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Wochenkommentar

Bitte keine Panikmache bei der dritten Juragewässerkorrektion

Diese Woche waren im Regionalteil des «Bieler Tagblatt» Begriffe zu lesen, die man sonst nur aus dem Auslandteil kennt: Malaria, Typhus und Cholera.

Beat Kuhn, Redaktor Region

Dies, weil die Gemüseproduzenten-Vereinigung der Kantone Bern und Freiburg gemahnt hatte, im Falle einer Renaturierung des Grossen Moos würden diese Seuchen ins Seeland zurückkehren.

BT-Leser wissen es besser: Laut dem Schweizerischen Tropeninstitut könnte es höchstens zu einer Mückenplage kommen, wenn sich die Region «zurück zur Natur» bewegen würde – wie es der berühmteste Gast der St. Petersinsel, Jean-Jacques Rousseau, seinen Zeitgenossen generell empfohlen hatte. Im Übrigen ist der Teufel, den die Gemüseproduzenten-Vereinigung da an die Wand malt, unnötige Panikmache. Denn niemand will «zurück zum Sumpfgebiet», welche das Grosse Moos bis zur ersten Juragewässerkorrektion war.

Das Horrorszenario «Seuchengefahr» war ein emotionaler Ausreisser nach unten in der bisher sachlich geführten Debatte über die Zukunft des Grossen Moos, die von Pro Agricultura Seeland angerissen wurde. Ich hoffe, dass es auch wirklich nur ein Ausreisser war, nicht der Beginn einer anhaltenden Niveausenkung. Denn es geht um ernsthafte Probleme, bei denen es Sachverstand braucht, nicht Polemik oder Ängste.

Ein Problem ist zum Beispiel die anhaltende «Niveausenkung» der Böden mit der für das Grosse Moos so typischen schwarzen Torferde, die daran erinnert, dass der «Gemüsegarten der Schweiz» früher deren grösstes Moorgebiet war. Zu dieser Absenkung kommt es einerseits, weil sich der Torf durch chemische Reaktion im wahrsten Sinne des Wortes «in Luft auflöst». Und andererseits, weil die schweren Landmaschinen einer Stabilisierung des Bodens nicht eben förderlich sind.

Ein weiteres Problem sind die extremen Wetterlagen, die gemäss Pro Agricultura immer mehr vorkommen, sprich lange Trockenheitsperioden oder starker Regen. Die aktuelle Hitzewelle hat das Rekordjahr 2003 bereits übertroffen, obwohl der Sommer noch längst nicht zu Ende ist. Und dass das Drei-Seen-Land nur durch ein ausgeklügeltes Wassermanagement vor Überschwemmungen bewahrt werden kann, muss man den Einheimischen nicht sagen. Vor allem nicht jenen, die trotzdem schon mal Wasser im Keller hatten.

Wegen dieser Probleme besteht nun Handlungsbedarf – darin sind sich alle einig, die sich zu dieser Frage haben verlauten lassen. Am aktivsten ist dabei der Verein Pro Agricultura, der auch mit grosser Kompetenz überzeugt. Er hat den von ihm vorgeschlagenen «Anpassungen der Bewirtschaftung und Infrastruktur» im Sinne einer modernen, nachhaltigen Landwirtschaft den Titel «dritte Juragewässerkorrektion» gegeben. Ein grosses Wort. Aber immerhin ist damit etwas Zugkraft in der Sache. Die fehlt nämlich ansonsten noch.

So machte die Tagung von Pro Agricultura im März, an der eine dritte Korrektion mit Zustimmung der über 200 Bauern im Publikum lanciert wurde, einen etwas palaverhaften Eindruck. Der Tenor: Man wolle Massnahmen treffen, die im Grossen Moos auch inskünftig den Anbau von Gemüse möglich machten. Auch weil vier Fünftel der Schweizer letztes Jahr Ja zur «Ernährungssicherheit» gesagt hätten. Da sei nicht zuletzt das grösste Gemüseanbaugebiet des Landes gefordert.

Christian Wanner, vormals Solothurner Regierungs- und Nationalrat der FDP, also ein Polit-Schlachtross, mahnte, mit mehr Profil aufzutreten, wenn man zu den nötigen Geldern kommen wolle. Und eine Sanierung des Grossen Moos würde mehrere hundert Millionen Franken kosten. Hinzugefügt sei der Wunsch, dass auch die Naturschutzorganisationen eingebunden werden. Denn wir brauchen nicht nur Ernährungssicherheit, sondern sollten auch ein Stück weit «zurück zur Natur».

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