Sie sind hier

Abo

Moutier

«Ausgeschlossen, dass er freikommt»

2012 wurde einem Kinderschänder und Vergewaltiger der Prozess gemacht – das Gericht ordnete an, den Mann zu verwahren. Nun verlangt dieser die Aufhebung der Massnahme. Heute wird das Urteil verkündet.

Das Regionalgericht in Moutier muss sich erneut mit einem Sexualstraftäter befassen. Bild: bt/a

Dan Steiner/pl

Im Jahr 2012 sprach das damalige Bezirksgericht Moutier zum zweiten Mal in der Schweizer Rechtsgeschichte eine lebenslängliche Verwahrung aus. Der damals 52-jährige Mann wurde wegen sexueller Handlungen an Kindern und zwei Vergewaltigungen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Seither ist der Täter in der Strafanstalt Thorberg inhaftiert.

Die lebenslängliche Verwahrung wandelte das Obergericht des Kantons Bern im Berufungsprozess im Jahr 2013 in eine ordentliche Verwahrung um. In diesem Zusammenhang steht die neuerliche Verhandlung vor dem Regionalgericht Moutier.

Heute verlangt der bald 60-jährige Insasse die Aufhebung der Verwahrung und seine bedingte Entlassung in die Freiheit.

Am Dienstag fand die Verhandlung vor dem Regionalgericht Moutier statt. Staatsanwalt Pascal Fischer fand klare Worte zum Antrag des Verurteilten: «Vor rund zehn Jahren musste ich mich zum ersten Mal mit diesem Herrn befassen. Von 2009 bis 2019 haben wir uns alle persönlich weiterentwickelt. Nur der Gesuchsteller ist bis heute derselbe geblieben.» Schon bei der Urteilsverkündung vor sieben Jahre erklärte der damalige Gerichtspräsident Jean-Marie Gfeller gegenüber dem Mehrfachtäter: «Ich hätte nie gedacht, dass ich sie schon wieder auf der Anklagebank antreffen würde.» Tatsächlich wurde der Mann wiederholt verurteilt. Seine Taten gehen bis in die Siebzigerjahre zurück und betrafen 32 Opfer.

Den Antrag auf Aufhebung seiner Verwahrung begründet der Täter mit seinem untadeligen Verhalten im Thorberg. Die Gefängnisverwaltung habe ihm für die letzten zehn Jahre ein gutes Führungszeugnis ausgestellt. «Ich habe viele Fehler gemacht, und für diese habe ich einen hohen Preis bezahlt. Ich möchte mein Leben versöhnlich beenden und nie wieder vor einem Richter erscheinen», argumentierte der Verwahrte.

Ausschlaggebende Gutachten
Staatsanwalt Fischer hingegen liess kein gutes Haar an den Versprechen des Mannes: «Er tritt hier als gütiger Familienvater auf, der redlich um das Wohl seiner Mitmenschen besorgt ist. Aber dieses Gehabe ist eine Täuschung. Vor uns steht immerhin der schlimmste Sexualstraftäter der Region. Lassen wir uns nicht hinters Licht führen!»

Am Ende der Beratung hatte der Verwahrte das letzte Wort. Dabei griff er den Staatsanwalt direkt an: «Die einzige Person, die sich seit zehn Jahren nicht verändert hat, sind sie, Herr Fischer. Ihre Äusserungen sind empörend, denn sie dienen lediglich dazu, dem Gericht Angst einzuflössen.»

Dennoch steht der Thorberg-Insasse mit seinem Antrag auf Freilassung recht alleine da. Bei seiner Beurteilung stützt sich das Gericht nämlich auf ein Gutachten von Christoph Lauber, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Biel. Der Experte trat am Dienstag vor das Gericht und bestätigte als Erstes die Feststellungen in den beiden fachärztlichen Gutachten seiner Kollegen aus dem Jahr 2012. Diese hatten eine Rückfallgefahr von 8 bis 9 Punkten auf einer Skala von 10 Punkten ermittelt. In seinem neuen 130-seitigen Bericht kommt Lauber zum Schluss: Das Risiko erneuter Gewalttaten sei «mittel bis stark» erhöht. Für sexuelle Vergehen sei das Risiko sogar «sehr hoch».

Kaum Chancen
Der Betroffene reagierte sehr harsch auf die Feststellungen des Experten. Dieser habe seine «Psyche ausser Acht gelassen». Darauf antwortete der Gutachter mit einem ironischen Unterton: «Seit 1980 behaupten sie, die Staatsanwälte, Richter und Vollzugseinrichtungen hätten keine Ahnung. Das ist schon ein wenig billig.» Der Gesuchsteller entgegnete: «Ich zeige kein einziges Symptom einer Psychopathie. Wenn es nämlich so wäre, könnte ich ja nicht so gute Kontakte mit meinem Umfeld im Thorberg knüpfen.»

Am Ende stellte sich der Staatsanwalt ganz auf die Seite des Mediziners Christoph Lauber. In seinem Schlusswort warnte er: «Die Art der Wiederholungstaten entwickelt sich mit dem Lebensalter: Es ist durchaus denkbar, dass es sogar zu einem Tötungsdelikt kommen könnte.» Dann stellte der Ankläger seinen Antrag: «Ich will keine Toten. Deshalb ist es ausgeschlossen, dass dieser Mann freikommt.» Dass der Verurteilte aus der Verwahrung entlassen wird, erscheint tatsächlich unwahrscheinlich. Heute ist Urteilsverkündung.

*****************************************

Viele Vorstrafen
Im Jahr 2012 verurteilte das damalige Bezirksgericht den Mann aus der Region zu acht Jahren Gefängnis und einer lebenslangen Verwahrung. Er hatte sich an seiner fünfjährigen Tochter vergangen.

Zudem wurden ihm sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung von zwei Frauen nachgewiesen. Schliesslich hatte er sich wegen Verstosses gegen den Pornografieartikel, der Verbreitung einer Krankheit sowie wegen schwerer Körperverletzung zu verantworten. Das Obergericht verfügte im Berufungsverfahren eine ordentliche Verwahrung.

Der Täter wurde in seinem Leben zum ersten Mal verurteilt, nachdem er seine 13-jährige Halbschwester sexuell missbraucht hatte. Insgesamt wurden 32 Personen Opfer der Taten des Mannes. ds

Nachrichten zu Seeland »