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Forstwirtschaft

Ein Turbojahr für den Wald

Private Waldbesitzer brauchen eine Bewilligung, um ihre Bäume zu fällen. Das BT hat einen Förster bei der «Holzanzeichnung» begleitet und gelernt: Der nasse Sommer gefiel dem Wald.

Ruedi Schweizer ist Förster im Revier Seedorf, das von Aarberg bis Wohlen reicht. Im Firstwald in Murzelen zeichnet er Bäume, die gefällt werden können. ©bielertagblatt/peter staub

Peter Staub

Wer durch den Wald streift, hat in der Regel keine Ahnung, dass er dabei ständig Eigentumsgrenzen überschreitet. Zumindest wenn er in einem Wald unterwegs ist, der Privaten gehört.

Und das sind im Seeland nicht wenige. Denn im Seeland gibt es rund 3500 private Waldbesitzer, die teilweise ziemlich kleine Parzellen besitzen.

Im kantonalen «Forstrevier 707 Seedorf» zum Beispiel, das unter anderem die Gemeinden Aarberg, Radelfingen, Seedorf und Wohlen umfasst, gibt es gut 2500 Hektaren Waldfläche. Davon ist nur ein Fünftel öffentlicher Wald.

Die restlichen 2000 Hektaren teilen sich rund 1000 private Besitzer. Ihnen gehören gegen 2800 meist kleine Waldparzellen. Viele davon sind sogenannte Hosenträger-Parzellen. Diese können zwar bis zu 700 Meter lang sein, sind aber teilweise nur gerade vier, fünf Meter breit.  

Den Zuwachs abschöpfen
Die einzelnen Parzellen sind alle auf offiziellen Plänen im Massstab von 1:5000 festgehalten, sie im teilweise unübersichtlichen Wald zu finden, ist jedoch manchmal schwierig. «Die Waldeigentümer sind gebeten, die Grenze ihrer Waldparzellen selber zu bezeichnen», schreibt deshalb Jürg Schneider, leitender Oberförster der «Waldabteilung 7», in einem Aufruf an die privaten Waldbesitzer, der kürzlich in Amtsblättern des Seelandes publiziert wurde.

Darin heisst es weiter, dass die Privatwaldbesitzer gebeten werden, sich «frühzeitig mit ihrem Revierförster» in Verbindung zu setzen, um einen Termin für die «Holzanzeichnung» zu vereinbaren. 

Diese ist nötig, weil nach kantonalem Waldgesetz auch private Waldbesitzer eine Bewilligung brauchen, wenn sie Bäume fällen wollen. Schneider beruft sich auf den kantonalen Richtplan, der «eine Abschöpfung des laufenden Zuwachses» vorsieht. Als Gründe dafür werden genannt, dass eine regelmässige Nutzung die Vitalität des Waldes verbessere und zur Erhöhung der Biodiversität beitrage.

Die Waldabteilung 7 ist eine von acht kantonalen Stellen für Fragen rund um den Wald, wie es auf der Internetseite der Volkswirtschaftsdirektion heisst, zu der das Amt für Wald gehört. Die Waldabteilungen seien die erste Anlaufstelle für Waldbesitzer, Forstbetriebe und die am Wald interessierte Bevölkerung und verträten «die öffentlichen Interessen am Wald». Die Waldabteilung 7 ist für das Seeland zuständig; sie ist in 13 Reviere unterteilt (siehe Infobox).

Bewilligung ist kostenlos
Das BT hat Ruedi Schweizer, Revierförster aus Wiler bei Seedorf, begleitet, als er mit einem privaten Waldbesitzer unterwegs war, um Bäume zu markieren, die dieser dann im Winter schlagen wird.

«Die Mehrheit der Waldbesitzer in meinem Revier sind Landwirte», sagt der 46-jährige Schweizer, der für das «Forstrevier 707 Seedorf» verantwortlich ist. Wenn ein privater Waldbesitzer Holz schlagen will, meldet er sich bei ihm. Er erhält dann eine Holzschlagbewilligung und das Anzeichnungsprotokoll.

Das ist ein Formular, auf dem steht, wo er wie viele Bäume schlagen will. Zudem ist aufgeführt, wie viele Kubikmeter der Holzschlag ausmacht, wie viele davon er für sich braucht und wie viele Kubikmeter Holz er verkauft. Die Beratung und die Holzschlagbewilligung sind für den Waldbesitzer kostenlos.

«Die Öffentlichkeit, die ich vertrete, möchte einen artenreichen Mischwald, welcher gegen die klimatischen Auswirkungen widerstandsfähig ist», sagt Schweizer, der seit dem Jahr 2006 hier Revierförster ist; zuvor war er je drei Jahre lang Revierförster im Emmental und in Zweisimmen. Wenn es darum gehe, welche Bäume gefällt werden sollen, gehe er natürlich auch auf die Bedürfnisse der Waldbesitzer ein.

Im Idealfall wird eine Parzelle alle fünf bis zehn Jahre durchforstet. Dann können die Bäume optimal wachsen. Bei den meisten Waldbesitzern ist das Intervall allerdings länger. «In einem gut durchforsteten Wald, erzielt man pro Jahr und Hektare bis 14 Kubikmeter Zuwachs», sagt Schweizer, der pro Jahr rund 200 Holzschlagbewilligungen im Privatwald erteilt.

