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Sommerserie

Dem Himmel so nah

In einer neuen Serie stellt das «Bieler Tagblatt» spezielle Unterkünfte vor. Den Anfang macht das Hôtel Chasseral. Hier oben in luftiger Höhe scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Bild: cst

Carmen Stalder

Der kalte Wind zerrt an den Haaren, bläst um die Ohren und dringt durch die dicke Jacke. Von den sommerlichen Temperaturen in der Stadt ist hier oben auf dem Chasseral nichts mehr zu spüren. Das liegt nicht nur am Höhenunterschied von über 1000 Metern – wir befinden uns auf 1607 Metern über Meer –, sondern auch an der exponierten Lage auf der Krete. Der Abendspaziergang fällt entsprechend kurz aus. Nach einem letzten Hervorblitzen verabschiedet sich die Sonne definitiv hinter den Wolken.

Zurück beim Hotel, stehen wir vor verschlossenen Türen. Es ist erst kurz nach 21 Uhr, doch bereits ist kein Licht mehr zu sehen. Auf dem berühmtesten Wandergipfel des Berner Juras beginnt die Nachtruhe früh, schliesslich wollen die meisten Gäste nach einem anstrengenden Wandertag keine Abendspaziergänge mehr unternehmen. Und nun fällt uns auch wieder ein: Die nette Dame am Empfang wollte doch noch erklären, wie wir zu später Stunde zurück ins Hotel gelangen ...

Dann kam jedoch das Fondue dazwischen. Denn das gehört sich so hier oben: Man geht in das holzverkleidete Selbstbedienungsrestaurant, das dank Rösti, Ovomaltine und Nussgipfel gerade so gut in einem Skigebiet stehen könnte. Dort schnappt man sich eine Flasche Weisswein, ein Brotkörbchen und eine Pfeffermühle. Wenig später wird einem das dampfende Caquelon mit geschmolzenem Käse serviert. Und dieses geniesst man dann mit Blick auf die drei Seen und bei klarem Wetter auch auf die Alpenkette.

 

Der Eiffelturm des Berner Juras

Spätestens nach ein paar Schlucken Weisswein merkt jeder Gast: Es ist schön hier oben, so weit weg von allem Lärm und Alltagsstress. Das findet auch André Frésard, der das Hotel seit 25 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder betreibt. Und davor haben seine Eltern die Gaststätte bereits 35 Jahre lang geführt. Die Aussicht und die schöne Landschaft würden den Ort speziell machen, sagt Frésard. Und auch wenn er den Sonnenaufgang jeden Morgen sehe, finde er diesen noch immer «vraiment magnifique».

Das wirkliche Markenzeichen des Chasserals ist aber natürlich der über 100 Meter hohe Sendeturm. «Der gehört hierhin wie der Eiffelturm zu Paris», sagt Frésard. 80 Prozent seiner Übernachtungsgäste seien Deutschschweizer, darunter viele aus den Kantonen Solothurn, Aargau, Zürich und Luzern. Das erklärt er sich dadurch, dass sie den Sendeturm von weit her sehen. «Und dann wollen die Leute selbst einmal hier oben schlafen.»

Das Publikum ist bunt gemischt. An diesem Abend schlafen Grosseltern mit ihren sechs Enkelkindern im Massenlager (40 Franken pro Person beziehungsweise 30 für Kinder, alle Preise inklusive Frühstück). Das Pärchen aus der Ostschweiz, das mit Rollkoffern anreist, nächtigt wohl eher in einem der 17 Doppel-, Dreier- oder Viererzimmer, die ab 130 Franken pro Nacht zu haben sind. Ebenso die beiden Freundinnen, die eine Wanderung auf dem Jura-Höhenweg absolvieren. Die erste Etappe hat sie von Orvin auf den Chasseral geführt, in den nächsten fünf Tagen geht es weiter bis nach Vallorbe (VD).

Es zeichne sich eine tolle Saison ab, sagt Frésard, die Zimmer seien gut gebucht. Er empfiehlt deshalb, mindestens zehn Tage im Voraus zu reservieren. «Wir merken eindeutig, dass in diesem Sommer mehr Schweizer zuhause geblieben sind.» Einzig die Gruppen, die sonst mit dem Car anreisen, fallen heuer grösstenteils weg.

 

Reise in die Vergangenheit

Zurück zum Abendspaziergang, der beinahe zu einer Nacht unter freiem Himmel geführt hätte: Nachdem wir rund ums Haus jede Tür getestet haben – es sind viele und sie sind allesamt verschlossen –, entdecken wir glücklicherweise den Grossvater mit den Enkeln im Speisesaal. Er hat der netten Dame am Empfang besser zugehört und von ihr einen Schlüssel erhalten, mit dem er uns nun in die Wärme zurückkehren lässt. Wir seien nicht die ersten, denen das passiert, sagt uns die Dame am nächsten Morgen lachend. Noch habe jedoch nie jemand draussen schlafen müssen. Nur gut, haben wir dieser Geschichte keine neue Wendung verpasst.

Nach dem kurzen Schreckmoment ist uns das kleine Doppelzimmer mehr als willkommen. Die alten Fotografien, die hier und auch überall sonst im Haus aufgehängt sind, zeigen die lange Geschichte dieses Ortes: Eine erste Gaststätte wurde bereits 1880 errichtet. 1925 fiel sie einem Feuer zum Opfer, wurde jedoch noch im gleichen Jahr wieder aufgebaut. 1979 erhielt das Hotel schliesslich sein heutiges Aussehen mit dem markanten Anbau an der Südseite.

Einrichtung und Dekoration wurden wohl seither nicht mehr gross verändert. Doch die Gäste kommen auch nicht, weil sie sich ein stylisches Interieur erhoffen, sondern vielmehr wegen der famosen Aussicht. Wo sonst kann man von seinem Schlafzimmer aus Bieler-, Murten- und Neuenburgersee auf einmal im Blick haben? Mit diesem Bild im Kopf schläft es sich im nach frischer Wäsche duftenden Bett besonders gut. Die absolute Stille und die kühle Bergluft, die durch das gekippte Fenster hineinströmt, tragen ebenso zum tiefen Schlaf bei.

Kurz vor 6 Uhr reisst uns der Wecker aus den Träumen. Die Kamera liegt schon bereit, um den schönsten Sonnenaufgang in der Region einzufangen. Ein roter Ball, der hinter den Alpengipfeln emporsteigt und langsam das ganze Land in ein warmes Licht taucht ... Es hätte so schön werden können. Doch leider hat das Wetter andere Pläne und empfängt uns stattdessen mit einem Himmel in verschiedenen Grautönen. Immerhin können wir uns so noch einmal zurück ins warme Bett verkriechen. Kaffee, Croissants und Züpfe gibts nämlich erst ab 7.30 Uhr.

 

 

Hôtel Chasseral

Komfort: * * * *

Erlebnis: * * *

Lage: * * * * *

Erreichbarkeit: * * * *

Preis/Leistung: * * *

cst

Info: Hôtel Chasseral, Route de Chasseral 124, 2518 Nods. Tel. 032 751 24 51. www.chasseral-hotel.ch

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