Sie sind hier

Abo

Serie

Früher verpönt, heute heiss begehrt

Restaurants am Bielersee liegen oft an stark befahrenen Strassen und nicht direkt am Gewässer. Die Gründe dafür liegen in der Vergangenheit.

Bild: Matthias Käser
  • Dossier

Am Bielersee-Ufer in Biel gibt es heute eigentlich nur ein Restaurant mit direktem See-Anstoss. Bei der Suche nach einem passenden Restaurant am See verstehen Touristen in Biel manchmal nicht, warum das nicht so einfach ist und Restaurants oft an den stark befahrenen Strassen der beiden Bielerseeseiten liegen. Die Erklärung ist denkbar einfach.

Bis zur Juragewässerkorrektion Ende des 19. Jahrhunderts schwankte der Wasserstand bis zu zweieinhalb Meter, weshalb das Ufer regelmässig überschwemmte, und das ganze Ufer-Gebiet und insbesondere die südliche Seeufer-Seite zu einem regelrechten Sumpfgebiet werden liess. Alle heute heiss begehrten Parzellen mit Seeanstoss wollte deshalb früher niemand haben. Oftmals wechselten diese den Besitzer für einen Apfel und ein Ei. Was heute unvorstellbar ist, war damals Realität: Die wilde, «ungezähmte» Natur war schrecklich und wurde erst unter dem Begriff des Erhabenen ab dem 18. und 19. Jahrhundert ästhetisiert.

 

Seegärten abgetrennt
Aus dieser Zeit stammen auch die ersten romantisierten Postkarten der St. Petersinsel mit Schäfer-Darstellungen. Bis zur Gewässerkorrektion im Seeland boten die meisten Ländten von Häusern die einzige Möglichkeit, Waren und Wein über den Bielersee oder weiter der alten Zhil entlang bis Solothurn zu liefern.

Der «Bären» in Twann, heute im Dorfinnern, war damals mit seinem Wasseranstoss, der Ländte, ein wichtiger Handelsumschlagplatz für die An- und Auslieferung über den See. Das Nordufer des Bielersees verfügte immerhin über einen Treidelpfad, die eigentlichen Handelswege führten dort allerdings über den Pilgerweg durch die Reben.

Nach dem Absenken des Seespiegels entstanden zunächst vor den Dörfern und Weilern Seegärten mittels zahlreicher Uferverbauungen, den so genannten Bürinen. Als im 19. Jahrhundert der Bedarf nach Verkehrsanschluss jedoch so stark anstieg, wurden diese Seegärten von den Dorfzentren abgetrennt und einige Baudenkmäler verschwanden oder wurden durch die Nähe zur Strasse entwertet, wie etwa das ehemalige Klosterhaus Gottstatt oder die Gebäude der ehemaligen Abtei Engelberg in Wingreis.

Am Bielerseeufer besassen seit dem 13. Jahrhundert vornehmlich Klöster Reben. Das ist der Grund, dass sich zunächst, wenn überhaupt, Gebäude der Kloster am Bielerseeufer befanden. Diese mussten sich zuerst noch in Restaurants «verwandeln». Mit zunehmendem Bedarf, sich in der ab dem 19. Jahrhundert schönen und nach der Gewässerkorrektion bezwungenen, nicht mehr bedrohlichen Natur zu erholen, kam die gesteigerte Nachfrage nach dem Verweilen in Ufernähe mit Seeanstoss auf.

 

Neues Geschäftsmodell
So entstand ein neues Geschäftsmodell: das Restaurant am See. Der Klosterbesitz Gottstatt am See, 1527 erstmals nachgewiesen, war der Vorgänger des Gottstatterhauses. Der heutige Restaurantbau entstand 1958. Zum gleichen Klosterbetrieb gehörten auch die Reben beim heutigen Restaurant Räblus. Ein Grossteil aller Gebäude, nebst den Gebäuden des Gottstatterhauses und des Restaurant Räblus in Vingelz geht auf dieses Kloster zurück. Und das einzige Restaurant neueren Datums, das tatsächlich unmittelbar am Wasser gelegen war, das Restaurant Beau-Rivage, wurde im Sommer 2009 abgebrochen.

Nach einigem Seilziehen zwischen einem Hotelprojekt, gegen das sich die Wassersportler des nahen Ruder- und Kanuclubs erfolgreich wehrten, und einer Wohnüberbauung, kommt es ab 2008 zum Kompromiss mit der neuen Seeuferplanung: der Uferweg wird zwischen Biel-Strandboden und Vingelz um 320 zusätzliche Meter erweitert und das Restaurant Capriccio wird ans Seeufer gebaut. Eine Lücke am Seeufer für Ausflügler, Fussgängerinnen und Fussgänger und für den Veloverkehr unmittelbar am Seeufer schliesst sich. Ein Meilenstein in der Geschichte der Annäherung der Bielerinnen und Bieler an ihren See.

Sabine Kronenberg

 

Nachrichten zu Seeland »