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Tierschutz

Ein Schutzengel für Tiere

Allen Warnungen zum Trotz: Jedes Jahr werden zu Weihnachten Tiere verschenkt und landen im Elend. Das Einschreiten der Tierinspektorin bedeutet oft eine Wendung zum Guten.

Tierinspektorin Elsbeth Hofer ist beim Tierschutzverein Biel-Seeland-Berner Jura tätig. Sie fängt verwilderte Katzen ein, um sie vom Tierarzt untersuchen zu lassen. Bild: Raphael Schaefer

Nandita Boger

«Los, kommen Sie herein!» ruft die Frau und zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Elsbeth Hofer. Dazu fuchtelt sie mit der Hand vor dem Gesicht der Inspektorin herum. Hinter der Tür befindet sich ein Hund in verwahrlostem Zustand, der Gestank dringt bis ins Treppenhaus. Die Besucherin lehnt ab. Auf keinen Fall würde sie diese Wohnung betreten, die Aufforderung dazu war nicht ehrlich gemeint, sondern ein Vorwand. Eine Klage wegen Hausfriedensbruch wäre die Folge. Hofer verlässt den Ort des Schreckens. Im Auto macht sie eine Meldung an den Veterinärdienst. Die Beamten werden später ausrücken und den Hund aus der Wohnung befreien.


Ein Geschenk des Himmels
Elsbeth Hofer ist seit zwei Jahren als Tierinspektorin in Biel, im Seeland und im Berner Jura unterwegs. Sie wird gerufen, wenn jemand einen Misstand bemerkt und dem Tierschutz meldet. Eine Wohnung betreten dürfe sie nur auf Aufforderung, sagt sie, ihre Arbeit erfüllt keinen gesetzlichen Auftrag. Hofer sei ein Glücksfall für den Tierschutz, sagt Ernest Schweizer, ihr Vorgänger, «ein Geschenk des Himmels». Allein auf weitem Feld einem aufgebrachten Bauern gegenüberzustehen, das brauche Mut. Aber mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sei viel schwieriger. Vier erfolglose Versuche habe der Verein gemacht, um die Stelle von Schweizer mit einem Nachfolger zu besetzen. Doch dann kam Elsbeth Hofer. Sie ist nicht nur furchtlos und mutig – «im schlimmsten Fall würde ich wegrennen», sagt die zierliche Frau – sondern sie erhält mit ihrer positiven Ausstrahlung auch viel Sympathie. Sie begegne einfach den Leuten mit Verständnis und auf Augenhöhe, wenn sie an einen Einsatzort gerufen werde, sagt sie. «Einmal stand ich in St. Imier vor einem wütenden Bauern, der mir mit der Polizei drohte». Sie blieb freundlich. Schliesslich stellte sich heraus, dass der Muni des Bauern frisch kastriert worden war. «Und wir gingen in Frieden auseinander», sagt Hofer.

Elsbeth Hofer verfüge über eine grosse Lebenserfahrung und bringe das nötige Gespür im Umgang mit Tieren mit, erklärt Schweizer. Tatsächlich erhalte sie viel Dank, sagt die Tierschützerin. Nicht nur dann, wenn die Geschichte gut ausgehe. Auch Menschen, die sich nach dem Gespräch mit Hofer entschieden, ihr Tier abzugeben, seien ihr dankbar.

Derzeit befinden sich 40 Katzen im Tierheim Rosel. Diese wurden von der Tierinspektorin gebracht, oder von den vormaligen Besitzern selber abgeliefert. Verwilderte Katzen, die jahrelang keinen menschlichen Kontakt gehabt haben, werden nach dem Impfen, Kastrieren und Entwurmen wieder freigelassen. Für zutrauliche Katzen hingegen werde meist schnell ein gutes Plätzchen gefunden, manchmal werde an einem einzigen Wochenende eine ganze Handvoll Samtpfoten an neue Besitzer abgegeben.

In den letzten drei Wochen habe sie zehn Hunde an neue Plätze vermittelt, sagt Tamara Jung, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins und des Tierheims Rosel. Fünf davon waren Welpen, die das Veterinäramt aus einem Haus geholt hatte. Zwei weitere waren Huskies, die an einen Musher, einen Hundeführer für Hundeschlittensport, vermittelt werden konnten. Die Tiere seien im September bei einem Musher im Emmental beschlagnahmt worden. Die übrigen drei Hunde seien aus den drei häufigsten Gründen im Tierheim gelandet, sagt Jung. Sei es, dass der Besitzer verstorben sei, oder er keine Zeit mehr habe für das Tier, oder dass jemand in der Familie allergisch wurde auf Tierhaare. Durchschnittlich hätten sie zehn bis fünfzehn Hunde im Tierheim Rosel. Spaziergänge mit Hunden aus dem Tierheim dürfe jeder ab 18 Jahren machen, man müsse nur vorher dem Verein beitreten. «Solche Freiwillige sind bei uns immer sehr willkommen», sagt Jung.


Niemals Tiere schenken
Kaum zu glauben, dass auch heute noch Tiere an Weihnachten verschenkt werden. «Doch, das ist leider so», sagt Tamara Jung. Jedes Jahr wieder, allen Aufrufen zum Trotz. Es sei wie im Sommer, wenn die Leute den Hund bei Hitze im Auto liessen, was oft tödlich endet. Auch hier würden die Aufrufe nicht gehört. Tiere zum Verschenken kann man deshalb im Tierheim nicht kaufen. Alle Tiere werden nur dem zukünftigen Besitzer persönlich abgegeben, und in der Weihnachtszeit wird besonders kritisch nachgefragt. Jung wünscht sich, dass die Menschen sich besser informieren, bevor sie ein Tier kaufen. Einmal sei ein Hamster ins Tierheim gebracht worden, mit der Begründung, dass das Kind keine Freude mehr daran habe. Es stellte sich heraus, dass das Tier ein Meerschweinchen war, das jahrelang in einem Hamsterkäfig vegetieren musste.

Elternorganisationen und Tierschutz  empfehlen, Alternativen zur Anschaffung eines Tiers zu prüfen. Zum Beispiel mit Kindern Ferien auf dem Bauernhof zu machen, in einen Streichelzoo mit artgerechter Tierhaltung zu gehen, oder Wildtiere zu beobachten. Es könne auch sinnvoll sein, ein Plüschtier zu schenken. Es tröste und gebe Geborgenheit, man könne mit ihm reden, spielen und kuscheln. Will man dazu noch Gutes tun beim Schenken, kann man zum Beispiel das Stofftier beim WWF kaufen. Oder man schenkt eine Ziege, ein Ferkel oder eine Ente. Dies ist beim Hilfswerk HEKS möglich. Der Beschenkte erhält eine Geschenkkarte, bedürftige Menschen erhalten das tatsächliche Geschenk.

Für Weihnachten wünscht sich Elsbeth Hofer, dass sich die Menschen bewusst machten, was sie alles hätten. Und sie erinnert an all die Hunde, die eingesperrt seien.

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