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Verkehr

Die Lage war bereits kritisch

Die Wehrbrücke Port/Brügg bleibt noch jahrelang für Lastwagen gesperrt.Die Schliessung kam so kurzfristig, dass niemand weiss, wie es nun weitergeht.

Dringende Sofortmassnahmen: Tempo 30 und maximal 3,5 Tonnen sorgen für Sicherheit. Peter Samuel Jaggi

von Carmen Stalder

Seit einer Woche herrscht auf der Wehrbrücke zwischen Port und Brügg Tempo 30 und eine Gewichtsbeschränkung von maximal 3,5 Tonnen. Der Grund: Die 80 Jahre alte Brücke kann der heutigen Belastung von über 16000 Fahrzeugen pro Tag nicht mehr standhalten (das BT berichtete). Die Sofortmassnahmen, notfallmässig verhängt durch das kantonale Tiefbauamt, kamen für alle Betroffenen überraschend.

Da wären die Gemeinden Brügg und Port, die nur zwei Tage vor der Teilsperrung informiert wurden. Oder Nidau, das nicht vom Kanton, sondern von Ports Gemeindepräsident Beat Mühlethaler (SVP) ins Bild gesetzt wurde. Für das Stedtli ist die Situation besonders problematisch, da die Ausweichroute für Lastwagen direkt durch Nidau führt. Und dann sind da noch die Verkehrsbetriebe Biel (VB), deren Buslinie 6 über die Wehrbrücke führt. Zwar haben die VB eine Ausnahmebewilligung erhalten, doch die Busse dürfen nur im Schritttempo über die Brücke fahren – was zu Verspätungen führt und bei Passagieren und Autofahrern für Unverständnis sorgt.


Undicht und verrostet

Gestern haben die Gemeinden Brügg und Port sowie das Tiefbauamt und ein Ingenieur über die Situation informiert. Am Schluss der Veranstaltung blieben viele Fragen unbeantwortet – weil schlicht niemand weiss, wie es nun genau weitergeht.

Die Brücke gehört zwar dem Kanton, über sie führt allerdings eine Gemeindestrasse. Die Zuständigkeiten sind bis zum heutigen Tag ungeklärt. Und so fühlte sich niemand dazu verpflichtet, die Brücke zu kontrollieren. Als der Kanton dann aufgrund «eines unguten Gefühls», wie Kurt Schürch vom kantonalen Tiefbauamt sagt, doch eine Zustandserfassung durchführte, kam der Schock: Der Brücke ging es viel schlechter als erwartet. «Wir wurden von der gravierenden Situation überrascht», so Schürch. Die Fachleute stiessen auf undichte Stellen, unzählige Risse, sich ablösenden Beton und verrostete Armierungseisen. «Relativ prekär» seien einige der Schäden, sagt Daniel Fivian von der B+S Ingenieure AG.

Nach der Kontrolle war klar: Die Tragsicherheit ist nicht mehr gegeben. «Es ist nicht auszuschliessen, dass es in ein paar Jahren zu einem Teilversagen von tragenden Bauteilen gekommen wäre», sagt Fivian. Sprich: Im schlimmsten Fall hätte die Brücke einstürzen können. Autos bis 3,5 Tonnen seien allerdings kein Problem, und auch im18 Tonnen schweren Bus müsse man sich aufgrund der geringen Geschwindgkeit keine Sorgen machen – das sei alles geprüft.


Ersatz statt Sanierung

Nun gibt es drei Möglichkeiten: Die schlimmsten Schäden flicken, die gesamte Brücke sanieren oder einen Ersatz bauen. Beim Ingenieurbüro geht die Empfehlung klar in Richtung dritte Option. Und auch Mühlethaler sagt: «Meiner Meinung nach ist ein Neubau die einzig wirtschaftlich nachhaltige Variante.» Zudem mache es bei den Investitionskosten keinen so grossen Unterschied.

In diesem Zusammenhang gilt es ein anderes Projekt zu beachten: Im Rahmen der A5-Umfahrung soll künftig eine vierspurige Autobahnbrücke zwischen dem Porttunnel und dem Verkehrsknoten im Brüggmoos über den Nidau-Büren-Kanal führen. Ab diesem Zeitpunkt sollen nur noch Fussgänger und Velofahrer die alte Wehrbrücke benutzen.

