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Pieterlen

Die Sportskanonen

Der eine ist aktiver Spitzenschütze, der andere amtierender Weltmeister im Orientierungslauf: Die Pieterler Willy Krieg und 
Martin Hutzli leben auch im hohen Alter ihre Passion. Zum 90. Geburtstag von Krieg sprechen sie über Vergangenes – aber nicht nur.

Willy Krieg (links) und Martin Hutzli: Zwei erfolgreiche Seniorensportler aus Pieterlen. Bild: Raphael Schäfer

Interview: Markus Dähler

Hier ein andächtiges Beruhigen des Atems, dort das Streben nach einer möglichst hohen Pace: Pistolenschiessen und Orientierungslauf haben eigentlich wenig gemein. Wohl aber Pistolenschütze Willy Krieg und Orientierungsläufer Martin Hutzli. Die beiden Pieterler eint, dass sie sich vom Alter nicht davon abhalten lassen, ihrer sportlichen Passion nachzugehen. Und das wettkampfmässig. Willy Krieg hat zuletzt am eidgenössischen Feldschiessen mit 89 Jahren an der Ordonnanzpistole ausnahmslos alle Seeländer Schützinnen und Schützen hinter sich gelassen. Und das, obschon er 2017 das Zielauge wechseln musste, weil auf der rechten Seite die Sehkraft nachgelassen hat. Der 89-jährige Martin Hutzli bereitet sich derzeit als amtierender Senioren-Weltmeister im Orientierungslauf auf die Titelverteidigung in Budapest vor, wo er der internationalen Konkurrenz erneut davonlaufen will.

Hutzli und Krieg kennen sich schon ewig – früher sind sie bei den militärischen Patrouillenläufen noch gegeneinander angetreten, etwas später haben sie in der Männerriege gemeinsam geturnt. In dieser Zeit haben sich beide sowohl im Pistolenschiessen als auch im Orientierungslauf versucht und sich letztlich für ganz unterschiedliche sportliche Wege entschieden. Zum heutigen 90. Geburtstag von Willy Krieg haben sich die beiden in Pieterlen getroffen. Im Gespräch mit dem BT blicken die beiden Sportler auf gemeinsame Wege und Erfolge zurück – und denken über das Älterwerden nach.

 

Martin Hutzli und Willy Krieg, 
Sie sind auch im hohen Alter noch wettkampfmässig aktiv. Was sagen eigentlich die Familien zu Ihren sportlichen Ambitionen?

Martin Hutzli: Ich habe früher sehr aktiv Militärsport betrieben. Dann habe ich erst mit 40 den Orientierungslauf entdeckt. Oft waren wir zusammen mit unseren Kindern und Grosskindern an Wettkämpfen. Ich habe von allen Seiten, auch von meiner Frau Annemarie, bis heute grosse Anerkennung und Unterstützung erhalten. Die sportliche Zusammenarbeit mit unseren fünf Kinder im gleichen Mehrtage-Wettkampf war für unseren Zusammenhalt sehr wertvoll.

Willy Krieg: Auch bei uns waren die sportlichen Aktivitäten im Turnverein, im Schützenhaus und beim Klettern in den Bergen immer akzeptiert. Heute begleitet mich unser Sohn Daniel am Mittwochabend zum Training ins Schützenhaus.

Sie waren neben dem sportlichen und beruflichen Engagement auch beide in der Gemeindepolitik aktiv.

Willy Krieg: Ja, in früheren Jahren habe mich ich im Gemeinderat und in verschiedenen Kommissionen in der Gemeinde engagiert.

Martin Hutzli: Ich war während je acht Jahren Gemeindepräsident und als Grossrat im Rathaus in Bern. Dazu habe ich in unterschiedlichen Gremien mitgewirkt und turne noch heute in der Männerriege aktiv mit.

Und sind bis heute mit Pieterlen stark verwurzelt?

Martin Hutzli: Ich bin vor 60 Jahren nach Pieterlen gezogen. Meine Frau ist hier geboren.

Willy Krieg: (schmunzelt) Und ich bin hier vor 90 Jahren am Klösterlirain geboren und Haus und Dorf mein Leben lang treu geblieben.

Welche bedeutenden sportlichen Wettkämpfe stehen für Sie als nächstes an?

Willy Krieg: Mit dem Eidgenössischen Schützenfest haben wir den Höhepunkt des Jahres erreicht.

