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Jura / Seeland

Die Wildkatzen sind zurück

Die europäische Wildkatze ist im Jurabogen weit verbreitet. Auch in Seeländer Wäldern ist sie gesichtet worden. Teil 14 der Serie «Wildlebende Tiere im Seeland».

Wildhüter Thierry Studer weist auf eine Fotofalle hin, womit Wildtiere erfasst werden. Bild: Olivier Gresset

Heidi Flückiger
Das Comeback der Europäischen Wildkatzen geschah ohne Nebengeräusche. Die Tiere hinterlassen kaum Spuren und stellen sich den Menschen nicht freiwillig zur Schau. Die Felis silvestris silvestris (lateinischer Name) der Ordnung Raubtiere sind oberhalb des Bielersees und im Jurabogen der Schweiz weitverbreitet. Sie leben zwar sehr zurückgezogen in Wäldern, begeben sich aber für die Nahrungssuche auf Wiesen und Felder. Wenn die Winter streng sind und die Schneedecken lange liegen bleiben, treiben sie der Hunger und die Kälte sogar bis in Ställe, Hühnerhäuser und Scheunen von landwirtschaftlichen Anwesen. Aber wer eine Wildkatze an solchen Orten oder in der freien Wildbahn beobachten kann, hat Glück. Denn sie sind in der Dunkelheit oder frühmorgens aktiv, sehr scheu und überhaupt nicht sozial.

Idealer Lebensraum
Einst wurde die Spezies im Jura infolge Bejagung fast bis zur Ausrottung dezimiert. Heute sind Wildkatzen in der Schweiz geschützt und werden auf der Roten Liste als stark gefährdet geführt.
Die Menschen haben der Katze nachgestellt, weil sie glaubten, dass sie schädlich für die Fauna ist. Inzwischen weiss man es besser. «Nach einer Studie von Liberek (im Jahre 1999, die Red.) machen Säugetiere 97 Prozent ihres Nahrungsspektrums aus», berichtet Fridolin Zimmermann von Kora, dem koordinierten Forschungsprojekt zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz. Unter den Säugetieren befänden sich zu 98 Prozent Nagetiere wie Scher- und Waldmäuse. Gelegentlich erbeuten sie auch Reptilien, Fische, Amphibien, Insekten, Vögel oder junge Hasen, womit sie ihr Nahrungsspektrum regional und saisonal erweitern.

Das Juragebiet mit seinen Wäldern, Felsen, Wiesen und dem dort vorhandenen Mäusebestand ist für Wildkatzen ein idealer Lebensraum. Eine im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) zwischen 2008 und 2010 durchgeführte Studie kam zum Ergebnis, dass im Jahr 2011 in der Schweiz schätzungsweise zwischen 450 und 900 Wildkatzen auf einer Fläche von rund 600 Quadratkilometern lebten. Diese Untersuchungen konzentrierten sich auf das Juragebiet, da alle Wildkatzen, die in den letzten Jahren in der Schweiz nachgewiesen werden konnten, aus dieser Region stammen.

Aber auch in Wäldern und auf Feldern im Flachland des Seelands haben Spaziergänger schon Wildkatzen beobachtet. Fritz Maurer aus Müntschemier, ehemaliger Wildhüter des westlichen Seelands, weiss, dass vor zwei Jahren im Eidgenössischen Wasser- und Zugvogelreservat Fanelstrand in Gampelen sowie im Schwarzgrabenwald, Nähe Lindergut der Gemeinde Ins, Wildkatzen gesichtet wurden. Dass es sich dabei um diese Spezies handeln musste, hat ein Spezialist aber lediglich anhand von Fotos bestätigt, denn in dieser Gegend wurden Wildkatzen bis heute nicht statistisch erfasst.

