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Lyss

Die Rechnung ohne den Abfall gemacht

Lyss verfügt über attraktives Bauland im Industriegebiet. Doch unter der Erde lagert manchmal mehr als erwartet. Und das kann teuer werden. Diese Erfahrung musste Lyss kürzlich machen.

URSULA GRUETTER

 

Eigentlich war bis vor Kurzem alles auf bestem Weg: Die Firmen Hevapla und Alurex wollten der Gemeinde Lyss im Industriegebiet Süd Land abkaufen und einen Neubau realisieren. Das Parlament hatte im Februar entsprechende Vertragsverhandlungen bewilligt. Gleichzeitig waren die Planer am Werk. Doch aus dem Bau an diesem Standort wird nun nichts. Lyss wurde von seiner Vergangenheit eingeholt.
Der Grund ist eine alte Dorfmülldeponie. Ein Teil des Grundstücks ist mit Schwermetallen kontanimiert. Reste von Möbelstücken, Küchengeräten und Baumaterial sorgen für die Verschmutzung.
Dass hier früher der Müll entsorgt wurde, war sowohl auf der Gemeinde als auch beim Kanton bekannt. Aus diesem Grunde hatte der Kanton eine kleine Fläche in seinem Kataster als «belasteter Standort» aufgeführt. Dies wurde bei den Planungsarbeiten berücksichtigt. Bei Vorarbeiten für eine Strassenerschliessung stellte sich jedoch heraus, dass die mit Schwermetallen belastete Fläche wesentlich grösser als angenommen war. Die beiden Firmen hätten ihren Neubau nicht wie geplant realisieren können. Auf belasteten Flächen kann gemäss Gesetz höchstens ein Parkplatz erstellt werden.

 
Lösung mit Ersatzland
Die Behörden von Lyss standen vor einem Dilemma. Entweder mussten sie die Altlasten entsorgen lassen und für die entstehenden Kosten der verspäteten Umsetzung des Projektes aufkommen, oder sie mussten sich vom Verkaufsangebot zurückziehen und damit als unzuverlässige Partner gelten.
Die erste Variante hätte die Gemeinde viel Geld gekostet. Nach einer noch undetailierten Abklärung wäre allein die Sanierung der Altlasten mit Kosten in der Grössenordung von 720’000 Franken verbunden gewesen.
Die Gemeinde wählte aus diesem Grunde, und wegen eines möglichen Imageverlustes, einen dritten Weg. Sie bot den beiden Firmen einen neuen Standort an.

Abklärungen sind teuer
Auch so kommen Lyss die früheren Abfallsünden teuer zu stehen. Allein die vom Gemeinderat in Auftrag gegebene Untersuchung kostet insgesamt 50’000 Franken.  Zudem wird die Gemeinde bis zu 100’000 Franken an die Mehrkosten für die Projektanpassung bezahlen. Dies wurde an der letzten Sitzung des Grossen Gemeinderates bewilligt. Die SVP-Politiker ärgerten sich aber mächtig ob dem Vorgehen der Behörden.
Mittels einer Interpellation fordern sie jetzt den Gemeinderat auf, zu erkären, wieso der Altlastenverdacht nicht zu einem früheren Zeitpunkt überprüft wurde, und weshalb das Parlament nicht nähere Kenntnisse über mögliche Altlasten hatte. Die SVP will vom Gemeinderat zudem wissen, welche Konsequenzen er aus personeller und finanzieller Sicht zieht und stellt die Frage, was das Geschäft imagemässig ausgelöst habe.

Vorgehen vertretbar
Noch hat der Gemeinderat die Interpellation nicht beantwortet. Gemeindepräsident Andreas Hegg hält aber seine Meinung zur Sache nicht zurück. «Ich würde wieder genau gleich vorgehen», sagt er auf Anfrage des «Bieler Tagblatts». Auf Vorrat Geld auszugeben sei nach seiner Ansicht nicht angezeigt. «Sobald ein Projekt konkret wird, klären wir die Bodenbelastung ab. Solche Kosten zu einem früheren Zeitpunkt auszulösen macht keinen Sinn».  Bei diesem Projekt sei man trotz der Grösse des Bauvorhabens in der Lage gewesen, Land als Ersatz anzubieten, so Hegg, und das habe die Situation entschärft. «Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen», sagt der Gemeindepräsident.  


Deponie ist keine Ausnahme
Bleibt die Frage, wieso Lyss seinen Kehricht am Dorfrand entsorgte. Ein Blick in die Abfallgeschichte der Schweiz zeigt, dass dies bis in die Sechzigerjahre Gang und Gäbe war. Kehrichtverbrennungsanlagen kannte man damals noch kaum. Viele Gemeinden betrieben offene Müllhalden. Diese wurden später zugeschüttet und schlummern jetzt als potenzielle Gefahr unter dem Boden.
Auch Aarberg, eine Nachbarsgemeinde von Lyss, muss sich mit Altlasten befassen. Dort plant man, eine neue Sporthalle zu bauen. Doch Untersuchungen haben ergeben, dass das ganze Areal mit Abfall belastet ist. Nun muss Aarberg für über 50'000 Franken Untersuchungen durchführen lassen. Resultate werden mitte August erwartet.

  
  
  

Erläuterungen zum Kataster

• Als Grundlage für die Planung in den Gemeinden gilt das Kataster
Abfallkataster des Kantons. Dieser erfasste sämtliche Abfallgruben und teilte sie in die Kategorien «sanierungspflichtig» und «nicht sanierungspflichtig» ein.
• Auf die Erstsondierungen des Kantons folgen genauere Probebohrungen durch die Gemeinden.
• Werden wie in Lyss Schwermetalle wie Blei, Kupfer und Zink gefunden, darf in diesem Bereich nicht gebaut werden. Der Kanton stellt damit sicher, dass diese Materialien bei einer Verschärfung des Gesetzes aus dem Boden geholt werden können.
• Die restlichen Flächen eines Grundstücks dürfen bebaut werden. In Lyss ist bereits ein neuer Interessent für die betroffene Parzelle da.    (grü)

 

 

Stichwörter: Lyss, GGR Lyss

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