Mit sieben Kranzresultaten in sieben Stichen mit der Ordonnanzpistole 
haben Sie dabei das beste Seeländer Resultat erzielt – über alle Altersklassen.

Willy Krieg: Was soll ich sagen, ja ich darf zufrieden sein.

Martin Hutzli: Ich starte demnächst als Titelverteidiger an der Orientierungslauf-Weltmeisterschaft der Senioren in der Kategorie Männer 85 in Budapest. Wir sind 20 Konkurrenten aus acht Nationen. Nächstes Jahr will ich auch in der Kategorie Männer 90 dabei sein. Heute sind dort allerdings nur noch sechs Läufer am Start.

Und wie sieht der aktuelle Trainingsplan aus?

Martin Hutzli: Ich mache jeden Morgen meine Fitnessübungen. Das fällt mir nicht immer leicht. Dann bewege ich mich mit meiner Frau in der Natur und oftmals schliesse ich den Tag mit einem Jogging ab. Im Frühling achte ich darauf, dass ich mich wieder vermehrt draussen bewege. Im Winter bin ich in der Langlaufloipe anzutreffen und natürlich in der Männerriege.

Willy Krieg: Wir wohnen über zwei Stockwerke mit Keller und insgesamt 47 Treppenstufen. Ich gehe zu Fuss einkaufen und trage alles selber nach Hause. Das reicht als Krafttraining. Im Haushalt erhalte ich mir die notwendige Beweglichkeit für den Sport. Beim Pistolenschiessen brauche ich wie im Haushalt den ganzen Körper. Das trainiere ich auch jeweils am Mittwoch im Schützenhaus.

Was waren die grössten Erfolge in Ihren Karrieren?

Martin Hutzli: Ich habe im Militärsport die Regimentsmeisterschaften im Patrouillenlauf gewonnen. Daneben gewannen Kamerad Remund und ich mehrmals den Offiziers-Nacht-Orientierungslauf des 1. Armeekorps. Zudem war ich neben den erwähnten Senioren-WM-Titeln in meiner Altersklasse mehrfach Schweizermeister und Sieger in der Jahrespunkteliste in all den Jahren. Mehrfach durfte ich mich in meiner Altersklasse am Seeländischen als Turnfestsieger feiern lassen.

Willy Krieg: Also im Verhältnis zum Aufwand habe ich dieses Jahr Spitzenergebnisse erzielt. Im Feldschiessen habe ich in meiner Karriere drei Fellerpreise für besonders hohe Resultate gewonnen. 1990 teilte ich am Feldschiessen schweizweit den ersten Rang mit zwei weiteren Schützen. Leistungssport war aber nie meine Ambition. Ich wollte auch den Bergsport im Sommer und Winter pflegen. Und dann war natürlich unsere Rivalität: 1956 ist unsere Gruppe in Locarno im militärischen Patrouillenlauf Schweizermeister geworden.

Wie hat sich in all den Jahren der Sport verändert und wie haben Sie Ihre sportlichen Aktivitäten angepasst?

Willy Krieg: Es hat sich eigentlich nicht so viel verändert. Allerdings musste ich vor vier Jahren mein Zielauge von rechts nach links wechseln. Die Sehkraft hat rechts stark nachgelassen. Der Wechsel ist mir gut gelungen. Früher habe ich auch 4000er-Gipfel bestiegen und im Hochgebirge Gruppen geführt und natürlich im Turnverein aktiv mitgeturnt. Aber das habe ich jetzt aufgegeben.

Martin Hutzli: Verändert haben sich die Karten und die elektronischen Postenkontrollen. Heute liebe ich den Sprint in bebauter urbaner Umgebung. Da fühle ich mich wohler als im Wald abseits der Wege. Das Sturzrisiko hat dort zugenommen.

Was können Sie heute in ihrem Sport besser als vor 60 Jahren?

Willy Krieg: Also, ich rege mich über einen Fehlschuss nicht mehr auf.

Martin Hutzli: Ich mache weniger Fehler als früher, meine Erfahrung zahlt sich aus. Dabei brauche ich nicht unbedingt mehr Zeit. Wenn man Erfolg haben will, muss man auch im Alter schnell entscheiden.

Wie begegnen Sie auch emotional der Tatsache, dass die Leistungsfähigkeit im Alter abnimmt?

Martin Hutzli: Ich kann damit eigentlich gut leben. In der Alterskategorie haben wir ja vergleichbare Voraussetzungen. Ich habe kein Problem damit, zu akzeptieren, dass die Jungen schneller unterwegs sind. Einzig die Tatsache, dass wir immer weniger sind, gibt mir schon zu denken.

