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Seeländer

Etwas ist schiefgegangen

Eigenartig. Seit hier die letzte Kolumne unter dem Titel «Von Schlampen und ihren Eltern» erschienen ist, geschehen bei uns zu Hause merkwürdige Dinge.

Theo MartinRedaktor

Die «dummen Kinder», «Schlampen» und «Scheissopfer» sind blitzartig verschwunden – wie wenn es sie nie gegeben hätte. Dafür tauchen nun in der Jugendsprache an unserem Mittagstisch gelegentlich «Behindikinder» und «Dünnschissgurgler» auf.

Worte also, die wir zum Glück bisher nicht kannten und auch nicht kennen wollen. Und auch unsere Kinder nicht kannten, bis sie vor einem Monat hier als abschreckendes Beispiel zu lesen waren.

Da ist also etwas schief gegangen. Glücklicherweise werden diese Kraftausdrücke aber meist mit Augenzwinkern eingesetzt. Das zeigt zweierlei: Allen Unkenrufen zum Trotz lesen auch heutige Kinder Zeitung – vor allem auch das, was sie nicht unbedingt konsumieren sollten.

Und auch wenn Online boomt ist die Kraft der Tageszeitung weiterhin stark. Was gedruckt vorliegt, bewirkt deutlich mehr als die gleiche Aussage im schnelllebigen Internet. Etwas Vollkommeneres als das gedruckte Buch und die gedruckte Zeitung konnte sich die alphabetisierte Menschheit bisher denn auch kaum vorstellen.

Der Wandel zu Online findet natürlich trotzdem statt. Nur ist die Verlagerung vielleicht langsamer als vermutet. Das gilt übrigens auch für die immer wieder angemahnten Veränderungen am Familientisch.

Falls Sie Kinder haben, kennen Sie sicher folgende Ausreden, wenn das Geschirr in die Abwaschmaschine eingeräumt werden soll. «Morgen vielleicht», meint die eine Tochter. Und die andere: «Ich bin noch nicht erwachsen». Was das für einen Zusammenhang haben soll, erschliesst sich mir zwar auch nicht.

Aber das Vorgehen ist trotzdem höchst interessant und lehrreich für mich. Wenn es also wieder einmal unbedingt ein Besuch im Stade de Suisse sein muss, könnte ich antworten: «Ich bin Zürich-Fan und Cup-Sieger.» Wetten, dass das Thema dann bald erledigt wäre?

Wir setzen deshalb vermehrt auf das Motto «Steter Tropfen höhlt den Stein». Schon die alten Römer wussten, dass Beharrlichkeit oft besser zum Ziel führt als ein einzelner Versuch. Ein einzelner Wassertropfen kann einem Stein nichts anhaben. Tropft es aber lange genug auf einen Felsen, entsteht nach und nach eine Delle. Bei der Sprache ist es vielleicht ähnlich: Hoffentlich schwemmt der Tropfen eines Tages auch die Schimpfwörter weg ...

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