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Wandern

Auf der Suche nach dem Weg

In der Weissenstein-Kette gibt es eine Erhebung mit dem lustigen Namen Dilitschchopf. Wer den 1330 Meter hohen Berg erklimmen will, muss aber sowohl auf Wegweiser als auch auf ausgetretene Pfade verzichten.

Die Felsen am Dilitschchopf eignen sich gut für ein paar Kletterversuche. Richtig schwierig wird es nicht. cst
  • Dossier

von Carmen Stalder


«Wir haben ihn verloren», tönt es zwischen den Bäumen hervor. Trockenes Laub raschelt, ein Stein schlittert den Hang hinunter. Es ist nicht einfach, den unscheinbaren Pfad, der sich durch den steilen Wald schlängelt, im Auge zu behalten. Mal scheint er sich deutlich vom Waldboden abzuheben, dann verschwindet er plötzlich im Nichts. «Da ist er wieder!», klingt es überrascht. Die Wanderung von Oberdorf auf den Dilitschchopf und hinunter nach Gänsbrunnen ist ein ständiges Auf und Ab, und das nicht nur wegen der Topografie.

Der Einstieg in die Tour ist einfach und nicht zu verfehlen. Von der Talstation der Seilbahn in Oberdorf zeigt ein Wegweiser Richtung Hinter Weissenstein. Der Weg verläuft zuerst auf der Hauptstrasse, danach entlang des imposanten Steinbruchs Weber-hüsli. Im Rücken ist das Klacken von Wanderstöcken zu hören – eine Gruppe von rüstigen Senioren macht sich ebenfalls an den Aufstieg. Bald sind die Männer jedoch abgehängt, denn statt auf dem normalen Wanderweg zu bleiben, biegen wir nach rechts auf einen unbeschilderten Pfad ab. Die Spur mit dem Namen «Franzosenwägli» soll eine Abkürzung sein und verläuft parallel zum derzeit ausgetrockneten Bachbett. Ein paar Mal muss dieses überquert werden, was bei der aktuellen Trockenheit kein Problem ist.


Eisiger Luftzug aus der Tiefe
Der Aufstieg ist stotzig und aufgrund des herumliegenden Laubs teilweise rutschig. Nach einer Weile endet der Pfad auf dem normalen Wanderweg, der jedoch nicht weniger steil ist. Wer nicht gemütlich mit der Seilbahn auf den Weissenstein fährt, muss also so oder so einige Kraft aufwenden. Folglich ist die Mehrheit der angetroffenen Wanderer in umgekehrter Richtung unterwegs. Nach etwas mehr als einer Stunde ist das erste Zwischenziel, der Gasthof Hinter Weissenstein, erreicht. Es ist etwas dunstig heute, aber bei klarem Wetter wartet hier ein toller Ausblick auf die Alpenkette.

Fürs Panorama-Geniessen bleibt aber sowieso keine Zeit, denn die wahre Herausforderung liegt noch vor uns. Links des Gasthofs zweigt ein Pfad Richtung Nidlenloch ab. Das «Loch» ist eine über sieben Kilometer lange und rund 400 Meter tiefe Karsthöhle. Ein massives Gitter verschliesst den Eingang, es ist jedoch möglich, das Nidlenloch auf eigene Faust oder mit einer Führung zu besuchen.

Mit ihren schmalen Schächten und Tunnels – der eine trägt den bezeichnenden Namen «Jungfernschlupf» und ist nur liegend zu durchqueren – ist die Höhle jedoch nichts für Menschen mit Klaustrophobie. Vor dem Nidlenloch stehend ist ein eisiger Luftzug aus der Tiefe spürbar. Und auch der Blick in das dunkle und enge Loch bekräftigt die Entscheidung, lieber hinauf als hinab zu steigen.


Manchmal ist da ein Weg
So geht es nun weiter auf den Dilitschchopf. Die 1330 Meter hohe Erhebung ist Teil der Weissenstein-Kette. Der Aufstieg ist nicht beschildert und es führt auch kein ausgebauter Weg auf den Berg. Stattdessen gilt es, eine steile Felsrinne zu durchklettern. Die von der Sonne aufgewärmten Felsen und der würzige Duft von Kiefern verströmen ein mediterranes Flair. Nach dem Kraxeln bietet sich erneut ein Blick in die Weite, den man dieses Mal mit niemandem teilen muss.

Gemäss diverser Tourenberichte auf der Seite hikr.org, auf der sich immer wieder spannende Wander-Inspirationen finden, sollte nun ein Pfad dem Grat entlang nach Gänsbrunnen hinunter führen. Das tut er auch – zumindest manchmal. Die Umgebung wechselt vom malerischen Weglein zwischen moosbewachsenen Felsen zu rutschigen Partien ohne jegliche Spur. Trotz zeitweiser Orientierungslosigkeit kann man sich nicht wirklich verirren: Solange es abwärts geht und das Felsenband des Grats in Sichtweite ist, macht man alles richtig. Und wenn dann ab und zu ein «Wir haben ihn wieder gefunden» ertönt, kann man beruhigt weiter wandern.

Das letzte Stück der Tour verläuft dann wieder auf einem normalen Weg. Nach dem Passieren einer friedlich wiederkäuenden Kuhherde ist bald der Bahnhof Gänsbrunnen erreicht – mit über 1300 Höhenmetern in den müden Beinen.

 

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Tipps zur Tour

- Dauer: 3h30

- Höhenmeter: Aufstieg 700 und Abstieg 650 Meter.

- Schwierigkeit: T4. Es ist nicht immer ein Weg vorhanden. An gewissen Stellen braucht es die Hände zum Vorwärtskommen.

- Ausrüstung: Wanderschuhe.

- Einkehren: Im Gasthof Hinter Weissenstein.

- ÖV: Mit dem Zug von Biel via Moutier nach Oberdorf. Rückkehr mit dem Zug ab Gänsbrunnen ebenfalls via Moutier zurück nach Biel.

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