Willy Krieg: Ich kann ja eben im Schiesssport mit meinen Resultaten noch gut mithalten. Entsprechend beschäftigt mich diese Frage weniger.

Gibt es Probleme oder Laster, die möglichweise bessere Resultate 
verhindert haben?

Willy Krieg: Wenn ich mich mehr aufs Schiessen unter den Fittichen von Altmeister Alex Tschui konzentriert hätte, wären vielleicht noch mehr Spitzenresultate dazugekommen.

Martin Hutzli: Was heisst «Laster»? Ich habe nach einem Schiessunfall im Militär eine Einschränkung im Gehör. Von anderen Unfällen habe ich mich dagegen ohne bleibende Einschränkungen erholt.

Was sind die Geheimrezepte, für Ihre Fitness?

Willy Krieg: Ich habe gelernt, dass man den Volltreffer nicht erzwingen kann. Man muss am Abzug sachte den Druck so verstärken, dass der Zehner seine Chance bekommt.

Martin Hutzli: Ich konzentriere mich auf den Sprint, pflege bewusst meine geistige Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen in meinem bevorzugten Gelände in den engen Gässchen und Garten- oder Parkanlagen. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob der Sport die allgemeine Leistungsfähigkeit oder diese die sportlichen Erfolge ermöglicht. Dafür ist das soziale Umfeld ein wichtiger Antrieb für das sportliche Hobby.

Martin Hutzli: Ich mache neben dem Orientierungslauf und in der Männerriege auch wöchentlich beim Rotary-Club beim Kegeln mit Leuten aus Pieterlen mit.

Willy Krieg: Neben dem Engagement in der Familie und bei den Schützen gehe ich auch wöchentlich zum Jass mit meinen Turnerfreunden.

In der Hirnforschung gilt vereinfacht: «Wer rastet rostet». Einverstanden?

Willy Krieg: Ich versuche einfach, immer in Bewegung zu bleiben. Das gelingt mir insbesondere auch beim Treppensteigen gut.

Martin Hutzli: Wenn wir im Winter zurückstecken, merkt man das im Frühling schon. Dann will ich mich bewusst aufraffen und den Anschluss wieder finden.

Was denken Sie darüber, dass die Olympischen Spiele in der jetzigen 
Situation stattfinden?

Martin Hutzli: Der Orientierungslauf ist bekanntlich Randsportart und deshalb nicht olympisch. Internationale Wettkämpfe interessieren mich sehr, aber die Olympiade in Tokyo kann ich nicht unterstützen. Das Geld hat den olympischen Gedanken verdrängt.

Willy Krieg: Ich fiebere natürlich nach der ersten Schützenmedaille schon mit, wenn Heidi Diethelm mit der Sportpistole an der Reihe ist.

Und was bedeutet die Pandemie für Sie im Allgemeinen?

Willy Krieg: Wir wollten mit den Pistolenschützen das 100-Jahr-Vereinsjubiläum feiern und mussten es wieder und wieder verschieben. Das wird jetzt wohl abgeschrieben.

Martin Hutzli: Die Situation ist für uns schlimm, die gesellschaftlichen Aspekte des Orientierungslaufs in der Garderobe vor dem Lauf und danach in der Festwirtschaft fallen weg. Da bleibt uns nur die Hoffnung auf Besserung.

Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden gilt als schwierige Entscheidung. Wann machen Sie Schluss mit dem Sport?

Martin Hutzli: Ich habe meine zwei Weltmeistertitel in den Jahren 2018 und 2019 in einem Feld mit mehr als dreissig Konkurrenten gewonnen. Jetzt sind wir noch zwanzig. Und nächstes Jahr sind wir vielleicht noch ein halbes Dutzend. Aber: Ich schätze die Kontakte und möchte gerne weiterhin dabei sein.

Willy Krieg: Solange ich stehen und meine Pistole halten kann, werde ich aktiv mitmachen. Und wenn die Resultate nicht mehr stimmen, werde ich einfach noch gerne im Schützenhaus dabei sein. Und dann hätte ich noch einen grossen Wunsch: Eltern sollten ihren Kindern den Einblick in den Schiesssport nicht vorenthalten. Gewehre und Pistolen sind Sportgeräte und verdienen wie die Schützen die Anerkennung der Gesellschaft.

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