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Twann

Dieser Keller gibt Rätsel auf

Der Weinkeller des Engel-Hauses in Twann erzählt vieles über die Winzer, die über Generationen darin gewirkt haben. Gleichzeitig lässt er die Archäologen im Dunkeln tappen.

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von Jana Tálos

Zielgerichtet schreitet Anne-Käthi Zweidler der hohen Hauswand  entlang. Vorbei an der gelben, mit Schutt gefüllten Mulde, vorbei  an der Treppe, die zu einem erhöhten Eingang im ersten Stock hinaufführt. Erst an der Stelle, wo das Gebäude ins angrenzende Nachbarshaus übergeht, bleibt sie schliesslich stehen.

«Genau hier», sagt sie und zeichnet mit beiden Armen eine Art Schneise in die Luft. «Genau hier war früher ein Kanal, eine sogenannte Ländte. Und dass diese Ländte genau an dieser Stelle lag, ist kein Zufall.»  Sie deutet in Richtung Treppenaufgang. «Unter der Treppe liegt der Eingang zum Keller des Twanner Engel-Hauses, dem wohl grössten historischen Winzerhaus  der Region.» Dort seien über Jahrhunderte riesige Mengen an Wein gelagert worden. «Über die Ländte haben die Hausherren ihren Wein womöglich nach Bern oder Solothurn verschifft», so Zweidler. Eine Strasse gab es damals noch nicht.

Ungeahnte Dimensionen

Die goldenen Zeiten, in denen der Keller bis oben hin mit Wein gefüllt war, gehören längst der Vergangenheit an. Heute befindet sich das Engel-Haus in den Händen der Wohnbaugenossenschaft «Zuhause am Bielersee». Die oberen Stockwerke werden derzeit zu Seniorenwohnungen umgebaut (das BT berichtete). Der Umbau bietet Archäologen aber auch die Gelegenheit, mehr über das Leben der ehemaligen Hausherren zu erfahren. «Erst als wir den Keller freigelegt haben, wurde uns  bewusst, wie gross das hier alles ist», sagt Anne-Käthi Zweidler.

Als Präsidentin der Kulturkommission der Wohnbaugenossenschaft verfolgt Zweidler die Arbeiten der Archäologen aus nächster Nähe. Und tatsächlich: Als sie die Kellertür öffnet, kommt ein riesiger Raum von rund 20 Metern Länge und 12 Metern Breite zum Vorschein. Durch eine halb eingerissene Wand fällt der Blick in einen zweiten, fast ebenso grossen Raum. «Hier standen überall Weinfässer und Betontanks, die etwa vor 100 Jahren in die Wände hineingebaut wurden», so Zweidler. «Der grösste Tank hatte ein Fassungsvermögen von rund 23 000 Litern. Das muss man sich einmal vorstellen.»

Reserve für den Patron

Am Ende des ersten Raumes zeigt sich eine weitere Türe. «Dahinter befindet  sich ein ‹Gwölbli›», sagt Zweidler. Es sei erst 200 bis 250 Jahre nach dem Bau des Hauses  entstanden. «Wahrscheinlich benutzte man es als Reserve für den Patron» , sagt sie und schmunzelt. «Zumindest hat man darin 14 Flaschen Wein in einem Steingestell gefunden.»

Auch im zweiten Raum haben die Winzer ihre Spuren hinterlassen. Zweidler zeigt auf eine rechteckige Grube in der Ecke. «Das war das Mostloch», sagt sie. «Hier floss der Most aus der ‹Trüel-Traubenpresse› hinein, bevor er dann in die Fässer gepumpt wurde.» Im 20. Jahrhundert sei das Loch sogar mit Glaskacheln ausgeschalt worden – aus hygienischen Gründen.

Das Treppen-Mysterium

Obwohl die Funde aus und in den beiden Räumen einiges über die ehemaligen Besitzer des Engel-Hauses erzählen, sind noch viele Fragen ungeklärt. Wo zum Beispiel befand sich der ursprüngliche Eingang ins Haus? «Die Aussentreppe zum ersten Stock wurde erst im Nachhinein gebaut», sagt Zweidler. «Also könnte der Eingang auch durch den Keller geführt haben.»

Diese Theorie stellt die Wissenschaftler aber vor ein weiteres Problem. Wie kam man aus dem Keller in den ersten Stock? Eine Treppe gibt es nirgends. «Um das herauszufinden, müssen wir zuerst noch den Mörtel und den Verputz untersuchen», sagt Zweidler.

Der entscheidende Hinweis zum Treppen-Mysterium könnte auch aus der Bevölkerung kommen. Am Sonntag bietet Anne-Käthi Zweidler eine Führung durch den ehemaligen Winzerkeller im Engel-Haus (siehe Infobox). «Wir möchten den Leuten den Keller in seiner ursprünglichen Form zeigen, bevor wir ihn umbauen», sagt Zweidler. Geplant sind zwei grosse Kulturräume, in denen Ausstellungen, Chorproben und weitere Anlässe stattfinden können.

Ganz ohne Absichten ist die Führung jedoch nicht. «Wir hoffen, dass wir so noch einige Sponsoren für den Umbau gewinnen können», so Zweidler. Derzeit fehlen für die Renovation noch rund 400 000 Franken.

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