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Hybrid-Food

Ein Trend, den das Seeland getrost verpennt

Was in New York der letzte Schrei ist, wird in der Region weitestgehend ignoriert. Der Trend Hybrid Food ist in den Bäckereien hier nicht angekommen. Und selbst die Vorreiterin Migros vertreibt in Biel bisher keine Hybrid-Backwaren.

Links der S'monut, ein Donut mit zerbröselten Graham Crackers, Schokolade, Marshmallows und Eis. Rechts: Der Cragel, eine Mischung aus Bagel und Croissant. zvg

von Clara Gauthey/sda

«Cronut, Cragel, Bruffin? Sagt mir nichts. Haben wir nicht...» Fragt man bei den Bäckereien in Biel, Nidau oder Lyss nach, ob sie eines der Trend-Gebäcke aus den USA im Angebot haben, ist die Reaktion immer wieder lediglich, dass man das eben nicht habe, nicht kenne oder nicht wolle.

Ein Trend, den es nicht gibt?
So verschliessen sich beispielsweise die Bäckereien Chez Rüfi, Schloss Beck oder Burkhard unisono dem Trend aus New York. Mitunter hat man zumindest davon gehört, ja. Oder es kam mal ein Vertreter vorbei, der es angeboten hat. Aber: «Wir haben ja schon Muffins, wozu brauchen wir da noch Bruffins?», heisst es. Oder: «Wir müssen doch auch nicht jeden Mist aus Amerika mitmachen.» Offenbar, so zeigt eine kurze, nicht repräsentative Umfrage vom BT, ist also die Modewelle aus Amerika hier bisher  nicht wirklich angekommen.

Am Anfang der «Cronut»
Angefangen hatte es im vergangenen Jahr mit dem sogenannten «Cronut» – kein Croissant, kein Donut, sondern irgendetwas dazwischen – von aussen glasiert, von innen knusprig und zerbrechlich wie ein Croissant.

Der Trend, der jenseits des Ozeans für lange Schlangen vor den Läden sorgte, kam bald auch in die Schweiz: Während Coop bis heute nicht beim Kreuzen von Gebäcksorten mitmischt und kein Hybrid-Gebäck aus den USA im Sortiment hat, wie Sprecher Ramón Gander auf Nachfrage erneut versichert, nahm die Migros das Gebäck «Cronut» nach und nach in das Sortiment ihrer Bäckereien auf.

In 20 Migros-Take-Aways
Nur: Obwohl der «Cronut» unter dem Namen «Big’O» seit vergangenem Jahr in Bern oder Olten angeboten wird – nach Biel, Lyss oder Aarberg hat er es bis heute nicht geschafft. Die Migros Aare erklärt das damit, dass die «Bedarfsabklärungen» bisher schlicht nicht ergaben, dass das Trendgebäck hier auf grosse Nachfrage stossen würde. Der Migros-Zulieferer des Gebäcks ist die Firma Jowa. Mediensprecherin Heike Zimmermann erklärt, dass sie
bisher an rund 20 Migros Take-Aways in der ganzen Schweiz liefere. Nur eben: Nicht nach Biel.

Jetzt auch der «Cragel»
Inzwischen hat New York, die Geburtsstadt des Zwitter-Essens, bereits verschiedene Nachfolge-Varianten von bizarren Backwaren kreiert. Zum Beispiel den «Cragel»: Von aussen sieht er aus wie ein Bagel, von innen gibt er sich als Croissant. «Cragel» sagt sein Erfinder Scot Rossillo dazu. Hybrid Food, zu deutsch: gekreuztes Essen, ist das Gebot der Stunde in der amerikanischen Gastronomie. Zwei Speisen werden miteinander gemixt, das Ergebnis ist ein neuer Snack.

Zwei in einsRossillo verteilte bis vor Kurzem Kostproben in seinem Laden «The Bagel Store» im New Yorker Viertel Williamsburg. Inzwischen hat er das nicht mehr nötig. Anfang des Jahres wurden Blogs auf das Gebäck aufmerksam, dann Lokalzeitungen und Fernsehsender. Jetzt wollen grosse Bäckereiketten ihm das Rezept abkaufen. Hybrid Food ist neu und setzt gleichzeitig auf Tradition. In Amerika sind Bagel und Croissant das beliebteste Essen zum Frühstück. «Mit dem Cragel kann man beides in einem haben», sagt Rossillo.

Die amerikanische Trendforscherin Irma Zandl sieht die Zeit für Experimente beim Essen gekommen: «Die Verbraucher setzen sich mehr mit Essenskultur auseinander und wollen immer auf dem neusten Stand sein»,
sagt sie. Dazu beigetragen hätten Kochsendungen im Fernsehen und junge Köche, die ihr Essen anders inszenierten. Ob das auch auf die Schweiz zutrifft, ist fraglich.

Nudeln statt Burger-Brot
Die heissesten Anwärter für den amerikanischen Hybrid-Snack 2014 findet man in der Markthalle für Delikatessen «Smorgasburg» in Brooklyn. Hier treffen sich Kreativköche und Feinschmecker. «Das ist einzigartig. Du beisst erst in die knusprigen Nudeln, dann kommt das Fleisch mit etwas Sojasosse», schwärmt Brian. Er hält einen «Ramen Burger» in der Hand. Die Idee des Burger-Hybrids: Er benutzt Ramen (japanische Nudeln) statt Hamburgerbrot.

Nicht weit weg steht Michael Bagley und wartet auf Kundschaft. Vor ihm: Bruffins. «Das ist ein Brioche gekreuzt mit einem Muffin. Ausserdem haben sie eine Fül- lung. Eine richtige Mahlzeit in einem Muffin», sagt Bagley. Kleine Flaggen von Italien, Spanien und den USA ragen aus den Bruffins. Der Italien-Bruffin ist mit Salami, Parmesan und Pesto gefüllt.

«Kaum Erfolgspotenzial»
Egal ob Cragel, Bruffin oder Ramen-Burger: Die Erfinder des Hybrid Foods erklären ihren Erfolg gern damit, dass ihr Produkt originell ist. Doch sie vermarkten ihre Snacks auch im Internet. Die Bedeutung von Social Media für die Gastronomie hat laut  Zandl stark zugenommen. Die Verbraucher können nicht nur die Snacks probieren, sondern über sie auch mit ihren Freunden und Bekannten diskutieren. Sie zeigen ihrem Umfeld, dass sie Teil eines Trends sind und tragen dazu bei, dass sich der Hype beschleunigt. Ein Hype, den das Seeland nicht mitmacht.

Beim Verband der Schweizer Bäcker und Confiseure, Swissbakers, ist Direktor Beat Kläy überzeugt, dass die Schweizer Bäcker die Bedürfnisse ihrer Kunden kennen und darauf eingehen. In den Hybridprodukten liegt für ihn aber «kaum längerfristiges Erfolgspotenzial».

Und beim Trend-Forschungsinstitut GDI erklärt Alain Egli das Fehlen in Seeländer Theken so: «Ich vermute, dass das mit den Marktbearbeitungsstrategien der grossen Anbieter zu tun.» Aber vielleicht ist der «Trend» hierzulande auch so irrelevant, dass sich nicht einmal ein Trendforscher damit beschäftigt.                                                                                         

Stichwörter: Hybrid, Food, Cragel, Smonut, S'monut, Migros

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