Der Geruch von Baldrian zieht alle Katzen magisch an. Artenschützer nutzen den Lockstoff für Forschungsprojekte. Sie beträufeln damit Holzstöcke und stellen diese in Naturgebieten auf, wo Wildkatzen vermutet werden. Reiben sich die Tiere daran, hinterlassen sie Fellhaare. Anhand der Analyse der DNA der Haarwurzel kann festgestellt werden, ob es sich um eine Wild- oder Hauskatze handelt.
Ein weiteres und verlässliches morphologisches (Struktur und Form der Organismen) Unterscheidungsmerkmal ist der Schädelindex. Dieser Wert lässt sich aber nur an toten Tieren bestimmen.

Kein Haustier
Wildhüter Thierry Studer aus Prêles begegnet Wildkatzen ab und zu. Sein Arbeitskreis erstreckt sich von Diesse über Lamboing, Prêles, La Heutte, Plagne, Neuenstadt bis nach Romont, Ligerz und Twann. «Wildkatzen halten sich gerne in flachen Gebieten an sonnigen, trockenen und warmen Plätzen auf», weiss er. Studer hat Kenntnis von zwei Wildkatzen, die in Saicourt beziehungsweise Péry mit Käfigfallen eingefangen wurden. Um sie auf ihre Echtheit zu prüfen, wurden sie in die Schweizer Wildstation Landshut gebracht.

In einem steilen Waldgebiet oberhalb von Neuenstadt weist er auf zwei Fotofallen hin, womit Wildtiere bildlich festgehalten werden. Die Aufnahmen zeigen, dass nebst Wildschweinen, Hasen, Füchsen und anderen Tieren auch Wildkatzen in dieser Umgebung ansässig sind.
Privatpersonen ist es untersagt, ohne Bewilligung Wildkatzen oder andere Wildtiere zu Hause zu halten. Wer einer vermeintlich verlassenen jungen Wildkatze oder einem verletzten Wildtier begegnet, muss den Wildhüter benachrichtigen. Er entscheidet, was mit einem solchen Tier geschieht oder kümmert sich um dessen Platzierung. «Eine Wildkatze hat ein anderes Verhalten als eine Hauskatze und sie lässt sich nicht zähmen», erklärt Thierry Studer.

Kreuzung unerwünscht
Typische Merkmale der Wildkatzen sind die langen Deckhaare sowie die tigerartige Struktur ihres Fells. Doch rein äusserlich kann nie mit Sicherheit festgestellt werden, ob es sich um eine Haus- oder um eine Wildkatze handelt, denn es gibt Hauskatzen, deren Fell fast gleich gemustert ist.
Wildkatzen sollten sich nicht mit domestizierten Katzen kreuzen. Dies kann zum genetischen Verschwinden einer Art führen, die nur noch in einer kleinen Populationsgrösse und in fragmentierten Populationen vorkommt.

Ein Wurf Wildkatzen besteht im Durchschnitt aus drei bis vier, selten aus acht Jungen. Die Kätzchen erblicken zwischen Ende März und Anfang Juni das Licht der Welt. Während der Aufzucht dienen Mutterkatzen alte Baumhöhlen, Fuchs- oder Dachsbaue als Unterschlupf. In Freiheit lebende Wildkatzen erreichen ein Alter bis zu zehn Jahren.
 

Erfassung von Wildtieren
  • Im angefügten PDF wird eine Karte von Kora aus der Arbeit von Anna Eichholzer aus dem Jahre 2010 mit Standorten (rote Punkte) gezeigt, worauf Wildkatzen während dem Luchs-Monitoring mit Fotofallen in drei Referenzgebieten im Jura erfasst worden sind.
  • Im südlichen Jura ist die Wildkatze aber stärker vertreten, als diese Karte es erscheinen lässt.
  • Zurzeit führt Kora gerade einen Fotofallen-Durchgang im südlichen Referenzgebiet der Kantone Waadt und Neuenburg durch, um die Luchsvorkommen zu schätzen. Dabei haben die Projektmitarbeiter an etlichen Standorten auch Wildkatzen erfasst.
  • Diese Daten sind noch nicht ausgewertet und noch nicht kartografisch dargestellt.

Zum Dossier: Wildlebende Tiere im Seeland
 

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