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Pensionskasse

Das Auslaufmodell

In Lyss sind sich alle einig, dass bei der Pensionskasse des Gemeindepersonals ein Primatwechsel erfolgen muss. Die Frage ist nur: zu welchen Bedingungen?

Je jünger, desto sorgloser: Oft kümmern sich junge Gemeindeangestellte noch nicht um ihre Pensionskasse. In Lyss werden sie nicht darum herumkommen, denn das Parlament strebt einen Primatswechsel an. Bild: Anne-Camille Vaucher

von Andrea Butorin

Das Leistungsprimat bei den öffentlich-rechtlichen Pensionskassen (PK) ist ein Auslaufmodell. Darin sind sich in Lyss Politiker aller Couleur einig. Doch die Lysser Gemeindemitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind allesamt noch im Leistungsprimat rentenversichert. Leistungsprimat bedeutet, dass die Renten auf Grundlage des letzten Gehalts berechnet werden (siehe Info weiter unten).

Die Lysser SVP reichte schon vor einiger Zeit ein Postulat zum PK-Wechsel der Gemeindeangestellten vom Leistungs- ins Beitragsprimat ein. Nun reichten SVP, FDP und GLP eine Motion mit derselben Forderung ein. Diese Motion wurde an der letzten Sitzung des Grossen Gemeinderates (GGR) für dringlich erklärt.


Einigung wird schwierig
An der Dezembersitzung beantwortete der Gemeinderat besagtes SVP-Postulat. Er liess im Vorfeld eine Primatwechsel-Variante innerhalb der Pensionskasse Energie (PKE), der jetzigen PK der Lysser Gemeindeangestellten, ausrechnen. Damit alle Mitarbeiter nach einem eventuellen Primatwechsel mindestens die selben Leistungen erhalten wie vorher, müsste die Gemeinde einen einmaligen Beitrag von 930'000 Franken aufwenden. Damit aber nicht genug. Die Arbeitnehmer forderten, dass der Deckungsgrad auf 111,2 Prozent erhöht wird, was für die Gemeinde weitere Kosten von vier Millionen Franken bedeuten würde – wobei Alfred Niederhauser, Präsident des Personalvereins, sagt, dieser Vorschlag sei vonseiten der PK gemacht worden.

Gemeindepräsident Andreas Hegg (FDP) zog die Reissleine. «Mit diesem Betrag könnte ich nicht ins Parlament», sagt er. Ein weiterer gewichtiger Grund, weshalb das Postulat abgeschrieben wurde, war die Uneinigkeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. «Es dürfte sehr schwierig sein, dass die Arbeitnehmenden einem Primatwechsel zustimmen», schrieb der Gemeinderat zum Geschäft. Doch um einen Wechsel zu vollziehen, braucht es Einigkeit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertreter, welche in der Vorsorgekommission paritätisch vertreten sind.


«Regelrechtes Ausbluten der PKE»
Hegg sagte bereits im Dezember, dass man seitens Gemeinde trotzdem am Thema dran bleiben werde. Dies fordert auch die überparteiliche dringliche Motion. Samuel Santschi (SVP), der nicht nur Landwirt ist, sondern auch ein Treuhandunternehmen leitet, zählte an der Dezembersitzung auf, dass auf den 1. April 2014 fünf Unternehmen mit insgesamt 820 Millionen Franken Vermögen die PKE-Genossenschaft verliessen. Neun weitere hätten per 1. April 2015 gekündigt. «Es folgt also ein regelrechtes Ausbluten der PKE Genossenschaft», lautete Santschis Schlussfolgerung. Daneben verwies er auf die PK Previs, die führende PK für Gemeinden, welche sich per Ende 2014 komplett vom Leistungsprimat verabschiedete. Abzuwarten, bis die PKE von selbst aufgibt, so dass gezwungenermassen eine andere Lösung gesucht werden muss, findet Santschi «hochriskant und verlustträchtig».

Er habe nach seinem Referat Zustimmung aus allen Parteien erhalten, sagt Santschi gegenüber dem BT. Die Fakten, die für einen Wechsel sprechen, seien erdrückend. Er sei deshalb sicher, dass man mit guten Argumenten beide Seiten von einem Wechsel überzeugen könne.
Sicher ist sich auch Marcel Schumacher (FDP). Er ist Leiter Finanzen bei der Energie Seeland AG, die den Primatwechsel 2008 vollzog – innerhalb der PKE. Daneben ist er im Verwaltungsrat des Altersheims Lyss-Busswil und Präsident der Vorsorgekommission – auch dort war er in einen Primats- und Kassenwechsel involviert. Bei beiden Firmen hätten sich die Bedingungen für die Arbeitnehmer nicht verschlechtert, und der Wechsel habe ohne Ausfinanzierung vollzogen werden können: «Es ist sicher möglich, eine Lösung zu finden, bei der keine Leistungen gekürzt werden.»    

