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Biel

Ein Ort mit vielen Düften

Seit einem Jahr stellen lokale Produzenten im Atelier Verdan an der Seevorstadt Esswaren und Getränke her. Nun hat das Projekt Zuwachs erhalten: Neu gibt es eine Destillerie, fermentierte Lebensmittel und Cidre aus Seeländer Äpfeln.

Marc Ramseier ist eigentlich Bierbrauer. Doch auch das neue Cidre hat es ihm angetan. Bild: Lee Knipp

Carmen Stalder

Im Dachstock hämmern und schleifen die Bauarbeiter. Ansonsten ist es an diesem Nachmittag ruhig im Atelier Verdan, in diesem stattlichen Gebäude an der Seevorstadt, das sich direkt an den mächtigen Felsen dahinter schmiegt. An anderen Tagen pulsiere hier das Leben, versichert Lukas Klingler. Als Standortleiter der Bierbrauerei La Marmotte hat er den Überblick über die Mieterinnen und Mieter, die im Atelier ihre Produkte herstellen. Wenn alle Küchen und Maschinen und Arbeitsplätze belegt sind, dann beginnt es im ganzen Haus zu duften: nach Hopfen und Malz, nach gerösteten Nüssen und Kaffeebohnen, nach Honig und exotischen Früchten. «Jeden Tag riecht es etwas anders», sagt Klingler.

Die Produktpalette im Atelier Verdan ist gross. La Marmotte braut Bier, June Liechti-Adamson von Junie Juice mixt frische Säfte, die Vereinigung zur Förderung von Kleinimkerei stellt Honig her, bei Café Choucas wird Kaffee geröstet und bei Nectaflor Artisanal Nüsse. Vor einem Jahr sind die ersten Mieterinnen und Mieter in die während Jahrzehnten leer stehende Verdan-Scheune gezogen. Davor hat die Burgergemeinde Biel das Haus der Ida-Neuhaus-Stiftung abgekauft und anschliessend umfassend saniert (das BT berichtete).

Synergien nutzen

Im ersten Betriebsjahr des Atelier Verdan hat sich einiges getan. Besonders die Brauerei hat ihr Angebot ausgeweitet. Unter dem Namen «Distillerie du Chêne» gibt es neu einen Obstbrand und verschiedene Liköre. Derjenige aus Kaffee wird mit Bohnen aus der im Haus ansässigen Kaffeerösterei hergestellt, und auch beim Bierbrand und beim Nusslikör, an dem derzeit noch getüftelt wird, stammen die Rohstoffe aus der Scheune. Man wolle möglichst viele Synergien nutzen, hiess es schon vor der Eröffnung vor einem Jahr.

Als während des Lockdown die Restaurants ihre Türen schliessen mussten, hatte dies für La Marmotte einschneidende Auswirkungen – schliesslich wird normalerweise ein Grossteil des Bieres für die Gastronomie gebraut. Um die freie Zeit dennoch produktiv zu nutzen, stellte die Destillerie kurzerhand Desinfektionsmittel aus Biermalz her. Flaggschiff der Destillerie soll aber dereinst ein Whisky werden, der 2022 in den Verkauf kommt. «Der muss mindestens drei Jahre lang in unserem Altstadtkeller gelagert werden», sagt Lukas Klingler.

Ein weiteres neues Produkt ist dagegen schon trinkfertig. Pomme Verte & Co nennt sich die Cidre-Marke, die ebenfalls vom Marmotte-Team lanciert worden ist. Für die drei verschiedenen Sorten verwendet der Brauer Marc Ramseier Äpfel aus dem Seeland und versieht den daraus gegorenen Apfelwein je nach dem mit Ingwer, Honig, Limette, Erdbeeren oder Hopfen. «Für mein Brauerherz war es wichtig, eine Sorte auszutüfteln, die Hopfen enthält», sagt er mit einem Lachen.

Man versuche, sich zu diversifizieren und verschiedene Standbeine aufzubauen, erklärt Lukas Klingler. Die Idee für den Cidre sei ihm und seinem Team gekommen, weil es ein cooles, lokales Produkt sei. Und: «Wir sehen darin einen Trend.» Zu kaufen gibt es das Getränk im Ladenlokal an der Kirchgasse, in dem die im Atelier Verdan hergestellten Produkte erhältlich sind. Ausserdem gibt es neu jeden zweiten Freitag im Monat einen Rampenverkauf direkt bei der Scheune.

Im Fass fermentieren

Christine Syrad ist derzeit dabei, ihre Produktionsstätte im Atelier einzurichten. Die Frau mit japanischen Wurzeln ist spezialisiert auf fermentierte Lebensmittel. Dazu gehört beispielsweise die kräftige Miso-Paste, die Reis, Sojabohnen und Salz enthält und in der japanischen Küche als Zutat vieler traditioneller Gerichte zum Einsatz kommt. Früher habe sie solche Produkte immer von ihren Japan-Reisen mit nach Hause gebracht, erzählt Syrad. «Dann habe ich irgendeinmal beschlossen, dass ich es von nun an selbst herstellen möchte.»

Das Fermentieren von Lebensmitteln bezeichnet sie als relativ unkompliziert. «Jeder kann es lernen, es ist nur eine Frage der Kreativität.» Doch für den Vorgang ist viel Zeit nötig: Die Sojabohnen-Reismischung für die Miso-Paste beispielsweise belässt sie für rund ein Jahr in einem Glas oder Fass, wo sie vergoren wird. Im Atelier Verdan will Christine Syrad schon bald Workshops anbieten. «Es wird dann etwas streng riechen», sagt sie. Schon heute kocht sie einmal pro Woche im Restaurant Gärbi in der Altstadt. Ausserdem experimentiert sie mit fermentierten Getränken und kann sich vorstellen, vielleicht einmal Sake oder Reiswein herzustellen.

Weiter ausbauen

Auf dem Dachstock sind noch immer die Bauarbeiter am Werk. Der grosse Raum wird derzeit ausgebaut und soll ab Ende Jahr Platz für drei zusätzliche Projekte bieten. Gewünscht seien handwerkliche, ehrliche und lokale Produkte, sagt Klingler. «Vorstellen könnte ich mir zum Beispiel Schokolade, Konserven, eine Pilzzucht oder auch ein Projekt gegen Foodwaste.» So oder so zeigt sich Klingler bereits jetzt zufrieden mit dem, was in einem Jahr aus dem Atelier Verdan geworden ist. Die Nachfrage nach Führungen und Apéros sieht er als Indiz dafür, dass sich das neue Lokal langsam aber sicher etabliert. «Aber eigentlich wird es nie fertig sein. Wir wollen das Projekt immer weiter entwickeln.»

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