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Erlach

Ein Festival im 30-Minuten-Takt

Ganz nahe bei den Musikern: Das ist die Idee des Erlach Festival. 
Nach der Premiere vor einem Jahr wird es Anfang Mai erneut stattfinden.

Mehr Besucher als im letzten Jahr? Die Anzahl Festival-Tickets wurde dieses Jahr von 550 auf maximal 1000 erhöht. Ausverkauft sind sie bisher aber nicht. Bild: Susanne Goldschmid/a

Hannah Frei

Das Erlach Festival bleibt keine einmalige Sache. Im letzten Mai fand es zum ersten Mal statt. An diesem eintägigen Festival kamen 16 Künstler und Künstlerinnen nach Erlach, um in den Bars, Restaurants und sogar im Schloss aufzutreten. Die bestehende Infrastruktur nutzen, das lokale Gewerbe unterstützen und Musikerinnen und Musiker aus der Region fördern – das war das Ziel dieser Veranstaltung. Damals war für das dreiköpfige Organisationsteam noch unklar, ob das Erlach Festival das Potenzial hat, künftig jedes Jahr stattzufinden. Doch das Konzept hat sich bewährt. Am 4. Mai wird das Erlach Festival zum zweiten Mal durchgeführt.

Laut OK-Mitglied Eveline Gugger Bruckdorfer wurden beim letzten Mal über 550 Tickets verkauft. Mit den Freitickets seien es über 600 gewesen. «Damit haben wir unser Ziel erreicht», sagt sie. In diesem Jahr sollen maximal 1000 Tickets über den Tisch, «sonst wird es fast schon zu eng im Stedtli».

Aber es sei nicht nur die Anzahl verkaufter Tickets, die ausschlaggebend für eine weitere Ausgabe des Festivals gewesen sei, sondern auch die vielen positiven Rückmeldungen der Besucherinnen und Besucher. «Man erlebt die Künstler auf eine besondere Art. Sie spielen nicht auf einer grossen Bühne, sondern sind den Besuchern ganz nah», sagt Gugger Bruckdorfer. Fast wie bei einem Wohnzimmerkonzert, einfach in mehreren Zimmern, ob nun in einem Weinkeller, einem Saal oder gar im Schloss.

12 Stunden lang wird das Festival in diesem Jahr dauern. Die jeweils 30-minütigen Kurzkonzerte beginnen bereits um 14.30 Uhr. Doch weshalb sind die Konzerte nur so kurz? «So können die Besucher viele Künstler erleben und die Pausen für Gespräche und das Zusammensein nutzen», sagt Gugger Bruckdorfer.

Neben ihr als Präsidentin des neu gegründeten Vereins Erlach Festival ist dieses Jahr auch Vereinsmitglied Hanspeter Leuenberger wieder im Organisationsteam, als musikalischer Leiter. Anstelle von Andreas Erb, der sich heuer um seine eigene Musikkarriere kümmern wird, werden die beiden von Catherine Marit Guyot und Gugger Bruckdorfers Mann Dean unterstützt.

Diesmal ohne Autoverkehr
Denkbar wäre, dass das Festival in Zukunft sogar noch um einen Tag verlängert wird. Aber das traut sich das Organisationsteam noch nicht zu, wie Gugger Bruckdorfer sagt.

Während beim letzten Mal noch Autos durch das Stedtli fuhren, wird es in diesem Jahr ab 16 Uhr verkehrsfrei sein. Damit will das Team dem Festival noch mehr Intimität verleihen. Die 16 Acts, unter ihnen die Zürcher Pop-Rock-Band The Raveners und die Jurassierin Colour of Rice, spielen nicht nur ein Kurzkonzert, sondern mehrere nacheinander, beginnend immer zur halben Stunde. Einen Headliner gibt es jedoch nicht, wie Gugger Bruckdorfer sagt. «Wir wollen keine Hierarchie, sondern einfach Musik.» Auch die Gagen für die Acts hingen nicht vom Bekanntheitsgrad der Künstler ab. Diese würden in etwa alle gleich ausfallen. Und das, obwohl auch der bekannte Rapper Greis im Duo Noti Wümié auftritt. Gugger Bruckdorfer ist jedoch überzeugt, dass die meisten Künstlerinnen und Künstler das Erlach Festival nicht wegen der Gage, sondern wegen des Formats unterstützen. «Hier haben sie auch die Möglichkeit, eine andere Seite von sich zu zeigen, zu experimentieren und neuem Publikum zu begegnen», sagt sie.

Neben Greis fällt aber auch ein anderer Künstler auf dem Festival-Programm auf: Tom James, nicht aus der Region, kein Unentdeckter, nicht einmal aus der Schweiz, sondern aus Grossbritannien. James wurde in den letzten Jahren international bekannt, spielte auf namhaften Bühnen in England und Deutschland und tourte auch durch die Schweiz. Passt der Pop-Rock-Musiker Tom James denn noch zum Konzept des Erlach Festivals, an dem Schweizer Künstlerinnen und Künstler gefördert werden sollen? «Ja», sagt Hanspeter Leuenberger. Tom James habe zugesagt, weil er die Intimität dieses Formats schätze. «Er ist begeistert von der Idee.» Und bei einem solch guten Künstler habe das Organisationsteam nicht Nein sagen können. Auch James erhalte dieselbe Gage wie alle anderen. «Dies zeigt, wie viel Solidarität er den anderen Künstlern und auch dem Organisationsteam entgegenbringt», sagt Leuenberger.

Mehr Künstler, mehr Kosten
50 000 Franken kostet das Festival die Veranstalter, ein paar tausend Franken mehr als im letzten Jahr. Dies sei auf den zusätzlichen Konzert-Standort in der Kirche und die insgesamt höhere Anzahl Künstlerinnen und Künstler zurückzuführen. Auch die Infrastruktur werde in diesem Jahr ausgebaut, unter anderem mit einem elektrischen Stedtlibummler aus Murten, der als Shuttle zwischen den Spielorten von der Kirche zum Schloss verkehrt, so Gugger Bruckdorfer.

Die Finanzierung ist laut Gugger Bruckdorfer gesichert, solange das Festival gleich viele Besucher wie im letzten Jahr anzieht. Neben der Gemeinde Erlach sind Swisslos, die Berner Kantonalbank, die Gebäudeversicherung Bern und die Burgergemeinde Bern Hauptsponsoren. Kostenlos wird das Event für die Besucher jedoch nicht sein. 25 Franken im Vorverkauf und 30 vor Ort wird das Festival kosten, also jeweils fünf Franken mehr als noch im letzten Jahr.

Bereits vor einem Jahr erhoffte sich das Organisationsteam, das Stedtli mit dem Festival beleben zu können und das lokale Gewerbe zu fördern – und zwar langfristig. Was ist daraus geworden? Gugger Bruckdorfer geht zwar nicht davon aus, dass die Restaurants und Bars an diesem einen Tag ihr grosses Geschäft machen konnten. Aber: «Erlach gelangt dadurch in aller Munde. Und wer weiss, vielleicht kommen die Besucher später auch zu einem anderen Zeitpunkt wieder», sagt sie.

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