Macht es also überhaupt Sinn, die lädierte Brücke mit einem Neubau zu ersetzen, wenn dieser ein paar Jahre später nur noch für den Langsamverkehr benötigt wird? Ja, sagt Mühlethaler. Denn für den Bau der Autobahnbrücke sowie des Porttunnels müssen die Lastwagen die Aare queren können. Würde bei der jetzigen Brücke nur das Nötigste geflickt, bliebe sie allerdings weiterhin für den Schwerverkehr gesperrt. «Somit gibt es eigentlich gar keine andere Möglichkeit», sagt der Gemeindepräsident.


«An Situation gewöhnen»

Wann man sich für welche Option entscheiden wird, können derzeit weder Mühlethaler noch Brüggs Gemeindepräsident Marc Meichtry (Brügg for you) beantworten. Klar ist: Bis ein entsprechendes Projekt entwickelt und die Finanzierung geregelt sind, bis zum Baubeginn und schliesslich zur Eröffnung der Brücke werden Jahre vergehen. «Wir haben es hier nicht mit etwas Kurzfristigem zu tun. Die Leute müssen sich an die jetzige Situation gewöhnen», so Mühlethaler.

In Nidau will man sich damit nicht zufrieden geben. «Es kann doch nicht sein, dass der ganze Verkehr durch Nidau fliesst», monierte der Nidauer Gemeinderat Roland Lutz (SVP) an der gestrigen Veranstaltung. Für die Lastwagen müsse unbedingt eine Umleitung signalisiert werden. Und Nidau wolle künftig in die Sache miteinbezogen und frühzeitig informiert werden, richtete Lutz sein Wort an Schürch.

Einen Wunsch äusserte auch Olivier Knuchel von den Verkehrsbetrieben Biel: Man möge doch bitte an der Brücke signalisieren, dass die Sperre für die Busse nicht gelte. «Unsere Chauffeure bekommen öfters den Stinkefinger gezeigt – dabei machen sie nichts Falsches.»

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Kommentar

Hier wurde eine Katastrophe riskiert

Als die Wehrbrücke 1938 gebaut worden ist, wurde sie von mit Pferden gezogenen Wagen genutzt. Heute fahren jeden Tag tausende Autos, 40-Tonnen-Lastwagen und Busse darüber. Die Brücke muss in ihrem höchsten Alter die schwerste Last tragen, formulierte es Kurt Schürch vom kantonalen Tiefbauamt treffend. Dennoch ist der Kanton bisher nie auf die Idee gekommen, den Zustand der Brücke zu prüfen. Man habe sich schlicht nicht dafür zuständig gefühlt. Ähnlich sieht es bei den Gemeinden aus, die durch die Brücke verbunden sind: Weder Port noch Brügg haben bisher eine Untersuchung veranlasst – obwohl es sich um eine Gemeindestrasse handelt.

Nun ist das erschreckende Resultat da. Der Zustand der Brücke ist so schlecht, dass sie in einer Hauruck-Aktion für Lastwagen gesperrt werden musste. Zeit, um die daraus folgenden Konsequenzen zu planen, gab es keine. Und so ist es jetzt Nidau, das den ganzen Schwerverkehr abbekommt und damit das Wegschauen der Anderen ausbaden muss. Es ist deshalb nur allzu verständlich, dass der Unmut im Stedtli gross ist.

Viel schlimmer ist jedoch, dass die beteiligten Akteure einen schweren Zwischenfall in Kauf genommen haben. Der Ingenieur Daniel Fivian bezeichnet einige der Schäden als «relativ prekär». Es wäre nicht auszuschliessen gewesen, dass ohne Sofortmassnahmen tragende Bauteile versagt hätten. Man mag sich gar nicht ausmalen, was bei einem Einsturz der Brücke hätte passieren können.

Derzeit finden zwischen Kanton und den beiden Gemeinden Diskussionen darüber statt, wer denn nun die Kosten für eine Sanierung oder einen Ersatz stemmen muss. Eine andere Frage sollte aber unbedingt auch beantwortet werden: Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

cstalder@bielertagblatt.ch

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