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Insekten

Ein bunter und lebendiger Totenkopf

Der Totenkopfschwärmer ist ein nachtaktiver Schmetterling, der sowohl als Raupe als auch als Falter fasziniert. Das aus Afrika stammende Tier lässt sich auch in der Schweiz nieder. Weiterer Teil der Serie «Wildlebende Tiere im Seeland».

Die Raupe des Totenkopfschwärmers ernährt sich ausschliesslich von Blättern und ist am ehesten auf Kartoffelstauden zu entdecken. Bilder: Hans-Martin Bürki-Spycher/zvg
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Heidi Flückiger

Insekten wie Mücken und Fliegen sind die sommerlichen Plagegeister, auf die man am liebsten verzichten würde. Willkommen hingegen sind Schmetterlinge, die diese Jahreszeit mit ihrer bunten Vielfalt bereichern. Dazu gehört auch der aus Afrika stammende Totenkopfschwärmer (Acherontia atropos), der sich als Gast im Seeland niederlässt, aber nicht zur permanenten Fauna der Schweiz gehört. Der Totenkopfschwärmer ist ein Falter der Klasse der Insekten und der Ordnung der Schmetterlinge.

Hans-Martin Bürki-Spycher aus Bern befasst sich seit 40 Jahren mit Raupen, Faltern und Schmetterlingen. Der Biologe arbeitete während fünf Jahren beim International Institute Of Biological Control (Cabi) in Delémont. Heute ist er als Wissenschaftsjournalist tätig. «Ich habe schon einige tausend Raupen verschiedenster Schmetterlingsarten aufgezogen und die Falter zum Schlüpfen gebracht», sagt er. Die meisten Falter lässt er fliegen, immer aber hält er einige für die Weiterzucht zurück. Nach der Paarung und der Eiablage entlässt er auch diese Tiere wieder in die Freiheit.

Die Grösste ihrer Art

Momentan lenkt die kunterbunte Raupe des Totenkopfschwärmers viel Aufmerksamkeit auf sich. Ausgewachsen erreicht sie eine stattliche Länge von bis zu 13 Zentimetern. Sie ist die grösste Raupe ihrer Art und frisst quasi rund um die Uhr.

Ihre unterschiedliche Färbung ist genetisch bedingt und somit im Erbgut verankert. Die gelbe Variante dominiert, gefolgt von der grünen. Eine braune Raupe hingegen ist äusserst selten. «Ich habe in der Schweiz noch keine braune Raupe des Totenkopfschwärmers gesehen, hingegen auf den Kanarischen Inseln schon», so Bürki-Spycher.

Braun werde die Raupe erst mit der letzten von insgesamt vier Häutungen. Möglicherweise habe die Futterpflanze einen kleinen Einfluss auf deren Färbung, wobei es dabei mehr um Nuancen ginge, sagt er.

Das auffälligste Teil der Raupe ist das sich am Hinterteil befindende Horn (Schwänzchen), das charakteristisch ist für die Familie der Schwärmer. Dieses Hautgebilde sei völlig harmlos und ein reiner Bluff. Weil das Horn als Giftstachel gesehen werde, könne es aber den einen oder anderen Angreifer abschrecken, so der Biologe.

Als Falter fasziniert das Tier vor allem wegen seiner charakteristischen totenkopfähnlichen Musterung am Thorax. Dieser Musterung hat der nachtaktive Schwärmer seinen deutschen Namen zu verdanken. Im Gegensatz zu den Raupen sähen die Falter farblich mehr oder weniger alle gleich aus, wobei es individuelle Unterschiede in der Ausprägung der Totenkopf-Zeichnung gebe, sagt Bürki-Spycher. Eine weitere Besonderheit sind seine pieps-ähnlichen Laute, die der Falter vor allem dann von sich gibt, wenn er in Bedrängnis ist.

Image als Todesbote

Im Mittelalter wurde der Falter von abergläubischen Menschen als unheilbringend und Todesbote eingestuft, was ihn in Romanen und Filmen (zum Beispiel «The Silcene of The Lambs») in die Rolle des Bösen drängte. Das Tier ist aber völlig harmlos und hat absolut keine räuberischen Angewohnheiten. Die Raupe ernährt sich ausschliesslich von Blättern der Kartoffelpflanze, Tomate, Engelstrompete, Liguster, Flieder, Esche, Hanf oder von jenen des Olivenbaums. Der Falter wiederum bevorzugt süsse Säfte. Zu seinen kulinarischen Vorlieben gehören Honig und Nektar. Um diese Gelüste zu stillen, nutzt er den kräftigen Rüssel, mit dem er die Honigwaben anzapft.

Funde im Grossen Moos

Hans-Martin Bürki-Spycher hat schweizweit schon etliche Raupen des Totenkopfschwärmers gesichtet. Dieses Jahr die ersten am 22. Juli in Gümmenen. Er ist auch im Seeland fündig geworden, so bei den Kartoffelfeldern zwischen Kerzers und Müntschemier, in Brüttelen, Dotzigen, Wileroltigen und Ferenbalm.

Das Grosse Moos südlich von Ins sei ein zuverlässiger Standort. Die Suche nach dieser Raupe erfordere Ausdauer und Hartnäckigkeit. Am ehesten zu finden sei sie entlang von Kartoffelfeldern, wobei sauber abgefressene Blätter auf ihre Anwesenheit hinweisen würden. Dieses Jahr sei er schon etwa 40 Stunden auf der Suche gewesen. «Voriges Jahr fand ich gesamthaft 28 Stück, heuer sind es bis jetzt 25», sagt er.

Es gab aber schon Sommer, da fand er keine einzige Raupe des Totenkopfschwärmers, da der Einflug der Falter und somit auch deren Eiablage von Jahr zu Jahr variiert. Dabei spielen Faktoren wie die Futterknappheit und die Trockenheit im Ursprungsgebiet Nordafrika, günstige Winde nach Norden und das Klima bei uns eine wesentliche Rolle.

Der Totenkopfschwärmer bevorzugt warme Regionen und ist ein exzellenter Flieger. Er kann in einer einzigen Nacht eine Strecke von über 100 Kilometern zurücklegen. Im Jahrhundertsommer des Jahres 2003 habe es beispielsweise bei uns nur so von Windenschwärmern (Agrius convolvuli) gewimmelt, weiss Bürki-Spycher. Das ist ein Falter, der die selbe Wanderroute wie der Totenkopfschwärmer unter die Flügel nimmt.

Bedroht durch Gift

Hans-Martin Bürki-Spycher ist der Meinung, dass die Raupe des Totenkopfschwärmers dieses Jahr hierzulande nicht in extrem grosser Anzahl vorhanden ist. Anders sei das gewesen, als auf Kartoffelfeldern noch keine Insektizide gegen Kartoffelkäfer versprüht worden seien. Das Gift füge nicht nur dem Kartoffelkäfer Schaden zu, sondern auch anderen Insekten, sagt er. Allerdings sind Insektizide nicht ihr einziger Feind.

Junge Raupen fallen vor allem den Ameisen zum Opfer und etwas grössere den Wespen. Zudem werden die Raupenstadien oft parasitiert. «Vermutlich von Schlupfwespen, ganz sicher aber von Raupenfliegen, die der Raupe ihre Eier auf die Haut kleben und die schlüpfenden Larven sie dann von innen her auffressen. «Das ist keine schöne Vorstellung, aber halt die Natur», so der Biologe.

Info: Hans-Martin Bürki-Spycher nimmt Fundmeldungen wie auch Fotos von Raupen und Faltern von Totenkopfschwärmern entgegen. Kontakt: buerki-spycher@bluewin.ch.

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