«Das eine Primat ist nicht besser als das andere», sagt Lydia Studer, stellvertretende Sekretariats-Direktorin der unabhängigen Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) des Bundes. Sowohl das Leistungs- als auch das Beitragsprimat wiesen Vor- und Nachteile auf. Sie bestätigt allerdings, dass es immer weniger Pensionskassen mit einem Leistungsprimat gibt. Dieses wird gemäss OAK BV noch von knapp sechs Prozent aller Vorsorgeeinrichtungen angeboten. «Man kann das Leistungsprimat durchaus aufrechterhalten, falls man sich die notwendigen Beitragserhöhungen leisten kann und will », sagt Studer abschliessend.


Unklar, ob es auf April 16 reicht
Die Lysser Motionäre sind allerdings überzeugt, dass der Wechsel nötig ist. Sie hoffen, dass das Geschäft im September in den GGR kommt, so dass (mit sechsmonatiger Kündigungsfrist) der Wechsel per 1. April 2016 vorgenommen werden kann. «Ich kann im Moment noch nicht beurteilen, ob dieser Termin erfüllt werden kann», sagt Gemeindepräsident Hegg und verweist auf den aufwändigen Prozess, der folgen könnte, wenn der geplante Kassenwechsel öffentlich ausgeschrieben wird.

Hegg ist mit den Parlamentariern einig, dass der Wechsel vorgenommen werden muss. Anfang Februar führte Lyss eine Informationsveranstaltung für alle Gemeindeangestellten durch. Zwischen 40 und 50 der 161 Betroffenen seien gekommen – mehrheitlich ältere. Die bis 45-Jährigen interessierten sich kaum für ihre Altersvorsorge, sagt auch Personalvereins-Präsident und Mitglied der erwähnten Vorsorgekommission Alfred Niederhauser. «Die Älteren haben sich jedoch darauf eingestellt, dass sie bekommen werden, was auf dem Ausweis steht.» Der Satz, das Leistungsprimat sei ein Auslaufmodell, fällt auch bei Niederhauser. Dass der PK-Wechsel kommen wird, steht für ihn deshalb ausser Frage. Nur:Die Bedingungen müssen noch ausgehandelt werden, und das Gesamtpersonal müsse anschliessend Stellung beziehen können, weshalb er vorerst keine weiteren Auskünfte erteilen will.

Seitens der Politik ist ein leiser Vorwurf zu hören, dass besagter PK-Wechsel schon viel früher hätte vollzogen werden sollen. Dazu sagt Andreas Hegg: «Man hätte das vielleicht schon mehr vorantreiben können.» Nur habe es 2013 noch nicht einen solchen Exodus aus dem Leistungsprimat gegeben, weswegen es noch viel schwieriger gewesen wäre, auf Unterstützung der Arbeitnehmer zu stossen. Zudem sei die Finanzabteilung in den letzten zwei Jahren mit verschiedenen aufwändigen Geschäften an die Grenze ihrer Kapazität gestossen und es standen noch verschiedene personelle Wechsel an.
Ob es Lyss gelingen wird, Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Pensionskassen-Frage zu einigen, wird sich zeigen. Bleiben die Arbeitnehmer der vorgeschlagenen Lösung gegenüber kritisch eingestellt, so wird kein Wechsel stattfinden.  

 

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Die Primate
• Im Leistungsprimat (LP) werden die Renten auf Grundlage des letzten Gehalts berechnet. Die Finanzierung muss jeweils angepasst werden. Das Anlagerisiko liegt grundsätzlich bei der Vorsorgeeinrichtung. Das LP gilt als komplizierter, insbesondere bei wechselnden Beschäftigungsgraden und bei Teilzeitarbeit.
• Im Beitragsprimat (BP) werden die Renten aufgrund des angesparten Alterskapitals berechnet – was tendenziell einfacher ist als im LP. Das Anlagerisiko liegt grundsätzlich bei den Versicherten – je tiefer die Renditen an den Finanzmärkten, desto tiefer ist die Rente. 

Der Kanton Bern, Biel und Grenchen
• Der Pensionskassen des Kantons Bern wechseln dieses Jahr vom LP zum BP – gemäss Abstimmung vom Mai 2014.  
• Die Pensionskasse der Stadt Biel bietet beide Primate an. Seit 2000 werden aber im Leistungsprimat keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen.
• Die städtischen Angestellten von Grenchen sind im Leistungsprimat versichert. «Ein Wechsel zum Beitragsprimat ist kein Thema», sagt Stadtpräsident François Scheidegger.

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