Hinzu kommen die Anzeichnungen im öffentlichen Wald, etwa bei den Burgergemeinden Seedorf und Aarberg.

Heute ist der Revierförster mit Bendicht Stämpfli unterwegs, der im Firstwald in Murzelen drei Parzellen mit total 4,5 Hektaren Wald besitzt. Die Bäume, die später geschlagen werden, markieren sie mit leuchtfarbenen Punkten aus einer Spraydose. Mit einer Stufenkluppe, einer grossen Schieblehre, bestimmen sie die Stufe eines Baumes.

Ein zu schlagender Baum wird auf Brusthöhe gemessen. Von 16 bis 20 Zentimeter Durchmesser ist er in der Stufe 1. Die Stufe 5 hat einen Brustdurchmesser von rund 34 Zentimetern. Eine Tanne der Stufe 10 hat einen Durchmesser von 54 Zentimetern und bringt knapp drei Kubikmeter Holz.

Stämpfli sagt, dass er die Bäume nicht schlage, um damit Geld zu verdienen. Für ihn sei das ein Ausgleich zu seiner beruflichen Tätigkeit. Für einen Kubikmeter Nadelholz, das später zu Papier verarbeitet wird, muss er eine Stunde arbeiten. Dann müsse er die Stämme aber noch mit der Seilwinde und dem Traktor aus dem Wald holen und zur Holzverwertungsfirma transportieren.

Am Ende erhalte er dafür rund 45 Franken. «Viel Geld verdiene ich mit dem Holzen also nicht», sagt Stämpfli. «Der Wald von Stämpfli ist der Traum jedes Försters», lobt Schweizer. Hier wachse ein artenreicher Jungwald nach, was nur möglich sei, weil der Wald regelmässig durchforstet werde.

Platz für optimalen Wuchs
Für den Revierförster ist der Holzpreis für Nadelholz derzeit «zufriedenstellend». Der Preis für Buchenholz sei dagegen schlecht, da aus Buchenholz in der Schweiz vor allem Energieholz gemacht werde und es an Absatz für Möbelholz fehle. «Dazu wird vor allem billigeres Buchenholz aus Osteuropa importiert», sagt Schweizer.

Da aber manche Waldbesitzer selber Holzschnitzelfeuerungen betreiben, werden trotzdem unrentable Buchen geschlagen, die den besseren Heizwert haben als Nadelholz. «Für den Wald ist das gut so», sagt Schweizer. Wenn er einen Waldbesitzer berät, ist sein Ziel, die Qualität der bleibenden Bäume zu erhöhen.

«Das heisst: Die Zahl der Stämme wird reduziert, um den verbleibenden Bäumen mehr Platz zu verschaffen, damit sie optimal wachsen können», sagt er. Wenn die Bäume ein Alter von 80 bis 100 Jahren erreicht haben, werden sie auch mal in einem grösserem Rahmen gefällt.

Heute sei im Seeland das Eschentriebsterben ein grosses Problem, sagt Schweizer. Weil jede Baumart ihre Schädlinge habe, sei eine gute Durchmischung des Waldes wichtig. «Die massiven Wetterunterschiede machen dem Wald zu schaffen», sagt Schweizer. Vor allem trockene Sommer seien für die Bäume ein Dauerstress.

Dieser Sommer mit seinen reichlichen Niederschlägen habe dem Wald gutgetan. Die Bäume haben diesen Sommer zum Teil einen Höhenwuchs von über einem Meter geleistet. «Es war ein eigentliches Turbojahr für die Natur», sagt der Revierförster aus Seedorf.


Infobox
So ist das Amt für Wald im Seeland organisiert

• Die Waldabteilung 7 Seeland berät rund 100 öffentliche und zirka 3500 private Waldbesitzer und 77 Gemeinden zu Fragen der Waldbewirtschaftung und der Abwehr von Naturgefahren.

Sie ist in Reviere unterteilt: Östliches Laupenamt/Ligerz – Twann-Tüscherz, Seedorf, Lyss, Unteres Bürenamt, Büren – Diessbach, BZW Lyss/Burgergemeinde Kappelen, BZW Lyss/Burgergemeinde Lengnau, Tubeloch, Amt Erlach, Schüpfen, Unteres Seeland, Burgergemeinden Bern Mitte und Bern West. Dazu kommt das Staatswaldrevier Mittelland.

• Die Waldabteilung 7 koordiniert die öffentlichen Interessen am Wald. Dazu gehört, die Erhaltung des Waldes zu beaufsichtigen, die Schutzleistung des Waldes zu sichern, die nachhaltige Bewirtschaftung zu fördern, Massnahmen zur Stärkung der Biodiversität im Wald zu unterstützen, Gemeinden und Waldbesitzerorganisationen zu beraten, die Aus- und Weiterbildung des Forstpersonals zu fördern und die Öffentlichkeit über Wald und Holz zu informieren.   

www.be.ch/wald   

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