf Interesse stosse. Gerade auch bei zahlreichen Touristen, die in den Sommermonaten aus allen Teilen der Welt in die Berner Altstadt kommen und in Shoppinglaune sind.

Bei Holzart finden Weihnachtsfans eine riesige Auswahl an Holzfiguren aus dem Erzgebirge: Engel, Krippenfiguren, Samichläuse, Lichtbogen als Fensterschmuck, Weihnachtsbäume aller Art und die traditionsreichen Weihnachtspyramiden, die sich mit der Wärme von brennenden Kerzen drehen – alles kunsthandwerkliche Kleinode, handgefertigt und bemalt.

Allerdings beschränkt sich das Geschäft nicht nur auf Weihnachten. Holzfiguren aus dem Erzgebirge gibts auch zum Thema Ostern. Laura Fehlmann

Regula Moser und Veronika Jenni in ihrem Laden. Bild: Franziska Rothenbühler

 

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Training ohne Schnee
Für Wintersportler gibt es im Sommer keine Pause. Die 17-jährige Alissa Müller absolvierte in der vergangenen Woche mit dem Kader des Nationalen Leistungszentrums Mitte von Swiss-Ski eine Trainingswoche in Engelberg. Dort will sie sich auf die kommende Saison vorbereiten. Diese Woche diente dazu, den konditionellen Bereich zu verbessern. Für die Köchin in Ausbildung ist das Training im Sommer allgemein viel intensiver. Dies liegt vor allem daran, dass sie jede Woche acht bis zwölf Stunden nur die Kondition trainiert. Im Winter gibt es mehr Abwechslung mit Trainingsläufen am Berg, wobei das konditionelle Training weniger umfangreich ist.

Ein sommerlicher Höhepunkt ist das Abholen sowie Präparieren der neuen Ski für die ersten Schneetrainings. Zudem werden die neuen Skischuhe genau an den Fuss angepasst. Somit kann sie sich auch im Sommer nie richtig von den Ski lösen.

Trotz der Vorfreude auf den Winter sagt sie mit einem Lächeln: «Im Moment geniesse ich den warmen Sommer». Lange kann sie diesen jedoch nicht mehr geniessen, da sie schon Ende August wieder im Schnee trainieren wird. Das erste Rennen geht für sie Mitte November über die Bühne. Ziele setzt sich die Mühlethurnerin nicht. Sie will stets das Bestmögliche aus sich rausholen und die Freude am Sport bewahren. Damit sie den Anschluss an die Spitze nicht verliert, darf sie auch im Sommer keine Pause einlegen. Marco Spycher

Alissa Müller bei ihrem Sommertraining in Mühlethurnen. Bild: zvg

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